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Jungk, Robert

H.A.M. 0
Robert Jungk (d.i. bis 1950: Robert Baum; Pseudonyme: Jean Pierhal; F. Lefèvre; Bert Oz; A. de Stael)
Zukunftsforscher, Soziologe, Historiker, Journalist und Publizist

 

Geb. 11.5. 1913 in Berlin
Gest. 14.7. 1994 in Salzburg/ Österreich


„Der nukleare Rüstungswettlauf, dessen dröhnendes Startsignal die Katastrophe vom 6. August 1945 war, hat inzwischen ungleich weitergreifende, noch radikaler wirkende Massenzerstörungsmittel hervorgebracht als den »kleinen Jungen« von damals: bösartige Riesen, reißende Ungeheuer, Heuschreckenschwärme und Vernichtung.“

(Robert Jungk: Gedanken zu Hiroshima) *


Seine Mutter, die Schauspielerin Elli Branden (eigentlich Sara Bravo), steht noch am Vorabend von Roberts Geburt auf der Bühne. Geboren wird er in der Amtswohnung seines Vaters, des Dramaturgen, Schauspielers und Regisseurs Max Jungk (Künstlername für David Baum), zu dessen Freunden u.a. Egon Erwin Kisch gehört, der gleich nebenan wohnt.


Dem Schüler des humanistischen Mommsen-Gymnasiums, das er seit 1920 besucht, ist allerdings das Engagement in der antibürgerlichen, deutsch-jüdischen Jugendbewegung wichtiger als die Schule, und bis 1933 arbeitet er in den unterschiedlichsten Organisationen mit: 1929 tritt er dem Sozialistischen Schülerbund (SSB) und der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) bei und wird 1930 an seiner Schule Vorsitzender der Schulgemeinde, also der Schülerselbstverwaltung. Seine Abiturarbeit schreibt Jungk 1932 über Ricarda Huch und die deutsche Romantik.


Im selben Jahr noch immatrikuliert sich Robert Jungk, mittlerweile bereits Assistent des Filmregisseurs Richard Oswald, an der der Universität Berlin für das Fach Philosophie und pflegt intensive Kontakte zum (späteren Hitler-Gegner-)Kreis um Harro Schulze-Boysen. Am Tag nach dem Reichstagsbrand 1933 wird Robert Jungk verhaftet, jedoch mit Hilfe von Sven Schacht, einem Neffen des Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht, wieder auf freien Fuß gesetzt. Robert Jungk setzt sich auf einer Skireise ins Exil nach Österreich ab und geht schließlich Anfang Mai von Seefeld in Tirol nach Paris. Ein Jahr später wird Jungk von den Nationalsozialisten ausgebürgert.


Von 1933 bis ’35 arbeitet Jungk – neben seinem Studium der Psychologie und Soziologie an der Pariser Sorbonne – an Filmen von G.W. Papst, Max Ophüls, E. Charell mit und dreht mit Ludwig Bamberger einen Dokumentarfilm über das Straßburger Münster. Daneben ist er gelegentlich als Journalist für die Agence Europeenne de la Press in Paris tätig. Im Juni 1935 weilt er in Barcelona zu Dreharbeiten an einem Dokumentarfilm über die Sagrada Familia, der – unter dem Titel Simbolos Eternos – den katalanischen Staatspreis erhalten wird.


1936 reist Robert Jungk aufgrund einer Erkrankung illegal wieder nach Deutschland, arbeitet mit einer verbotenen Artikelagentur zusammen, leistet Kurierdienste im Untergrund und nimmt Verbindung mit der Widerstandsgruppe Neu Beginnen auf. 1937, nach Aufdeckung des Artikeldienstes durch die Nazis, muß Rober Jungk erneut ins Ausland fliehen und setzt sich in die Tschechoslowakei ab. In Prag arbeitet er für den in deutscher Sprache erscheinenden Pressedienst heute aktuell und begegnet dem ebenfalls aus Nazi-Deutschland emigrierten Schriftsteller Peter Weiss, dem Jungk freundschaftlich verbunden sein wird.


Nach Drohungen von sudetendeutscher Seite übersiedelt im Sommer 1938 die Redaktion des Pressedienstes von Prag nach Paris, wo man unter dem Titel Mondial Press weiter arbeitet. Zur selben Zeit wird mit Air Mail Press ein weiterer Pressedienst in London gegründet. Im Frühjahr 1939 nimmt Robert Jungk seine Studien mit dem Hauptfach Geschichte wieder auf, diesmal an der Universität Zürich, wo er auch bis 1945 unter verschiedenen Pseudonymen – trotz Verbotes durch die Fremdenpolizei – bei diversen Schweizer Tages- und Wochenzeitungen mitarbeitet. Nicht zuletzt seine mit F.L. gekennzeichneten Artikel gegen das Dritte Reich in der Weltwoche erregen besondere Aufmerksamkeit.


1943 wird Robert Jungk ausgewiesen und für mehrere Monate interniert. Ab 1944 arbeitet er wieder journalistisch, diesmal als Korrespondent des Londoner Observer in Bern. In Zusammenarbeit mit der US-Botschaft wirkt er an den deutschen Sendungen der Stimme Amerikas (voice of America) mit und schließt sein Studium in Zürich mit dem Dr. phil. ab.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges berichtet Jungk ab September 1945 als Korrespondent für die Zürcher Weltwoche, u.a. von den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen, arbeitet in Frankreich, England, Italien und – ab September 1946 – für sechs Wochen in den Vereinigten Staaten. Von 1946 bis ’47 ist er Korrespondet diverser Schweizer Zeitungen und geht 1948 erneut in die USA, wo er bei den Vereinten Nationen und in Washington akkreditiert ist. Hier heiratet er auch im April 1948 Ruth Suschitzky und geht mit seiner Frau im darauffolgenden Jahr nach Los Angeles, von wo er wiederum als Korrespondent für mehrere europäische Publikationen tätig ist und daneben an seinem Amerikabuch schreibt.

