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Oelfken, Tami

H.A.M. 0
Tami Oelfken (eigtl. Maria Wilhelmine Oelfken, Pseudonym Gina Teelen)
Pädagogin und Schriftstellerin

Geb. 25.6.1888 in Blumenthal b. Bremen
Gest. 7.4.1957 in München

„In den Augen vieler Menschen ist mit der Abstammung eine gewisse Ehre verbunden. Ich halte nichts davon …….Meine dritte heiße Liebe schnitt T.O. und F.S. inden Stamm der dicksten Buche im Vareler Urwald. Danach zog er in den Krieg und wurde erschossen. Ich las alles, was ich über Sozialismus, Klassenkampf und Soziologie erreichen konnte………Meine Eltern drehen sich schaudernd in den Betten und verbitten sich, den ehrlichen Namen Oelfken in der Öffentlichkeit unter Liebesgedichten und Novellen in der Sonntagsbeilage der ‚Bremer Nachrichten‘ zu lesen ………..Die Literaturgeschichte von Herrn Lüth erwähnt mich nicht ……In Süd-Baden druckt man mich nicht ……….“

Tami Oelfken: Pointen einer Selbstbiographie, erschienen 1948 in der Zeit.


Tami ist die Abkürzung für Tante Miezi: diesen Kosenamen geben die Schüler ihrer Lehrerin, entschieden und engagiert gegen den autoritären Erziehungsdrill der wilhelminischen Ära opponiert und die die „Prügelschule“ bekämpft.

Tami Oelfken wird im damals noch selbständigen Blumenthal (heute ein Stadtteil von Bremen) als zweites von sieben Kindern geboren. Ihr Vater ist stellvertretender Gemeindevorsteher und Leiter der Versandabteilung der BWK (Bremer Wollkämmerei).


Behindert durch ihr schweres Hüftleiden, beginnt die junge Frau ein Studium als Lehrerin, das sie 1908 mit dem Staatsexamen abschließt und unterrichtet – nach einem kurzen Intermezzo in Ohrwege bei Zwischenahn – ab 1909 in Grohn, wo ihre unkonventionelle Unterrichtsmethode 1917 zur Versetzung an eine Schule nach Tarmstedt führt.

Tami Oelfkens Verbindung zum Kreis um Heinrich Vogeler in Worpswede führt schließlich 1919 zur Kündigung des Staatsdienstes. Sie schließt sich der Freien Reichsschulkonferenz für sozialistisches Bildungswesen in Berlin an und arbeitet von 1920 bis 1921 im Bund der entschiedenen Schulreformer mit.


Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft für Junglehrer in Gotha und engagiert auf der Seite der Gegner des reaktionären Kapp-Putsches in Thüringen. 1921 weilt Tami Oelfken zu einem längerer Aufenthalt in Klappholtal auf Sylt. Nach einer vorübergehenden Tätigkeit als Lehrerin in Spandau (1922), wo sie sich am sogenannten Spandauer Schulkampf beteiligt, kündigt sie erneut den Staasdienst, übersiedelt 1923 nach Hellerau bei Dresden, wo sie in der dortigen Internationalen Versuchschule arbeitet und ihren Mitbegründer, dem britischen Reformpädagogen A.S. Neill trifft.


Tami Oelfken verfasst einen Beitrag über Grundschulversuche und beschreibt bis 1932 in mehreren Zeitschriftenartikeln ihre pädagogischen Vorstellungen. Als Mitglied der Schulreformer und des Werdenden Zeitalters von Elisabeth Rotten gründet sie 1928 eine eigene – die Tami-Oelfen-Schule – , die eine Elternschule (d.h. ein für die Eltern verbindliches Seminar) mit einschliesst. In liberalen, jüdischen und linkssozialistischen Kreisen stößt ihr freies und humanes Unterrichtskonzept auf große Resonanz. Um so vehementer entlädt sich der nationalsozialistische Hass auf Tami Oelfken

1934 wird die Schule 1934 geschlossen. Oelfkens Versuche, die pädagogische Arbeit in London, Paris und Italien fortzusetzen, scheitern. 1939 kehrt sie nach Deutschland zurück, findet – überwacht von der Gestapo – bei Freunden Unterschlupf, schreibt unter wechselnden Pseudonymen für deutsche Zeitungen im Ausland und lektoriert für befreundete Verleger. Ihre 1940 und 1942 erscheinenden Bücher Tine (neuaufgelegt 1947 und 1988 unter dem Titel Maddo Clüver. Konturen einer Kinderlandschaft) und Die Persianermütze werden verboten.


In ihrem bekanntesten Roman Maddo Clüver beschreibt Tami Oelfken die Probleme durch die Zuwanderung vieler polnischer Familien (nach Gründung der Bremer Wollkämmerei) in einem Blumenthal des Umbruchs vom Fischerdorf zum Industrieort. Geschildert werden die anfänglichen Konflikte und die sich anbahnende Integration in die einheimische Bevölkerung. Nicht zuletzt in diesem Roman spiegelt sich ein wichtiger Abschnitt Blumenthaler Geschichte. Innerhalb der ortsansässigen Bevölkerung findet ihr Engagement jedoch bei den konservativen Lesern wenig Widerhall und es kommt sogar zu gerichtlichen Auseinandersetzumgen zwischen Tami Oelfken und einigen Blumenthaler Bürgern, die sich von ihr attackiert fühlen.

1942 wird die Schriftstellerin Oelfken aus der „Reichschrifttumskammer“ ausgeschlossen und sie erhält Schreibverbot auf Lebenszeit. Heimlich beginnt sie mit den Arbeiten am Logbuch, Aufzeichnungen über die Zeit zwischen 1939 und 1945.


Das Kriegsende erlebt Tami Oelfken in Überlingen am Bodensee. In den darauffolgenden Jahren – nicht zuletzt während des Kalten Krieges – sieht sie sich aufgrund ihrer politisch-pazifistischen Überzeugung Angriffen ausgesetzt und in ihrer Befürwortung des Ost-West-Dialoges zunehmend angefeindet. Aufgrund öffentlicher Diffamierungen, auch in der bundesrepublikanischen Presse, kündigt der Verlag Kiepenheuer und Witsch 1951 den Autoren-Vertrag mit Tami Oelfken. In den Jahren 1954 bis 1956 erscheinen ihre Werke in diversen DDR-Verlagen.

1957 stirbt die Schriftstellerin und Pädagogin mittellos und vergessen in München und wird auf dem Friedhof der reformierten Kirche ihres Geburtsortes Blumenthal beigesetzt.


In den achtziger Jahren erlebt das Werk von Tami Oelfken eine literarische Renaissance. Unter dem Titel Noch ist es Zeit werden 1988 Briefe von Tami Oelfken veröffentlicht und 2003 gibt Manfred Bosch ihre Fahrt durch das Chaos im Schweizer Libelle-Verlag heraus.

Die Schule am Lüssumer Ring in ihrem Geburtsort -Bremen-Blumenthal trägt seit 2004 den Namen Tami-Oelfken-Schule.


Quelle:

Renate Wall: Lexikon deutschsparchiger Schriftstellerinnen im Exil 1933-1945, Haland&Wirth/ Psychosozial-Verlag 2004, ISBN 389806-229-5, S. 327f.


Literatur:

Tami Oelfken: Fahrt durch das Chaos . Ein Logbuch aus Zeiten des Krieges. Herausgegeben und mit einem biografischen Nachwort versehen von Manfred Bosch. Verlag Libelle, Lengwil/ CH 2003. ISBN 3-909081-38-X


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