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Kolbe, Fritz

H.A.M. 0

Fritz Kolbe
Beamter im Auswärtigen Dienst


Geb. 1900 in Berlin
Gest. 1971 in Bern/ Schweiz


„Mein Bestreben war, den Krieg abzukürzen, den Unglücklichen in den KZs weitere Leiden ersparen zu helfen.“

(Fritz Kolbe, 1965)


Der Sohn eines Sattlers besucht die Realschule, arbeitet ab 1917 in einem Berliner Telegraphenbüro und – nach kurzem Militärdienst – 1919 bei der deutschen Reichsbahn. 1921 holt er in der Abendschule sein Abitur nach und wechselt 1925 in die mittlere Laufbahn des Auswärtigen Amtes. Kolbes erste Berufsjahre führen ihn im Konsular- und Verwaltungsdienst nach Madrid, Warschau, Berlin und Kapstadt und stellt bereits auf diesen Auslandsposten Juden Reisepässe aus, damit sie Deutschland verlassen können.

Im Herbst 1939 kehrt Fritz Kolbe als Oberinspektor nach Berlin zurück und wird ein Jahr später in das Vorzimmer von Botschafter Karl Ritter versetzt, dem Verbindungsmann des Auswärtigen Amtes zum Oberkommando der Wehrmacht. Über Ritters Schreibtisch gehen Telegramme und Informationen, die in dieser Fülle und Brisanz nur ganz wenigen Personen zugänglich sind. Sein neuer Mitarbeiter Fritz Kolbe gilt als verlässlich, diskret und unauffällig.


Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgesetzten und Kollegen ist Fritz Kolbe jedoch nie der Versuchung erlegen, mit den Nationalsozialisten zu sympathisieren und widersteht während seiner Dienstajahre im Auswärtigen Amt dem ständigen Druck, Mitglied der NSDAP zu werden. Im Gegenteil: er leistet – unter hohem persönlichen Risiko und ohne finanzielle Gegenleistung – Widerstand gegen den Nationalsozialismus und wird zum Spion aus innerer Überzeugung. In der militärischen Niederlage des Nazi-Regimes sieht der „Konsulatssekretär Erster Klasse“ die einzige Möglichkeit zur Rettung Deutschlands und Europas. Dafür ist er bereit alles zu tun – auch unter Einsatz seines Lebens.


Fritz Kolbe läßt sich für Kurierreisen nach Bern einteilen und reist Mitte August 1943 zum erstenmal in die Schweiz. Neben der diplomatischen Kurierpost transportiert er – um seine Wade gewickelt und verschnürt – eine Reihe von sensiblen und brisanten Drahtberichten deutscher Auslandsvertretungen. In Bern nimmt er über einen jüdischen Freund aus Madrider Tagen zunächst Kontakt zur britischen Gesandtschaft in Bern auf. Aber erst der Chef des amerikanischen Nachrichtendienstes OSS (Office of Strategic Services) in Europa, Allen Dulles, empfängt ihn. Unter dem Decknamen „George Wood“ liefert Kolbe in der Folge 1600 geheime Dokumente an die Amerikaner. Dennoch ist man in London und Washington skeptisch, was die Qualität der Unterlagen anbelangt: sie scheinen einfach zu gut zu sein: Informationen über die Wirkungen der alliierten Bombenangriffe und die Stimmung in Berlin, über die Lage von kriegswichtigen Fabrikanlagen, über deutsche Agenten in England, Schweden, in Spanien und der Türkei, über die Beziehungen des Reichs zu seinen Verbündeten, über die Lage in Japan. Kolbe beschreibt die genaue Lage der Wolfsschanze, Hitlers Kommandozentrale in Ostpreussen und informiert über Wolframlieferungen aus Spanien, warnt vor U-Boot-Angriffen auf alliierte Konvois, aber auch vor der bevorstehenden Liquidierung der jüdischen Gemeinde Roms und berichtet über das Massaker von Kalavrita sowie die geplanten Aktionen Eichmanns im Hinblick auf die jüdische Gemeinschaft in Ungarn. Der Spion Kolbe ist sich dabei stets bewußt, daß die Weitergabe dieser Geheimen Reichssachen an die Aliierten aus Sicht der Nazis Hochverrat ist, der unter Todesstrafe steht.