In den Vereinigten Staaten findet Robert Jungk schließlich auch das Thema seines Lebens: Die Bedrohung der Welt durch den sogenannten Fortschritt mit den Mitteln von Wissenschaft und Technik, welche über anonyme „Apparate“ verfügen. „Ich war in Los Alamos bei einer der ersten Atomexplosionen dabei, für mich vielleicht das Schlüsselerlebnis“, erinnert sich Jungk (der sich ausdrücklich nie als Wissenschafts-, sondern immer als politischer Journalist verstanden hat) 1992.


Die Nachkriegs- und frühen 50er Jahre sind für Robert Jungk auch und vor allem geprägt durch die Auseinandersetzung mit der Atombombe. 1956 besucht der Autor des Buches Heller als tausend Sonnen zum erstenmal Hiroshima, die Stadt des ersten us-amerikanischen Atomben-Abwurfs vom 6. August 1945. 1957 übersiedelt er aus den USA wieder nach Europa und läßt sich in Wien nieder. In Bern erscheint im darauffolgenden Jahr Strahlen aus der Asche. Robert Jungk engagiert sich in der Bewegung Kampf dem Atomtod und nimmt ab 1958 an den Ostermärschen für Demokratie und Abrüstung teil. Der – seit 1960 – Vorsitzende der österreichischen Anti-Atom-Bewegung und Freund des Philosophen Günther Anders, gehört zu den Initiatoren der Londoner Charta der Hoffnung und gründet 1964 das Institut für Zukunftsfragen in Wien.


1966 erscheint in Bern Jungks Buch Die große Maschine. 1967 gründet er in London Mankind 2000 und organisiert, zusammen mit James Wellesley-Wesley sowie dem Friedensforscher Johan Galtung, die erste Weltkonferenz für Zukunftsforschung in Oslo. Daneben gibt er, gemeinsam mit H.J. Mundt, die in München erscheinende Buchreihe Modelle für eine neue Welt heraus und hält 1968 Gastvorlesungen über Zukunftsforschung an der Technische Universität Berlin, wo er ab 1970 zum Honorarprofessor mit Vorlesungsverpflichtung für das neue Fach Zukunftsforschung ernannt wird.

1973 erscheint Der Jahrtausendmensch, 1977 Der Atomstaat. Robert Jungk ist Mitglied des Internationalen Russel-Tribunals und Mitherausgeber der Enzyklopädie der Zukunft (1978). Der Autor von Zukunftswerkstätten. Mit Phantasie gegen Routine und Resignation (Hamburg, 1980, gemeinsam mit Norbert R. Müllert über die von ihm entwickelte Methode kreativer Bürgerbeteiligung) engagiert sich in der Friedensbewegung der 80er Jahre, gehört zu den Hauptrednern auf der Massenkundgebung am 10. Oktober 1982 in Bonn und beteiligt sich 1985 an der Blockade des Rakentenlagers in Mutlangen.


Im Oktober 1986 wird in Salzburg – wo Robert Jungk seit 1970 auch seinen Wohnsitz hat – die Robert-Jungk-Stiftung/ Internationale Bibliothek für Zukunftsfragen ins Leben gerufen. Im Dezember erhält der Zukunftsforscher im schwedischen Stockholm den Alternativen Nobelpreis. Nach 14jähriger Tätigkeit als Kolumnist für Politik und Wissenschaft bei der Zeitschrift bild der wissenschaft wird ihm die Mitarbeit wegen seiner unliebsamen öffentlichen Äußerungen bei einer Kundgebung gegen die Plutoniumfabrik in Hanau aufgekündigt.


Im Dezember 1991 kandidiert Robert Jungk als Kandidat der Grünen erfolglos für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten. In Darmstadt wird ihm im Juni 1992 der Alternative Büchnerpreis verliehen, Anfang 1993 erhält er die Ehrendoktorwürde der Universität Osnabrück, im Mai, anläßlich seines 80. Geburtstages, das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.

Kurz darauf erkrankt Robert Jungk und erliegt im Juli 1994 seinem schweren Leiden. Auf dem Jüdischen Friedhof wird der international renommierte Zukunftsforscher in einem Ehrengrab der Stadt Salzburg beigesetzt.


Quelle:

Das Zitat von Robert Jungk stammt aus: bild der wissenschaft, Juli 1985; hier zitiert nach: Und Wasser bricht den Stein. Freiburg 1986, S. 220-223. Hier in: http://netzwerk-regenbogen.de/ hiroshima 030806.html


Literatur:

Robert Jungk: Trotzdem. Mein Leben für die Zukunft.
Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1994
(c) Carl Hanser Verlag, München Wien, 1993
ISBN 3-426-75074-0


Links (deutsch):

http://www.jungk-bibliothek.at

http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/REL?PPN=118558846

http://www.zw2003.de/pages/links3.html

http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/372/16356/print.html

http://www.uni-muenster.de/PeaCon/wuf/wf-95/9531303m.htm

http://www.uni-muenster.de/PeaCon/wuf/wf-95/9531303m.htm

http://www.kokhavivpublications.com/kuckuck/review/bd02_111.html

http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/soz/oes/oes_j.htm


International:

http://www.rightlivelihood.org/recip/jungk.htm

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