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Mechanicus, Philip

H.A.M. 0

Philip Mechanicus (Pseudonym: Pére Celjenets)
Journalist


Geb. 17.4. 1889 in Amsterdam/ NL
Gest. Oktober 1944 im KZ Auschwitz


„Ich habe das Gefühl, als Reporter über einen Schiffbruch zu berichten. Wir sind in einen Wirbelsturm geraten und merken, daß das Schiff leckgeschlagen ist und langsam sinkt. Wir versuchen, den Hafen zu erreichen, aber er ist zu weit weg. Langsam beschleicht mich das Gefühl, nicht meine Verfolger hätten mich hierher gebracht, sondern ich machte diese Reise freiwillig, damit ich meine Arbeit tun kann.“

(Philip Mechanicus)


Der älteste von sieben Söhnen einer armen jüdischen Familie verdient sich bereits als Zwöljähriger, nach dem Abschluß der Volksschuöe, mit Botendiensten für eine Zeitung sein Geld. Später gibt man ihm einen Posten im Büro und beginnt, alle Bücher zu lesen, die er in die Hände bekommt. Mit siebzehn schreibt er seine ersten Artikel für die Zeitung Het Volk und beginnt damit seine journalistische Laufbahn.


Nach Ableistung des Militärdienstes geht Philip Mechanicus um 1910 nach Niederländisch-Ostindien, wo er in Medan bei der Sumatra Post und später in Semarang auf Java für die Lokomotif schreibt. Aus der Ehe mit der Tochter eines niederländischen Diamantenschleifers stammt die 1918 geborene Tochter Rita, mit der die Eltern 1919 nach Europa zurückkehren. Kurz darauf erhält Mechanicus eine Stelle als Redakteur in der Auslandsabteilung des Algemeen Handelsblad. Die zweite Tochter Julia wird geboren. 1921 trennen sich die Eheleute und Philip Mechanicus heiratet einige Jahre später ein zweites Mal und wird erneut Vater einer Tochter. Allerdings ist auch diese Ehe nur von kurzer Dauer.


In den frühen zwanziger und zu Beginn der dreissiger Jahre finden vor allem seine Reisereportagen, die für das Algemeen Handelsblad schreibt, großen Zuspruch bei den LeserInnen der Zeitung. Seine Berichte über die Sowjetunion aus den Jahren 1929 bis 1934 sowie über Palästina werden in gebundener Fassung herausgegeben und Mechanicus steigt sehr bald vom Reporter zum Ressortleiter auf.

Im Mai 1940 besetzen deutsche Truppen die Niederlande und sehr bald gibt man ihm zu verstehen, daß ein Jude in dieser Position als Journalist nicht erwünscht ist. Mechanicus wird entlassen, schreibt jedoch weiter Artikel unter dem Pseudonym Pére Celjenets (was auf russisch etwa so viel bedeutet wie „Das Dorf wechseln“ oder „umsiedeln“)


Am 27. September 1942 wird Philip Mechanicus auf offener Straße verhaftet und ins Polizeigefängnis verbracht. Der Journalist, der sich geweigert hat, den Judenstern zu tragen, wird das Opfer einer Denunziation. Für seine Frau und die Tochter Julia hat er zuvor rechtzeitig ein Versteck organisiert, in dem die beiden bis Kriegsende überleben. Für Philip Mechanicus hingegen hat sich die Frage des Untertauchens – in Verkennung der tatsächlichen Bedrohung – nie gestellt, denn für ihn sind die Deutschen im Unrecht – warum also sollte er sich verstecken?


Am 25. Oktober 1942 wird Philip Mechanicus ins Konzentrationslager Amersfoort deportiert und gefoltert. Am 7. November bringt man ihn ins Durchgangslager Westerbork, wo er bis Mitte 1943 aufgrund seiner schweren Verletzungen im Krankenrevier liegt. Der Journalist Mechanicus schreibt auch in diesen schweren Zeiten – Tagebuchnotizen. Anfang März 1944 wird Philip Mechanicus ins deutsche Konzentrationslager Bergen-Belsen in der Lüneburger Heide deportiert und am 9. Oktober, mit weiteren 120 Häftlingen, nach Auschwitz. Aus den Angaben von zwei Überlebenden kann geschlossen werden, daß er dort drei Tage nach seiner Ankunft am 12. Oktober 1944 erschossen wird.


Quelle:

Renata Laqueur: Schreiben im KZ. Tagebücher 1940-1945 Bearbeitet von Martina Dreisbach und mit einem Geleitwort von
Rolf Wernstedt, Donat-Verlag, Bremen 1992, Zugl.: New York, Univ., Diss., ISBN 3-924444-09-9, S. 130ff.

Hier können Sie ein Interview herunterladen, das Ulrike Müller am 7. Juli 1994 in New York mit Dr. Renata Laqueur über das Thema Schreiben im KZ geführt hat.


Literatur:

Floris B. Bakels: Verbeelding als Wapen, Tjeenk Willink, Haarlem, 1947
Karl Adolf Gross: Zweitausend Tage Dachau. Erlebnisse eines Christenmenschen unter Herrenmenschen und Herdenmenschen. Berichte und Tagebücher des Häftlings Nr. 16921. Neubau-Verlag, München, 1946
Abel Herzberg: Tweestromenland. Dagboek uit Bergen-Belsen, Arnhem, 1950
Heinrich Eduard vom Holt: Weltfahrt ins Herz. Tagebuch eines Arztes, Balduin-Pick-Verlag, Köln, 1947
David Koker: Judendurchgangslager Vught. 13. Februar 1943 bis 8. Februar 1944. Reichsinstitut für Kriegsdokumentation, Amsterdam, unveröffentlicht
Edgar Kupfer-Koberwitz: Die Mächtigen und die Hilflosen. Als Häftling in Dachau. Band 1: Wie es begann. Band 2: Wie es endete. Friedrich-Vorwerk-Verlag, Stuttgart, 1957
Jacques Lamy: Buchenwald, 18. Januar 1944 bis 25. Juni 1945, unveröffentlicht, im Besitz des Autors
Hanna Lévy-Hass: Vielleicht war das alles erst der Anfang. Tagebuch aus dem KZ Bergen-Belsen 1944-1945, Rotbuch-Verlag, 12. bis 13. Tausend, Berlin 1982
Philip Mechanicus: In Dépôt. Dagboek uit Westerbork. Polak & Van Gennep, Amsterdam, 1964
Simone Saint-Clair: Ravensbrück: L’Enfer des Femmes. Fayard, Paris, 1967
Gerty Spies: Tagebuchfragment aus Theresienstadt. In: Drei Jahre in Theresienstadt, München, Verlag Christian Kaiser, 1984, S. 98-113
Loden Vogel: Dagboek uit een Kamp, G.A. Van Oorschot, Amsterdam, 1965


Links (deutsch):

http://www.westerbork.nl


International:


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