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Lohse-Wächtler, Elfriede

H.A.M. 0

Elfriede Lohse-Wächtler (eigtl. Anna Frieda Wächtler) (Künstlername u.a.: Nikolaus Wächtler)
Malerin


Geb. 4.12. 1899 in Löbtau b. Dresden
Gest. 31.7. 1940 in Pirna


„Ich allein weiß, wer ich bin“

(Elfriede Lohse-Wächtler, aus einem lyrischen Fragment)


Kenner nennen sie in einem Atemzug mit Malern wie Otto Dix oder Conrad Felixmüller. Ihr Name steht heute – nach langen Jahren des Vergessens – für ein herausragendes künstlerisches Werk – aber nicht zuletzt auch für 120 Tausend psychisch kranke und behinderte Menschen, die von den Nationalsozial-isten ermordet worden sind.


Elfriede Wächtler – die mit diesen Vornamen angeredet werden will, da sie ihren Taufnamen nicht mag – verläßt bereits mit 16 Jahren das Elternhaus und geht von 1915 bis 1918 gegen den Willen ihrer Eltern zum Studium an die Dresdner Königliche Kunstgewerbeschule, besucht die Klasse für angewandte Grafik von Oskar Erler, schließt sich der Dresdner Sezessions-Gruppe 1919 an und gehört sehr bald auch zum Freundeskreis um die sozialkritischen Maler Otto Dix, Otto Griebel, Conrad Felixmüller und Kurt Lohse. 1916 bis 1921 belegt sie Mal- und Zeichenkurse an der Dresdner Kunstakademie und arbeitet mit Batik-, Postkarten- und Illustrationsarbeiten im Atelier des Malers Conrad Felixmüller in Dresden. Ihren Lebensunterhalt verdient sich die Künstlerin in diesen Jahren als Kunstgewerblerin und Malerin und entwickelt mit ihren expressionistischen Ölbildern, Grafiken, Aquarellen, Radierungen, Holzschnitten und Lithografien sehr bald ihren eigenständigen Stil. Radikal bricht sie mit dem herrschenden Weiblichkeitsideal, schneidet sich die Haare ab, trägt ungewöhnliche, selbstgeschneiderte Kleidung, raucht Pfeife und signiert fortan ihre Werke mit dem männlichen Namen Nikolaus Wächtler. Den revolutionären Umwälzungen jener Nackkriegsjahre politisch wie auch künstlerisch verbunden und ihre Wohnung wird die von ihren Freunden Laus Genannte bald zum Treffpunkt der Dresdner Künstlerszene.


Im Juni 1921 heiratet sie den Maler und Sänger Kurt Lohse. 1928 beteiligt sie sich an ersten Ausstellungen, nimmt 1930 – nach einem knapp zweimonatigen Aufenthalt 1929 in der psychiatrischen Anstalt Friedrichsberg, wo sie ihre Mitpatientinen zeichnet – an der Ausstellung Bund Hamburgischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen und Hamburger Künstler des Kunstvereins in Hamburg teil sowie an der Ausstellung Frauen von Frauen gemalt.


Eine erfolgreiche Einzelausstellung der in der Anstalt entstandenen „Friedrichsberger Köpfe“ im Hamburger Kunstsalon Maria Kunde bringt für kurze Zeit Ehrungen und einzelne Ankäufe. Leidenschaftlich malt sie gegen die materielle Verelendung an. Es ist ihre produktivste Zeit. Sie lebt, liebt, hungert und malt mit den Randfiguren der Gesellschaft zwischen Hafen und Herbertstraße. Aus der gemeinsamen Perspektive der Not entstehen eruptive Werke. Doch ohne jegliche „Wohlfahrtsunterstützung“ verliert sie 1931 ihre Wohnung und landet nun ganz auf der Strasse. Wochenlang schläft sie in Bahnhöfen. *)


Nach einer Periode von ehelichen Krisen und Nervenzusammenbrüchen kehrt die Malerin Mitte 1931 in ihr Elternhaus nach Dresden-Striesen zurück. Da sich ihr psychischer Zustand zusehends verschlechtert, läßt sie ihr Vater im darauffolgenden Jahr in die nahe Dresden gelegene Landes-Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf einweisen, wo sie anfänglich noch künstlerisch arbeiten kann. Bereits am 10. Mai ist Kurt Lohses Antrag, die Ehe „wegen unheilbarer Geisteskrankheit“ zu scheiden, vom Preußischen Landgericht Altona stattgegeben worden. Elfriede Lohse-Wächtler wird entmündigt und aufgrund des nationalsozialistischen Gesetzes Zur Verhütung erbkranken Nachwuchses am 20. Dezember 1935 zwangssterilisiert. Von nun an schwindet die Schaffenskraft der als „schizophren“ Diagnostizierten zunehmend, ihre Persönlichkeit ist endgültig gebrochen. 1937 werden die Arnsdorfer Bilder von Elfriede Lohse-Wächtler als Entartete Kunst von den Nazis zerstört, sie selber 1940 in Pirna-Sonnenstein mit weiteren 25 Frauen – im Zuge der nationalsozialistischen Krankenmordaktion T4 – umgebracht und danach eingeäschert. Vergeblich hat sich ihre Mutter noch kurz zuvor um die Entlassung der Tochter bemüht.


Erst knapp zwei Jahrzehnte später – 1959 – erfolgt die Rehabilitation ihrer Werke bei einer Präsentation in Hamburg. 1994 wird der Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e.V. gegründet und das künstlerische Werk der von den Nationalsozialisten ermordeten Malerin findet im In- und Ausland nach langer Vergessenheit zunehmend wieder Aufmerksamkeit und Anerkennung


Literatur:

Hubert Heilemann: Elfriede Lohse-Wächtler – Dresdener Künstlerin, Arnsdorfer Patientin, ermordet auf dem Sonnenstein. In: W. Weig, H. Heilemann (Hrsg.): Gewalt gegen psychisch Kranke: gestern – heute – und morgen? Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus unter den psychisch kranken und geistig behinderten Menschen. Regensburg: Roderer, 2001,13-23 (Schriftenreihe der Bundesdirektorenkonferenz Psychiatrischer Krankenhäuser. Band 5)

Georg Reinhardt: Im Malstrom des Lebens versunken. Elfriede Lohse-Wächtler 1899 – 1940. Wienand-Verlag, Köln 1996. ISBN: 3-879-09471-3


Quelle:

Michael Schwarz: Elfriede Lohse-Wächtler (1899-1940) Eine Künstlerin in der Psychiatrie / Ausstellung vom 22.5. – 28.9.2003, hier in:
http://www.uni-heidelberg.de/presse/news/2307lohse.html


Links (deutsch):

http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Sonnenstein

http://www.uni-heidelberg.de/presse/news/2307lohse.html

http://www.con-text.de/textproben/Leben.htm

http://www.psychiatrie.de/psychiatriegeschichte/historisches/article/lohse-waechtler.html

http://www.psychiatriemuseum.de/seiten/institutionen/pirna.htm

http://www.lbk-hh.de/html/presse/pressemit/pressemit_2004_1188.php

volume_up.gifhttp://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2005/07/31/dlf_0905.mp3


International:

http://www.variant.randomstate.org/16texts/Die_Sun.html

http://ourworld.compuserve.com/homepages/RNiepold/pprojfr.htm


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