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Meerbaum-Eisinger, Selma

H.A.M. 0

Selma Meerbaum-Eisinger
Schriftstellerin


Geb. 15.8.1924 in Czernowitz/Bukowina
Gest. 16.12.1942 im deutschen Arbeitslager Michailowska, westl. des Bug


Selma Meerbaum-Eisinger, am 15. August 1924 in Czernowitz geboren, gehört nicht wie ihr berühmter Cousin Paul Celan zu den von den Nazis verfolgten Dichtern, deren Werke auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.
Wie etwa die von Else Lasker-Schüler, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Lion Feuchtwanger, Thomas und Heinrich Mann, Bertolt Brecht.

Sie war erst 15 Jahre alt und schon eine Dichterin. Als Dichterin konnte sie nicht, wie es vielen Autoren über 1945 hinaus erging, vergessen werden – Selma Meerbaum-Eisinger wurde erst gar nicht bekannt.


Ihr kurzes Leben, das am 16. Dezember 1942 in einem Konzentrationslager endete, macht auch deshalb betroffen, weil es zeigt, was an Dichtung ganz junger Menschen verloren ging, die „nur“ einen Namen unter 6 Millionen jüdischer Opfer hatten, aber keinen in der Literatur.

Tod im Konzentrationslager:

Wer in Zukunft von Anne Frank spricht, wird auch von Selma Meerbaum-Eisinger sprechen müssen – wie von zwei Schwestern, von denen die eine dokumentierte, was die andere dichtete. Das Tagebuch der Anne Frank, im holländischen Versteck geschrieben, und die Geschichte von Meerbaum-Eisinger gehören zusammen; Zeugnisse des Lebens zweier jüdischer Mädchen, die Opfer des nationalsozialistischen Deutschland wurden.

„Ich habe keine Zeit gehabt, zu Ende zu schreiben“

Selma wurde 18 Jahre alt. Sie hinterließ 57 Gedichte – Gedichte über eine Liebe, die mehr Traum war als Wirklichkeit, gewidmet ihrem Freund, der später auf der Flucht nach Palästina ums Leben kam. Gerettet wurden Selmas Gedichte, die jahrzehntelang als verschollen galten, von dem Autor Jürgen Serke, der ihre Geschichte recherchiert hat. Das Manuskript endet mit den flüchtig geschriebenen Worten: „Ich habe keine Zeit gehabt, zu Ende zu schreiben“.


Darüber die Verse:

Das ist das Schwerste: sich zu verschenken
und wissen, daß man überflüssig ist,
sich ganz zu geben und zu denken,
daß man wie Rauch ins Nichts verfließt.


Kindheit und Jugend in beengten Verhältnissen

„Selma“, so erzählt eine frühere Freundin, „wohnte mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater im Süden der Stadt am Fuße der Habsburghöhe. Die Wohnung bestand aus einer Küche und einem großen Zimmer. Man ist reingekommen durch einen langen Gang, ein paar Stiegen führten in den ersten Stock direkt in die Küche. Elektrisches Licht gab es nicht. Im großen Zimmer standen die Ehebetten. Am Fußende ein Sofa, auf dem Selma schlief, dann zwei Schränke und dazwischen ein kleiner Schreibtisch. Kein fließendes Wasser, kein Bad.“

Mitgliedschaft in der zionistischen Jugendbewegung

Wer so beengt lebt, sehnt sich nach Freiheit, sehnt sich hinaus. Deshalb schließt sich Selma der zionistischen Jugendbewegung an; Palästina ist das verheißene Land. Auch Anne Frank besucht die Veranstaltungen der zionistischen Jugendvereinigung, aber sie, die aus dem assimilierten Westjudentum stammt, grenzt sich vom Zionismus ab. Ihre Eltern schicken sie auf eine Montessori-Schule, ehe sie von den Nazis gezwungen wird. eine jüdische Schule zu besuchen.


