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Pappenheim, Else

H.A.M. 0

Else Pappenheim
Neurologin und Psychoanalytikerin

 

Geb. 22.5.1911 in Salzburg/ Österreich
Gest. 11.1.2009 in New York/ USA

Else Pappenheim gehört zu den letzten Ausbildungskandidatinnen des legendären „Wiener Psychoanalytischen Instituts“ in der berühmten Berggasse. Die Zeitzeugin einer schrittweisen Auflösung der „Wiener Psychoanalyse“ durch die Nazis trägt später mit ihrer Arbeit als Neurologin, Analytikerin und Dozentin an verschiedenen Universitäten und Kliniken wesentlich zur Wirkungsgeschichte österreichischer EmigrantInnen in den USA bei.


Die Tochter aus einer traditionsreichen Ärztefamilie wächst in Wien auf, absolviert die dortige „Schwarzwaldschule“ und immatrikuliert sich 1928 an der Medizinischen Fakultät. Ab 1935 ist Else Pappenheim als Sekundarärztin an der Wiener neuro-logisch-psychiatrischen Klinik tätig. Nach einem persönlichen Gespräch mit Freuds Tochter Anna wird sie als eine der letzten Kandidatinnen am Wiener Psychoanalytischen Institut in der Berggasse aufgenommen und belegt dort ab Herbst 1937 Kurse bei Otto Isakower, Richard Sterba, Anna Freud und Heinz Hartmann.

Nur ein Jahr später wird keines der berühmten Mitglieder der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) mehr in der österreichischen Hauptstadt praktizieren: auch und gerade die Psychoanalyse trifft der blinde Hass der Nationalsozialisten.


„Ich werde den letzten Abend niemals vergessen. Dr. Hart-mann gab ein Seminar. Wir waren in einem kleinen Raum mit Fenstern auf die Berggasse. Plötzlich hörte man Marschieren egleitet von rhythmischem ‚Heil Hitler‘-Gebrüll. Hartmann hielt kurz inne und sah mich an – er kannte mich besser als die anderen. Er war ernster Miene aber lächelte leicht beruhigend. Er führte das Seminar zu Ende. Wir alle gingen schweren Herzens und schweigend auseinander.“

(Else Hartmann)


Nicht nur die Tatsache, daß ein Großteil der Analytiker jüdischer Abstammung ist, macht sie den Nationalsozialisten verhaßt, sondern vor allem der jungen Wissenschaft selbst gelten die Feuersprüche, mit denen die Werke Sigmund Freuds in Deutschland bei der reichsweiten Bücherverbrennung 1933 in die Flammen geworfen werden: „Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele!“ In Else Pappenheims Geburtsstadt Salzburg brennt der Scheiterhaufen im April 1938, kurz nach dem sogenannten „Anschluß“.
Sie selber wird bald darauf als Sekundarärztin der neurologisch-psychiatrischen Klinik entlassen und an eine kleine Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien versetzt. Wenige Wochen später erhält sie die endgültige Kündigung, und nach weiteren viereinhalb Monaten wird der jungen Ärztin die Praxiserlaubnis entzogen.

Bereits kurz nach dem 11. März hat der einmalige Exodus einer gesamten Wissenschaft aus Europa eingesetzt: Nachdem die Mitglieder des zweiten wichtigen Instituts für Psychoanalyse in Berlin bereits nach dessen Schließung 1933 emigriert waren, verlassen nun auch die Mitglieder der Wiener Psychoanaly-tischen Vereinigung nahezu ausnahmslos die Geburtsstadt der Psychoanalyse. Weit über 100 Psychoanalytiker- und IndividualpychologInnen emigrieren – mehrheitlich in die USA. Der Großteil der Wissenschafter läßt sich in New York nieder.


Auch Else Pappenheim gelingt im November 1938 die Flucht auf dem Umweg über Palästina in die Vereinigten Staaten: Sie geht
an die Johns Hopkins Universität nach Baltimore zu Adolf Meyer, einem der renommiertesten Psychiater seiner Zeit. Bei ihm lernt
sie die amerikanische – aus ihrer Sicht „starre“ – Psychoanalyse kennen, allerdings auch die Machtkämpfe und Auseinanderset-zungen innerhalb der „Emigranten-Community“.

Jahrelang arbeitet die Ärztin in den USA in verschiedenen Spitälern – wobei die Zustände der psychiatrischen Abteilungen vor Ankunft der europäischen EmigrantInnen wenig gemein haben mit jenem fortschrittlichen Amerika europäischer Vorstellung. So etwa Else Pappenheims Beschreibung ihrer Station in einem Krankenhaus in der Nähe Baltimores: „90 Patienten auf verfaulten Strohsäcken, in einem Saal, den man nicht lüften konnte, Ratten überall, auch am Tag“. Zudem galt ein Verbot für Afroamerikaner: „Es gab kein schwarzes Gesicht, keine Patienten, keine Ärzte, keine Schwestern. (…) In den Kliniken gab es Bänke ,for whites only‘, ,colored only'(..) knapp bevor ich aus Wien weg bin, haben plötzlich die Parkbänke in Wien ein Schild gehabt ,nur für Arier‘. Dann kommt man nach Amerika und sieht das. Damit war Amerika für mich erledigt.“

Else Pappenheim lebt und arbeitet seit 1941 mit ihrem Mann, dem Patentanwalt und Ingenieur Stephen Frishauf, in New York, fühlt sich aber auch nach Jahrzehnten in der Emigration „ihrem Wien“ verbunden: „Eigentlich kann ich nicht einmal sagen, daß mir die Österreicher nahe stehen. Ich habe Freunde dort gehabt, ich habe noch Freunde, ich liebe die Stadt. Ich glaube, das gilt für alle Wiener. Es ist die Stadt.“


Literatur:

Bernhard Handlbauer (Hg.),
Else Pappenheim. Hölderlin, Feuchtersleben, Freud.

Beiträge zur Geschichte der Psychoanalyse, Psychiatrie und Neurologie (Bibliothek Sozialwissenschaftlicher Emigranten,
Bd.VII) 608 Seiten, ISBN 3-901402-40-3, € 41,00


Links (deutsch):

http://www.tzw.biz/pdf/Pappenheim_Content.pdf

http://diestandard.at/?id=1599967

http://www.literaturhaus-salzburg.at/programm/index.cfm?Detail=2847&select_month=0404

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