Michael Andreas Gielen
Dirigent und Komponist
Geb. 20.07. 1927 in Dresden
“Was musikalisches Denken angeht, hat er stets die Wege gewiesen. Denn als Dirigent und Komponist macht er klar, dass an die musikalische Nachschöpfung im modernen Bewusstsein neue Anforderungen gestellt werden, ja gestellt werden müssen: die Anforderungen radikaler Kreativität im Interpretatorischen.“ *)
„Erstens kann man nichts anderes, zweitens liebt man es, und dann muss man es hart erarbeiten“ **)
Seiner Familie liegt die Kunst quasi im Blut: Der Vater leitet in späteren Jahren als Intendant das Wiener Burgtheater, die Mutter ist Schauspielerin, ebenso wie ihre Schwester {ln:Viertel, Salka ‚Salka Viertel}, und ihr Bruder {ln:Steuermann, Edward ‚Eduard Steuermann} wird als Interpret zeitgenössischer Musik ein weltbekannter Pianist. Auch der junge Michael Gielen zeigt schon sehr früh musikalisches Talent und studiert als Elfjähriger bereits die drei Klavierstücke Opus 11 von {ln:Schönberg, Arnold ‚Arnold Schönberg}.
1933 kommen in Deutschland die Nationalsozialisten an die Macht. Für jüdische Bürger wird die Arbeits- und Lebenssituation zunehmend prekärer, viele verlassen das Land und gehen ins Exil. Auch die Familie von Michael Gielen emigriert 1940 nach Argentinien. Hier trifft er als Dreizehnjähriger auf den Dirigenten {ln:Busch, Fritz ‚Fritz Busch}, mit dem er häufig vierhändig Klavier übt. Von 1942 bis 1949 studiert Michael Gielen in Buenos Aires Klavier und Musiktheorie bei Erwin Leuchter, beginnt 1945 zusätzlich für drei Semester ein Philosophiestudium und gibt private Kammerkonzerte mit seinem Schwager Ljerko Spiller und dessen Violinschülern. {ln:Krenek, Ernst ‚Ernst Kreneks} Schrift “Über neue Musik“ wird ihm zu einem wichtigen Wegzeichen für das eigene kompositorische Schaffen, das 1946 mit einer Sonate für Klavier und Violine seinen Anfang nimmt.
Seine berufliche Laufbahn beginnt er 1947 als Korrepetitor in Buenos Aires am renommierten Teatro Colón, wo sein Vater Chefregisseur ist und Gielen nicht zuletzt vom Dirigieren eines {ln:Kleiber, Erich ‚Erich Kleiber} entscheidend geprägt wird. In der Folgezeit spielt er im vom Komponisten Juan Carlos Paz gegründeten “Ensemble Agrupación Nueva Música“ der Argentinischen Gesellschaft für Neue Musik, wo Michael Gielen auch die Bekanntschaft von Maurizio Kagel macht. Der zeitgenössischen Zwölftonmusik-Musik der Neuen Wiener Schule seit langem verbunden, führt er 1949 in einem durch Paz kommentierten Konzert die Klavierwerke Arnold Schönbergs auf.
1950 geht er an die Wiener Staatsoper, wo er ebenfalls als Korrepetitor arbeitet und unter anderem auf Herbert von Karajan, Karl Böhm, Clemens Krauss und Dimitri Mitropoulos trifft. 1960 verpflichtet ihn die Königliche Oper in Stockholm für fünf Jahre als Musikdirektor, 1969 wird er Leiter des Belgischen Nationalorchesters in Brüssel und 1973 Chefdirigent der Niederländischen Oper in Amsterdam. Operngeschichte hat er zu diesem Zeitpunkt – seit der Uraufführung von Bernd Alois Zimmermanns Oper “Die Soldaten“ am 15. Februar 1965 in Köln – längst geschrieben,
Von 1977 bis 1987 ist Gielen Direktor der Oper Frankfurt, die unter seiner Leitung (in Zusammenarbeit mit Klaus Zehelein) zu einem der wichtigsten Opernhäuser Europas avanciert. Er leitet die Museumskonzerte in Frankfurt am Main, ist von 1978 bis 1981 Erster Gastdirigent des BBC Symphony Orchestra in London (dessen Ehrendirigent er seitdem ist), und von 1980 bis 1986 Leiter des Cincinnati Symphony Orchestra. 1986 übernimmt Michael Gielen das Sinfonieorchester des Südwestfunks Baden-Baden (1996 umbenannt in SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg), das er bis 1999 leiten wird. Danach ist er bis 2014 ständiger Gastdirigent, seit 2002 Ehrendirigent dieses Orchesters. Regelmäßig arbeitet er mit dem Konzerthausorchester Berlin, zunächst als Erster Gastdirigent, später auch hier als Ehrengastdirigent.
Die Staatskapelle Berlin dirigiert Gielen das erste Mal 1991 mit einer Premiere von Claude Debussys “Pelléas et Melisande“ in einer legendären Inszenierung von Ruth Berghaus. 1995 wird Alban Bergs Oper “Lulu“ unter seinem Dirigat bei den Salzburger Festspielen mit einer Regiearbeit von Peter Mussbach zur Inszenierung des Jahres gekürt. Von 1998 bis 2012 folgen in jeder Saison Konzerte mit der Staatskapelle Berlin, in denen er sich mit Werken von Ludwig van Beethoven, Anton Bruckner, Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Alban Berg und anderen Komponisten vorwiegend des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt. 2001 dirigiert er äußerst erfolgreich die Premiere von {ln:Schreker, Franz ‚Franz Schrekers} “Der ferne Klang“. Bereits zwei Jahre zuvor hat Michael Gielen sich mit der Premiere von Bellinis tragischer Oper “Norma“ der italienischen Oper zugewandt, widmet sich in den folgenden Jahren verstärkt diesem Repertoire und sorgt mit seiner sehr eigenen Interpretation für ein neues Klangbild dieser Literatur. Zunächst als Gastdirigent engagiert, später dann Prinzipal Guest Conductor, wird er in Anerkennung seiner prägenden künstlerischen Arbeit und kollegialen Verbundenheit mit der Staatsoper Unter den Linden zum Ehrenmitglied ernannt.