Im August 1943 setzt er in Bern ein Testament auf für den Fall, daß seine Tätigkeit entdeckt, er verhaftet und hingerichtet werden sollte. Für seinen kleinen Sohn, der als Erbe eingesetzt wird, bittet Kolbe darin: „Lehrt ihn keinen Hass gegen die Gegner und meine etwaigen Mörder, aber unbedingten Kampfwillen und Bereitschaft für unsere Ideale. Wenn auch meine Handlung vielleicht schief dargestellt wird … niemand kann bestreiten, dass nur Idealismus meine Triebfeder ist. Und hätte es noch Sinn zu leben, wenn die Freiheit beseitigt ist wie in Deutschland durch die Nazis?“


Kolbes Aktivitäten bleiben bis Kriegsende unentdeckt. Er arbeitet weiter für die Amerikaner in Berlin, hilft, versteckte Nazis aufzuspüren und sagt bei den Nürnberger Prozessen aus. Nach dem Krieg versucht Fritz Kolbe sein Glück zusammen mit seiner Frau in New York. CIA-Mann Dulles hilft ihm zwar, hat aber auch keine Verwendung für ihn. Kolbe verliert sein ganzes Geld an Spekulanten. Er kommt mit der amerikanischen Mentalität nicht zurecht und kehrt nach Deutschland zurück, wo er sich in den Folgejahren als Geschäftsmann durchschlägt.

1971 stirbt Fritz Kolbe in einem Berner Krankenhaus. Bei seiner Beerdigung im Februar 1971 stehen nur zehn Menschen an seinem Grab – darunter zwei Abgesandte der CIA.


Über Jahrzehnte hinweg ist Kolbes Wirken sowohl von Historikern als auch von der deutschen Öffentlichkeit und dem Auswärtigen Amt ignoriert worden. Erst die im Juni 2000 freigegebenen Akten und Unterlagen des damaligen US-Geheimdienstes aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges haben einen genaueren Einblick in Fritz Kolbes mutige Aktivitäten während des Dritten Reiches ermöglicht. Der französischje Journalist und Le-Monde-Korrespondent in Deutschland, Lucas Delattre, hat als einziger Historiker Zugang zum Bildarchiv von Fritz Kolbe. Mit seiner im Jahre 2003 (2004 auf Deutsch) erschienen Biografie entwirft er die Lebensgeschichte eines Nazi-Gegners und widerständigen Beamten, der sich Anfang der 50er Jahre beim mittlerweile neu gegründeten Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland bewirbt – und abgelehnt wird. „Die Behandlung Kolbes bei der Wiederbegründung des Auswärtigen Amtes ist kein Ruhmesblatt für unser Haus,“ so Bundesaußenminister Joschka Fischer anläßlich einer Gedenkveranstaltung zu Ehren Fritz Kolbes am 9. September 2004 in Berlin. „Für viele der alten und neuen Beamten des Auswärtigen Amtes war Kolbes Zusammenarbeit mit den Alliierten schnöder Verrat. Gleichzeitig aber wäre Kolbe, der kleine Konsulatssekretär, für diejenigen seiner Kollegen gerade in den höheren Etagen, die sich selbst mit dem Naziregime arrangiert und keinen Mut zum Widerstand bewiesen hatten, wohl ein steter, lebendiger Vorwurf gewesen“, so Außenminister Fischer, auf dessen Initiative seit Herbst 2004 ein Saal im Auswärtigen den Namen des Hitlers-Gegners und Widerständlers Fritz Kolbe trägt.


Literatur:

Lucas Delattre: Fritz Kolbe –
Der wichtigste Spion des Zweiten Weltkriegs
Piper-Verlag, März 2004
ISBN: 3492045898


Lehrstück geistiger Unabhängigkeit –
der NS-Gegner Fritz Kolbe
Eine Rezension von Dr. Cornelia Frenkel

„Warum legt ein französischer Historiker die längst fällige Biographie über den NS-Gegner Fritz Kolbe vor? Lucas Delattre sagte in einem Interview mit dem ZDF, er habe so oft gehört, gegen den Nationalsozialismus sei wenig Widerstand möglich gewesen. In der Tat kann als denkwürdiges Gegenbeispiel gelten, wie Fritz Kolbe, unter dem Habit von treubraver Amtsperson und drahtigem Wandervogel, seine Intelligenz zu nutzen wusste….“

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Links (deutsch):


International:

http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/L0936986.htm

http://www.newsweekparentsguide.com/id/5952411

http://www.plastic.com/comments.html;sid=04/09/28/15500411;cid=2

http://www.parutions.com/index.php?pid=1&rid=4&srid=7&ida=3774

http://www.fas.org/irp/news/2000/06/000626-declass-usia1.htm

http://www.bsz-bw.de/rekla/show.php?mode=source&eid=IFB_04-1_309

http://www.cia.gov/cia/publications/oss/art06.htm

 

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