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Kempner, Robert

H.A.M. 0

Robert (Maximilian Wasilii) Kempner
Jurist und Publizist


Geb. 17.10.1899 in Freiburg (Brsg.)
Gest. 15.8.1993 in Königstein


Robert Kempner, Anklagevertreter der Amerikaner bei den Nürnberger Prozessen, kennt das deutsche Beamtentum, weil er selbst eine Karriere im preußisch-deutschen Staatsdienst hinter sich hat. Aber – im Gegensatz zu den meisten seiner Berufskollegen – erweist sich der Jurist Kempner in einer Zeit, als der nationalsozialistische Terror noch hätte gestoppt werden können, bereits als wacher und mutiger Warner. Nach dem Ende des Nationalsozialismus gehört er als unerbittlicher Ermittler zu jenen, die eine ganze Epoche anzuklagen haben. Und auch noch nach den Nürnberger Prozessen leistet der Widerständige juristisch und menschlich Beistand für Verfolgte und Überlebende der Vernichtungs- und Arbeitslager.


Den Vornamen Robert erhält er nach seinem Taufpaten, dem berühmten Mediziner Robert Koch, in dessen Institut an der Berliner Charité seine Eltern als Bakteriologen arbeiten. Kempners Mutter, Lydia Rabinowitsch-Kempner, wird übrigens als erste Frau in Preußen im Jahre 1912 vom König zur Professorin ernannt.
Robert Kempner nimmt nach dem Abitur am Ersten Weltkrieg teil, studiert anschließend Rechtswissenschaften in Freiburg, Berlin, Breslau und Pennsylvania. Nach seinem Assessorexamen ist er zunächst als Staatsanwalt tätig und tritt 1927 in den preußischen Staatsdienst ein. Hier steigt Kermpner zum Justitiar der Polizeiabteilung im preußischen Innenministerium auf – und beweist, dass man auch in diesen Funktionen und als Beamter durchaus widerständig sein kann:

„Unter Beteiligung von Robert Kempner wurde 1930 im Auftrag des Preußischen Innenministeriums von hohen Kriminal- und Ministerialbeamten eine Denkschrift von 97 Seiten verfaßt, die zweifelsfrei den verbrecherischen Charakter der NSDAP sowie die Strafbarkeit zahlreicher NSDAP-Funktionäre und vor allem Hitlers bewies. Sie hätten also verfolgt werden müssen. Es handelte sich um den Verdacht schwerer Verletzungen der Strafbestimmungen gegen hochverräterische Unternehmen, um Gewalttaten, um die Förderung und Zugehörigkeit zu einer staatsfeindlichen Verbindung (Paragraph 129 Strafgesetzbuch; Paragraph 4 Ziffer 1 Republikschutzgesetz und Paragraph 86 StGB). Die Preußischen Innenminister Albert Gzesinski und später Carl Severing drangen deshalb auf energische Maßnahmen zur Bekämpfung der NSDAP, der SA und vor allem Hitlers, um die Weimarer Republik zu retten. Doch die Reichsregierung unter Reichskanzler Brüning war davon nicht zu überzeugen. Brüning nahm das juristische Gutachten samt Beweismitteln bewußt nicht zur Kenntnis und gab sogar Anweisung, einen Teil davon zu vernichten…“

Quelle: Klaus Höpcke: »Held der Krise«? in: Junge Welt v. 23.11.2002
(http://www.jungewelt.de/2002/11-23/020.php)


Die Reaktion folgt prompt nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933: Kempner wird umgehend seines Amtes enthoben. Ein “Rausschmiß“, wie er später in seinen Memoiren vermerkt , “wegen politischer Unzuverlässigkeit in Tateinheit mit fort gesetztem Judentum“. Bis 1935 arbeitet er als Auswanderungsberater, wird von der Gestapo verhaftet und vorübergehend inhaftiert. Nach internationalem Protesten freigelassen, flieht er zunächst nach Italien und kann 1939 in die Vereinigten Staaten emigrieren, wo er schon sehr bald politischer und juristischer Berater im Kriegs- und im Justizministerium wird.


