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Merz, Konrad

H.A.M. 0

Konrad Merz (eigtl. Kurt Lehmann)
Schriftsteller


Geb. 2. 4. 1908 in Berlin
Gest. 3.12. 1999 in Purmerend/ Niederlande


Die aus Berlin stammende Schauspielerin Cornelia Froboess war so fasziniert von dem Roman Ein Mensch fällt aus Deutschland, dass sie daraus einen wunderbaren Bühnenabend komponierte. Konrad Merz, ebenfalls in der deutschen Hauptstadt geboren, war als Teilnehmer des II. Else-Lasker-Schüler-Forums 1994 so angetan von einem Zentrum der verfolgten Künste, dass er spontan Mitglied der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft wurde und sich aktiv für die Verwirklichung dieser Idee einsetzte. Er hat die Realisierung nicht mehr erlebt. Man kann sicher sein, dass ihm dieses Virtuelle Zentrum Exil-Archiv.de gefallen hätte. Nicht, weil auch er darin Jahre nach seinem Tod „verewigt“ ist, sondern weil mit diesem modernen Medium aktiv gegen das Vergessen gearbeitet wird. Gegen Vergessen und „Zukleistern“ hat er gekämpft, ausgelöst durch die Erfahrungen der Weimarer Republik, der Nazidiktatur, der Flucht ins Exil und die Nichtbeachtung der Exilanten in demokratischen Deutschland.


Geboren wurde der Sohn einer armen jüdischen Schneiderfamilie als Kurt Lehmann. So musste er auch seit dem 15. Lebensjahr in einem Textilgeschäft arbeiten, obwohl ihm etwas ganz anderes vorschwebte, hatte er doch längst sein erstes Theaterstück und einige Gedichte geschrieben. Seinen Traumberuf Arzt konnte er nicht verwirklichen. Das Jurastudium – preiswerter als ein Medizinstudium -, hart erkämpft über den heute so genannten zweiten Bildungsweg des Abendgymnasiums und ohne materielle Absicherung, musste er abbrechen, als die Nationalsozialisten 1933 ihre Macht ausnutzten und Juden aus Ämtern und Universitäten ausschlossen. Er emigrierte 1934 nach Holland, wo er sich als Bauernknecht und Gärtner durchschlagen musste, denn von den kümmerlichen Honoraren aus Zeitungsartikeln konnte er nicht leben.


Dem Leser von heute knurrt der Magen, wenn er im 1937/38 entstandenen und im berühmten Amsterdamer Querido Exilverlag erschienenen Roman Ein Mensch fällt aus Deutschland erfährt, welch magnetische Anziehungskraft ein Brötchen mit Ei ausüben kann, wenn der Hunger nagt. Montiert aus Tagebuchaufzeichnungen, Briefen und Notizen gewinnt das Buch dokumentarische Authentizität. Auch deshalb, weil am Ende des ersten Kapitels dieser Chronik jener Jahre klar wird, dass es sich um eine Autobiografie handelt. Kurt Lehmann alias Konrad Merz macht zudem deutlich, dass er zur Generation ohne Väter gehört, wenn er seine Schilderung in der Ich-Form fortsetzt.

Beim Einfall der deutschen Wehrmacht in die Niederlande überlebt er in verschiedenen Verstecken, am längsten auf dem dunklen Dachboden einer Gärtnerei, wo ihn die Witwe seines ehemaligen Arbeitgebers verbarg.


Der Autor dieser Zeilen erlebte Konrad Merz als einen Mann, der trotz seiner gebrochenen Biografie, durch seinen feinen Witz für sich einnahm, als er 1994 in Wuppertal am Else Lasker-Schüler-Forum zum 60jährigen Bestehen des Internationalen PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland teilnahm. Dieser Exil-PEN mit Sitz im Ausland war nie vom deutschen Staat geehrt worden, obwohl seine Mitglieder die besten Vertreter deutscher Kunst und Kultur während der langen Nacht der Nazibarbarei waren – Menschen, auf die wir stolz sein können.


„Weil ick keene Penunse genuch hatte, aber eben immer Arzt hab werden wollen, machte ich det Zweitbeste aus meiner Situation“, berlinert bewusst übertreibend Konrad Merz, als er in Wuppertal über die Nachkriegszeit erzählt. In Holland, seiner zweiten Heimat und inzwischen verheiratet, hatte er sich zum Masseur ausbilden lassen.
In diesem Beruf war der weitgehend vergessene Schriftsteller überaus erfolgreich. Die Patienten „kamen von nah und auch von fern, wahrscheinlich weil ich in meinen Fingern die Gabe habe, aus dem Fleisch das Steinerne wegzumassieren“.


Mit solchen Formulierungen überspielte er seine bittere Erfahrung, in der Bundesrepublik als exilierter Autor nicht willkommen zu sein. Zwar wird sein zweiter, lange verschollener Roman Generation ohne Väter im Todesjahr 1999 noch verlegt (bei Manesse in Berlin). Es ist ein mit den Mitteln der Verfemdung spielendes Buch, das an sein Erstlingswerk anknüpft, wenn auch in völlig anderer Form. Hier spricht er von der Exilkrankheit Heimweh wie von einem Buckel, der sich nicht abschütteln lässt. Fatalistisch-humorvoll gesteht er, häufig wiederholt bei verschiedenen Gelegenheiten: „Wer rausgeschmissen wird, hat kein Heimweh.“


Autor:

Hajo Jahn


Konrad Merz über sich selbst

„In der folgenden Zusammenfassung eines Gesprächs zwischen Kurt Lehmann (…) und Hans Würzner über das Romanfragment ‚Generation ohne Väter‘ geht es eigentlich nur um eine Frage: wie kam es zum Schriftsteller Konrad Merz, war es Absicht?…“

Hier können Sie den gesamten Beitrag (pdf-Datei) herunterladen


Links (deutsch):

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=808

 

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