Ungewisse Zukunft

Während Anne Frank selbstsicher ist und auf Grund ihrer Herkunft eine genaue Vorstellung von der Zukunft hat, gern nach London oder Paris gehen würde, um Sprachen zu lernen und Kunstgeschichte zu studieren, hat Selma nicht den Hauch einer solchen Perspektive. Sie will weit weg. Doch sie weiß nicht wohin. Wie viele der etwa 70.000 in Czernowitz lebenden Juden hat sie keine sicheren Zukunftsaussichten.

Sehnsucht nach der unbekannten Welt

Einen großen Teil ihrer Gedichte hat sie an ihren Freund gerichtet, aber diese Sehnsucht nach dem „Geliebten“ ist gleichbedeutend mit der Sehnsucht an dem anderen, nach der Welt, die sie nicht kennt. Ihre nächste Umgebung kommt in ihren Gedichten nicht vor. Gegenstand ist die Natur, die ostgalizisische Landschaft, deren Weite und Verlassenheit ihrer Schwermut entsprechen.


Literatur:

Selma Meerbaum-Eisinger:
Ich bin in Sehnsucht eingehüllt
Herausgegeben von Jürgen Serke
Verlag Hoffmann & Campe , Hamburg 2005
ISBN 3-455-05171-5

Unter dem selben Titel ist im selben Verlag eine CD (Hörbuch) mit Iris Berben erschienen. ISBN : 3-455-30429-X
Für eine Hörprobe klicken Sie bitte hier

Die Musik-CD zu Buch und Hörbuch:
Selma In Sehnsucht eingehüllt
World Quintet
Just records Babelsberg 2005
Für eine Hörprobe klicken Sie bitte hier

weitere Informationen und Hörproben unter:
http://www.selma.tv


Weitere Vertonungen:

Xaver Paul Thoma:

Ich bin in Sehnsucht eingehüllt
Sieben Lieder für Sopran und Klavier
(Texte: Selma Meerbaum-Eisinger)
opus 37/a (1984/86)

I Ja
II Spürst Du es nicht
III Herbstregen
IV Den gelben Astern ein Lied
V Welke Blätter
VI Spürst Du es nicht
VII Tragik

Informationen unter: http://www.xaverpaulthoma.de/werkverzeichnis/
xpt051/xpt051/index.html

ders.:

lch bin in Sehnsucht eingehüllt
Sieben Lieder für Sopran und Orchester
(Texte: Selma Meerbaum-Eisinger)
Orchesterfassung opus 37/b (1987)


Jürgen Serke: Ein Buch kommt in Deutschland an entnommen aus: „Ich bin in Sehnsucht eingehüllt“, S. 9-12

„Heute gehört sie zum literarischen Dreigestirn der Stadt Czernowitz, das die Namen Paul Celan, Rose Ausländer und Selma Meerbaum-Eisinger trägt. Czernowitz war jene deutschsprachige Insel aus Zeiten der Habsburgermonarchie, die durch den Vernichtungsfuror Hitler-Deutschlands 1945 unterging. Zu den Opfern des Holocaust gehörte auch die 18jährige Selma-Meerbaum-Eisinger. Und nicht deutete darauf hin, daß sie mehr sein würde als eine Zahl in den Todeslisten der Nazis…“

Hier können Sie den gesamten Beitrag (pdf-Datei) herunterladen


ders.: Geschichte einer Entdeckung, a.a.O., S. 101-115

„Spurensicherung, weit entfernt von Deutschland, in Czernowitz, einer Stadt im Osten. Darin lebte ein Mädchen, das Gedichte über eine Liebe schrieb, die mehr ein Traum denn Wirklichkeit war. Es war die erste Liebe, zu einem jungen Mann und zu einer Sprache, die nicht die Landessprache Rumänisch war. Deutsch nannte das Mädchen sein eigen…

Hier können Sie den gesamten Beitrag (pdf-Datei) herunterladen


Links (deutsch):

http://www.windekind.de

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,392771,00.html

 

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