Der 1938 von Hitler-Deutschland Ausgebürgerte erhält die us-amerikanische Staatsbürgerschaft und kehrt 1945 als Leiter der ministry division im Stab von US-Chefankläger Robert H. Jackson wieder nach Deutschland zurück. Im Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher vertritt Kempner beim Militär-Tribunal in Nürnberg die Anklage gegen Reichsinnenminister Wilhelm Frick und im sogenannten Wilhelmstraßenprozess gegen Ernst von Weizäcker sowie andere hohe Staatsbeamte des Regimes.

Und Robert M. Kempner ist es, der das Wannsee-Protokoll mit dem Beschluß zur Endlösung der Judenfrage ausfindig macht. Dabei ist sich Kempner stets darüber im klaren, „daß Strafrecht immer auch mit politischen Aspekten durchsetzt ist und daß gerade Prozesse gegen Repräsentanten des NS-Regimes notwendigerweise eine spezifische politische Werthaltung zum Ausdruck bringen. Somit verstand er diese Prozesse durchaus als eine Form politischer Aufklärung und als Beitrag zum Aufbau einer demokratischen Ordnung“ (zitiert nach: Fritz Bauer-Institut/ Frankfurt).


Seit 1951 lebt Robert M. W. Kempner, der Ankläger einer Epoche – so der Titel seiner 1983 im Ullstein-Verlag erschienen Erinnerungen – als Rechtsanwalt und Publizist in Frankfurt/ Main. Seinem Hauptanliegen, der Strafverfolgung von NS-Verbrechern – und hierbei auch und vor allem Juristen – durch deutsche Gerichte, ist allerdings in der Bundesrepublik nur wenig Erfolg beschieden. Lediglich ein einziger Richter, Hans-Joachim Rehse – Beisitzer am Volksgerichtshof von Roland Freisler, seit Oktober 1942 Kammergerichtsrat und Unterzeichner von 231 Todesurteilen – wird „als Gehilfe“ verurteilt. Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil im April 1968 allerdings mit der Begründung, „ein Richter sei immer voll verantwortlich, der könne unmöglich Gehilfe sein“ auf und verweist das Verfahren an eine andere Berliner Schwurgerichtskammer zurück. Dort wird Rehse am 6. Dezember 1968 freigesprochen.


1984 erhält der widerständige Jurist für sein Lebenswerk – neben zahlreichen anderen Ehrungen – das Große Bundesverdienstkreuz. Die Universität Osnabrück würdigt ihn 1986 mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde als „einen Mann, der sich stets kompromißlos gegen das Unrecht gestellt und die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland aktiv mitgeprägt hat“.

Robert W. Kempner stirbt im Alter von 93 Jahren.


Literatur:

David Dambitsch
Stimmen der Geretteten – Berichte von Überlebenden der Shoa
3 CDs, DAV, ISBN: 3898132137


Links (deutsch):

http://www.annette-wilmes.de/skripte/kempner.htm

http://www.berlinische-monatsschrift.de/bms/bmstxt97/9707prof.htm

http://www2.uni-osnabrueck.de/pressestelle/zeitung_db/artikel.cfm?id_anfrage=639

http://www.fritz-bauer-institut.de/veranstaltungen/2002/kolloquium_02.htm

http://www.gerdgruendler.de/Anhang.html

http://www.justiz.bayern.de/olgn/imt/lit/kastner_jurproz/kastner_jp.htm

http://www.topographie.de/imt/lit.html

http://www.fritz-bauer-institut.de/veranstaltungen/2002/kolloquium_02.htm

http://lexikon.freenet.de/Wilhelmstra%C3%9Fen-Prozess

http://www.ghwk.de/deut/texte/scheffler.pdf

http://www.rav.de/infobrief94/mueller2.htm


International:

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