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Kolmar, Gertrud

H.A.M. 0

Gertrud Kolmar (eigentl. Gertrud Chodziesner)
Dichterin


Geb. 10.12.1894 in Berlin
Gest. 1943 in Auschwitz/ Polen


„Las [ihre Gedichte], und es hat mich lang nieder-gestreckt. […] Solche Texte wie ‚Garten im Sommer‘, ‚Die Stadt‘, ‚Sehnsucht‘ liebe ich Wort für Wort. Und krepiere daran. Und wie ihre Biographie ging. Das geht wie Radknirschen über mich weg.“

(Sarah Kirsch)


Der Name Kolmar ist ein Pseudonym. Eigentlich heißt die Dichterin Gertrud Chodziesner. Kolmar ist der deutsche Name der polnischen Stadt Chodziesen in Posen, aus der die Familie ihres Vaters kam. Dieser in Berlin geborene Mann ist ein bekannter Strafverteidiger, die Familie großbürgerlich. Während des Ersten Weltkriegs arbeitet sie, die englisch, französisch, russisch und hebräisch spricht, als Dolmetscherin, danach als Erzieherin in Dijon.

Sie unterrichtet taubstummme und autistische Kinder. 1930 stirbt die Mutter, ihre Geschwister emigrieren am Vorabend der sich abzeichnenden nationalsozialistischen Machtübernahme. Gertrud aber bleibt. Nach dem Zwangsverkauf des Familien-besitzes lebt die junge Dichterin mit ihrem Vater seit 1939 im Sperrgebiet, in einem der zahlreichen Berliner Judenhäuser. 1941 wird sie zur Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb verpflichtet, Anfang 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie umkommt. Das genaue Todesdatum ist unbekannt.


Gertrud Kolmars literarische Werke blieben zu Lebzeiten weitgehend ungedruckt, standen sie doch abseits jeder literarischen Strömung; neben visionären Naturgedichten und Gedichten über historische Themen stehen sollche mit balladen- und volksliedhaften Tönen. Sue schrieb aber auch Erzählungen und Dramen.


Vor allem aus ihrer Lyrik spricht in Thematik und Metaphorik ein starkes jüdisches Selbstbewußtsein. Die bildhaft expressive Sprache und die biblisch mythischen Motive erlauben Vergleiche zur Lyrik von Else Lasker Schüler und Nelly Sachs. Nicht wenige ihrer Gedichte, Prosa und der Briefwechsel werden erst in den sechziger und siebziger Jahren aus dem Nachlaß publiziert.


„Nach Osten send ich mein Gesicht:
Ich will es von mir tun.
Es soll dort drüben sein im Licht,
Ein wenig auszuruhn
Von meinem Blick auf diese Welt,
Von meinem Blick auf mich,
Die plumpe Mauer Täglich Geld,
Das Treibrad Spute dich.

Sie trägt, die Welt in Rot und Grau
Durch Jammerschutt und Qualm
Die Auserwählten, Tropfentau
An einem Weizenhalm.
Ein glitzernd rascher Lebenslauf,
Ein Schütteln großer Hand:
Die einen fraß der Mittag auf,
Die andern schluckt der Sand.

Drum werd ich fröhlich sein und still,
Wenn ich meinen Soll getan;
In tausend kleinen Wassern will
Ich rinnen mit dem Schwan,
Der ohne Rede noch Getön
Und ohne Denken wohl
Ein Tier, das stumm, ein Tier, das schön,
Kein Geist und kein Symbol.

Und wenn ich dann nur leiser Schlag
An blasse Küsten bin,
So roll ich frühen Wintertag,
Den silbern kühlen Sarkophag
Des ewigen Todes hin,
Darin mein Antlitz dünn und leicht
Wie Spinneweben steht,
Ein wenig um die Winkel streicht,
Ein wenig flattert, lächelnd bleicht
Und ohne Qual verweht.“

(Gertrud Kolmar: „Abschied“)


Werke:

Gedichte (1917), Preußische Wappen (Gedichte, 1934), Die Frau und die Tiere (Gedichte, 1938), Welten (Gedichte, herausgegeben 1847), Eine Mutter (Erzählung, hg. 1965).


Literatur:

Gertrud Kolmar:
Orte
Marion Brandt (Hrsg.)
Französische Broschur, als Einband
Holzdruck auf Seidenkokon von Ruth Tesmar
mit farbigen Abbildungen und Faksimiles
Vorzugsausgabe Auflage 50 Exemplare
KONTEXTverlag Berlin
ISBN 3-931337-28-6

Gertrud Kolmar:
Die jüdische Mutter
Roman
Mit einem Nachwort von Esther Dischereit
Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt/ M., 2003
ISBN 3-518-22370-4

Gertrud Kolmar:
Das lyrische Werk
Regina Nörtemann (Hrsg.)
Wallstein-Verlag Göttingen 2003
ISBN 3-89244-499-4

Johanna Woltmann:
Gertrud Kolmar. Leben und Werk
Wallstein-Verlag Göttingen 1995
ISBN 3-89244-067-0


Links (deutsch):

http://www.dla-marbach.de/kallias/hyperkuss/k-70.html

http://ursulahomann.de/WerWarGertrudKolmar

http://www.luise-berlin.de/Lesezei/Blz00_08/text5.htm

http://mitglied.lycos.de/beschka/inhalt/kolmar.htm

http://www.ndrkultur.de/ndrkultur_pages_stdep/0,2515,OID204218_REF202,00.html

http://www.lyrikwelt.de/rezensionen/daslyrischewerk-r.htm

http://iasl.uni-muenchen.de

http://www.hvl.shuttle.de/finkenkrug/ort/kultur/Mattenklott.htm

http://www.hvl.shuttle.de/finkenkrug/ort/kultur/Breysach.htm

http://www.litlinks.it/k/kolmar.htm

http://www.jf-archiv.de/archiv01/071yy47.htm

http://www.freitag.de/2000/14/00141602.htm


International:

http://www.litencyc.com/php/speople.php?rec=true&UID=5612

 

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