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Burg, Josef

H.A.M. 0

Josef Burg
Schriftsteller

Geb. 1912 in Wischnitz (Bukowina)/ Österreich-Ungarn


Von den knapp siebentausend Einwohnern seines Heimatortes sind über 6.300 Juden. Es wird durchweg Jiddisch gesprochen, auch von den wenigen Christen im Ort. Bereits mit vier Jahren besucht Burg den traditionellen Religionsunterricht im Geiste des chassidischen Judentums.

Auch und vor allem der Rabbiner ist es, der dem Jungen durch seine Erzählungen eine neue Welt voller Wunder eröffnet und die ersten Grundlagen für Burgs späteres literarisches Schaffen legt.


Der Vater – mit dem für Juden äußerst seltenen Beruf des Flößers auf dem Tscheremosch – pflegt ebenfalls die Tratition des Geschichten-Erzählens und damit eine Tradition, die überall zu jener Zeit in der Bukowina üblich ist.

Josef Burg ist zwölf Jahre alt, als die Eltern mit ihm nach Czernowitz, in die Hauptstadt der Bukowina, übersiedeln. „Als ich nach Czernowitz kam, war das, als sei ich auf einen anderen Planeten gekommen“, wird er sich später in einem Interview mit der Wiener Zeitung erinnern: „Wir kamen abends in der Stadt an. Am nächsten Morgen stand ich früh auf und schaute aus dem Fenster. Da sah ich eine Straßenbahn. Das war unvorstellbar. Sie fährt von alleine! Und Menschen setzen sich da auch noch hinein. Was ist das? Ohne Pferde? Die ersten Tage waren für mich unbegreiflich, ich war in eine Welt voller Wunder geraten.“


Nach erfolgreichem Schulbesuch absolviert Burg ein Lehrerseminar, veröffentlicht im Juni 1934 seine erste Erzählung in den Czernowitzer Bletern, eine der bekanntesten jiddischen Zeitschriften (deren Herausgeber er später selber wird) und geht anschließend über Bukarest- damals ein geistiges Zentrum jüdischen Lebens – 1935 nach Wien, wo er sich für das Studium der Germanistik einschreibt.


Er genießt das Leben im II. Wiener Bezirk mit seinem Café Central, dem Treffpunkt der jüdischen Intelligenz, die sehr bald schon zum Lebensmittelpunkt für den angehenden Schriftsteller Josef Burg werden wird. Franz Werfel und andere Literaten sind es, denen er hier begegnet (Die Dichterin Rose Ausländer kennt er bereits flüchtig aus dem heimatlichen Czernowitz). Weltoffenheit und Multikulturalität spiegeln sich nicht zuletzt auch in der Person des Josef Burg: neben seiner „Muttersprache“ Jiddisch spicht er Deutsch und lernt mit 30 Jahren Russisch.


Nach dem sogenannten Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 verläß Josef Burg Wien. Seinen ursprünglichen Plan, über die Schweiz nach Großbritannien zu emigrieren, wo befreundete Schruftsteller bereits leben und eine jiddische Zeitung erscheint, ändert er allerdings auf Anraten der Sekretärs der Tschechischen Botschaft. In Prag erhält er ohne weitere Probleme ein drei Monate gültiges französisches Tarnsitvisum sowie ein englisches Visum für ein Jahr. Da ihm als Juden (mit einem rumänischen Paß) allerdings das deutsche Transitvisum verweigert wird, geht er wieder zurück nach Czernowitz, wo sich herausstellt, daß man ihm mittlerweile die Staatsbürgerschaft entzogen hat und sein Vorhaben, durch Bulgarien und Jugoslawien Richtung England zu fliehen, nicht mehr realisiert werden kann. Josef Burg ist staatenlos.