Der vielfach ausgezeichnete Musiker, dessen Repertoire von Bach bis zur Moderne, über die sinfonische Literatur bis zur Oper reicht, beendet aus gesundheitlichen Gründen 2014 seine Dirigentenkarriere und zieht sich danach in sein Domizil im österreichischen Salzkammergut zurück.
Das von Michael Gielen im Jahr 2006 der Berliner Akademie der Künste als Schenkung übergebene Archiv verzeichnet folgenden Bestand: “Notenhandschriften, u. a. zum Orchesterstück „Pflicht und Neigung“, zum Streichquartett „Un vieux souvenir“ und zu „Die Glocken sind auf falscher Spur“ (Melodramen und Zwischenspiele mit Gedichten von H. Arp 1967-69); Manuskripte von Artikeln und Aufsätzen, Vorträgen, Reden und Gesprächen; Korrespondenz, u. a. mit Ruth Berghaus, Luciano Berio, Pierre Boulez, Elliott Carter, Vinko Globokar, Danièle Huillet und Jean-Marie Straub, Lotte Klemperer, Helmut Lachenmann, Walter Levin, Luigi Nono, Josef Polnauer, Wolfgang Rihm, Hans Zender und Bernd Alois Zimmermann; Zeitungskritiken, Programmhefte und Fotos; Tonaufnahmen der Interview-Serie; Notenmanuskripte von Eduard Steuermann; Nachlaß seines Vaters Josef Gielen (Regisseur und Theaterleiter, 1890-1968).“ (Hier zitiert aus: {ln:nw:https://archiv.adk.de/bigobjekt/7819}). “Im Musikarchiv der Akademie der Künste ergänzt es die Nachlässe von Ferenc Fricsay, Ferdinand Leitner und Hermann Scherchen um einen weiteren bedeutenden Dirigentenbestand.“ (Hier zitiert aus: {ln:nw:http://www.adk.de/de/presse/pressemitteilungen.htm?we_objectID=23051})
Quellen:
*) Georg Albrecht Eckle: “Der Leuchturm (sic!). Von der Schönheit des Progressiven: dem streitbaren Dirigenten Michael Gielen zum 80. Geburtstag.“ In: Tagesspiegel v. 19.07. 2007/ {ln:nw:http://www.tagesspiegel.de/kultur/pop/klassik-der-leuchturm/990848.html }
**)
{ln:nw:https://www.swr.de/swr2/musik/video-on-demand-gielen-dirigiert-mahler-mahlers-9/-/id=661124/did=19923322/nid=661124/19wafo6/index.html }
{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Gielen }{ln:nw:https://archiv.adk.de/bigobjekt/7819 }
{ln:nw:http://www.adk.de/de/presse/pressemitteilungen.htm?we_objectID=23051 }
{ln:nw:https://www.breitkopf.com/work/2655/die-glocken-sind-auf-falscher-spur }
Links (deutsch):
{ln:nw:http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_G/Gielen_Michael.xml }
{ln:nw:http://www.berliner-zeitung.de/dem-dirigenten-und-komponisten-michael-gielen-zum-80–geburtstag-unbedingt-musik-15529198 }
{ln:nw:http://www.zeit.de/2007/29/D-Aufmacher }
{ln:nw:https://portal.d nb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=118539159 }
{ln:nw:http://db.musicaustria.at/node/54468 }
{ln:nw:http://www.carlos-kleiber.de/interviews/michael-gielen.html }
{ln:nw:http://www.berliner-zeitung.de/dem-dirigenten-und-komponisten-michael-gielen-zum-80–geburtstag-unbedingt-musik-15529198 }
{ln:nw:https://www.fonoforum.de/portraets/interpreten/michael-gielen/ }
{ln:nw:http://www.zeit.de/2010/18/Gespraech-Michael-Gielen/komplettansicht }
{ln:nw:https://www.br-klassik.de/themen/klassik-entdecken/michael-gielen-90-geburtstag-portraet-100.html }
{ln:nw:http://www.deutschlandfunk.de/argentinien-als-fluchtort-fuer-juedische-musiker-nach-1933.1993.de.html?dram:article_id=376521 }
{ln:nw:http://klassiker.welt.de/2017/07/20/streng-und-stilbewusst-der-dirigent-michael-gielen-wird-90/ }
{ln:nw:https://www.br-klassik.de/themen/klassik-entdecken/michael-gielen-90-geburtstag-portraet-100.html }
{ln:nw:https://www.youtube.com/watch?v=LCg5Zx-qVFw}
{ln:nw:http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/erlebtegeschichten/gielenmichael100.html }
International:
{ln:nw:http://composers21.com/compdocs/gielenm.htm }
{ln:nw:http://www.bach-cantatas.com/Bio/Gielen-Michael.htm }
{ln:nw:http://www.deutschlandfunk.de/argentinien-als-fluchtort-fuer-juedische-musiker-nach-1933.1993.de.html?dram:article_id=376521 }
{ln:nw:http://www.nytimes.com/1971/10/27/archives/michael-gielen-faces-conflict-in-double-role.html }
{ln:nw:http://www.lanacion.com.ar/451096-michael-gielen-de-alemania-a-la-argentina }
{ln:nw:https://es.wikipedia.org/wiki/Michael_Gielen }
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