1940 wird das seit Ende des Ersten Weltkrieges zu Rumänien gehörende Czernowitz sowjetisch, 1941 – nach dem deutschen Überfall auf die UdSSR – wieder rumänisch, 1944 erneut sowjetisch. Der Einmarsch der sowjetischen Truppen wird von vielen begrüßt, auch vom damals noch pro-kommunistisch eingestellten Josef Burg (dessen Bruder während des Spanischen Bürgerkrieges als Angehöriger einer kommunistischen Brigade vor Madrid gefallen ist).


Aber der Traum von einer besseren Zukunft zerschlägt sich sehr bald. Viele Juden verlassen nach 1945 das Land – Josef Burg nicht. Er glaubt an die Sowjetunion und einen anderen Gesellschaftsentwurf. Über Umwege verschlägt es ihn ins zentralasiatische Usbekistan, in Smarkand muß er viele seiner ebenfalls dorthin evakuierten Freunde zurücklassen und kommt schließlich nach Iwanowo bei Moskau, wo Burg am Pädagogischen Institut Weltliteratur unterrichtet und anfänglich auch noch literarisch tätig ist, bis er für viele Jahre das Schreiben einstellt. Hier lernt er auch seine spätere Frau kennen. An die folgenden zwei Jahrzehnte in der Sowjetunion erinnert sich Josef Burg später nur noch sehr ungern, denn für ihn sind dies die schwersten Jahre seines Lebens.


Ende der 50er Jahre kehrt er mit Frau und Tochter schließlich nach Czernowitz zurück, lebt und arbeitet hier zunächst als Lehrer, später als Schriftsteller. Das Czernowitz der Nachrkiegszeit ist jedoch ein völlig anderes als jenes, in dem Josef Burg seine Jugendjahre verbracht, die ersten schriftstellerischen Erfahrungen gemacht hat und wo er jetzt niemanden mehr kennt. „Ich hatte das Gefühl, daß die Steine unter meinen Füßen weinten“ bescheibt er seine damaligen Empfindungen später

Anfang der 70er Jahre fliehen die letzten noch verbliebenen jüdischen Einwohner vor dem wieder aufkeimenden Antisemitismus in den Westen und nach Israel – Josef Burg aber bleibt und wird zum letzten jüdischen Schriftsteller in Czernowitz, der – trotz aller Enttäuschungen – den Glauben an das Gute um Menschen nicht verloren hat:

„WZ (Wiener Zeitung, Anm.d.Red.): Glauben Sie überhaupt noch jemandem? Burg: Ja, trotz allem. Es gibt sehr viele gute, anständige Menschen. Leider kann man nicht über Nacht anders werden. Ein Mensch ist kein Koffer, den man von der einen Ecke des Zimmers in eine andere stellt. Ich bin jetzt, neben meiner schriftstellerischen Tätigkeit, auch Vorsitzender des Jüdischen Rates der Bukowina. Ich habe dort einen Kollegen, der vor zehn Jahren geschrieben hat, daß man jeden Juden, der auswandern wolle, mit heißem Stahl übergießen solle. Er würde das morgen wieder schreiben, wenn es opportun wäre. Alles ist möglich. So ist es leider. WZ: Sehen Sie sich als den letzten Repräsentanten einer vergangenen Welt, einer untergegangenen Kultur? Burg: Nein. Ich will mich nicht so sehen. Ich will nicht der letzte sein. Ich hoffe, nicht der letzte zu sein. Es gibt ein Sprichwort im Russischen: „Eine Stunde zur Nacht ist noch nicht Nacht“.


Quelle:

Burg, Josef: „Ich will nicht der letzte sein“, von  Michael Martens (1. Mai 1998)
http://2005.wienerzeitung.at/Desktopdefault.aspx?TabID=3946&Alias=wzo&lexikon=Auto&letter=A&cob=7678


Links (deutsch):

http://cms.ifa.de/publikationen/zeitschrift-fuer-kulturaustausch/archiv/ausgaben-2000/willkommen-auf-dem-genbasar/martens/

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