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Hirschfeld, Magnus

H.A.M. 0

Magnus Hirschfeld
Arzt und Sexualwissenschaftler


Geb: am 14. Mai 1886 in Colberg (Pommern)/ Deutsches Reich
Gest. 14.5. 1935 in Nizza/ Frankreich


Magnus Hirschfeld„Einstein des Sex“ nannte ihn der Filmemacher Rosa von Praunheim. Per scientiam ad justitiam steht auf seinem Grabstein auf dem jüdischen Friedhof von Nizza: Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit. Man könnte auch sagen: Zur Emanzipation. Im Gegensatz zum vorherrschenden wissenschaftlichen Allgemeingut und allen populären Vorurteilen seiner Zeit vertrat Dr. Magnus Hirschfeld engagiert die Auffassung, dass Homosexualität „weder Laster noch Krankheit sind“, sondern eine „natürliche Variante angeborener sexueller Neigungen“. Wen wundert’s, dass ihn die Nazis mit wütendem Hass verfolgten. Zwischen 1933 und 1935 gab es gegen ihn Razzien, Verbote und Verhaftungen. Sein Lebenswerk, das weltbekannte „Sexualwissenschaftliche Institut“, wurde barbarisch zerstört. Doch sein Mythos ist unzerstörbar.


Die Berufung zum Mediziner war ihm schon im pommerschen Kolberg in die Wiege gelegt worden: Sein Vater war der Medizinalrat Dr. Hermann Hirschfeld, der in die Geschichte Kolbergs einging, weil er das Moorbaden einführte. Aber der junge Magnus wollte mehr. Deshalb studierte er neben Medizin auch Philosophie und – Philologie. Vielleicht hat ihn die Geschichte seiner Geburtsstadt inspiriert, über den Tellerrand der Medizin zu schauen, Zusammenhänge zu erkennen und genauer hinzusehen.


Colberg (nach dem Ersten Weltkrieg: Kolberg) gilt in der Historie Preussens als die „heldenhafte Festung, die nach Napoleons Sieg 1806 bei Jena und Auerberg als einzige noch Widerstand leistete (bis Juli 1807). Aus dieser Geschichte den „größten Film aller Zeiten zu machen“, lautete der Befehl von Hitlers Propagandaminister Goebbels. Mit 8,5 Millionen Reichsmark wurde er die teuerste Verfilmung der NS-Zeit:


Bewusst fand die Uraufführung am 30. Januar 1945, dem zwölften Jahrestag der Machtübernahme durch Hitler, vor deutschen Soldaten in der eingeschlossenen Atlantikfestung La Rochelle statt. Mit Durchhalteparolen waren die Filmrollen per Fallschirm abgeworfen worden. Im Deutschen Reich feierte Kolberg im Berliner Tauentzienpalast Premiere, keine 80 Kilometer davon entfernt hatte die Rote Armee bereits die Oder und Neiße erreicht. Es war die letzte Uraufführung im NS-Regime. Weil die meisten Kinos längst zerstört waren, konnte der vom NS-Lieblingsregisseur Veit Harlan gedreht Film seine erhoffte Propagandawirkung nicht mehr entfalten.


Mit allen Mitteln seiner Propagandamedien war Goebbels auch gegen Magnus Hirschfeld vorgegangen. Er wurde als „Wurstjud Bauernfreund“ in der Zeitung Der Stürmer verhöhnt. Der Völkische Beobachter klagte den Reformator des Diffamierungsparagraphen 175 im deutschen Strafgesetzbuch als „Zerstörer der Jugend“ an und titelte: „Homosexuelle als Vortragsredner in Knabenschulen“.


Magnus Hirschfeld war als deutscher Jude und Homosexueller ein doppelt Verfemter in der Zeit des Dritten Reiches: Daß die Hetze ein solches Ausmaß annehmen würde, hätte sich der junge Mediziner nicht träumen lassen, der nach seiner Promotion zunächst ab 1893 in Magdeburg als Arzt gearbeitet hatte. Schon zwei Jahre später ging er nach Berlin und gründete 1897 das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee. 1908 gab er die Zeitschrift für Sexualwissenschaft heraus. 1910 gründete er erst die die Ärztliche Gesellschaft für Sexualwissenschaft und Eugenik und 1919 das Berliner Institut für Sexualwissenschaft. Diese Forschungs-, Lehr- und Heilstätte erlangte Weltruf. Nach der Zwangsschliessung 1933 versuchte Hirschfeld im französischen Exil, wo er die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft gegründet hatte, eine neues „Institut des sciences sexologiques“ einzurichten. Doch der überraschende Tod an seinem 67. Geburtstag verhinderte diese Pläne.


In den ersten Jahrzehnten nach Ende der NS-Diktatur war Magnus Hirschfeld einer der vergessenen Exilanten. Nur Fachleute beschäftigten sich in ihren Gelehrtenzimmern mit diesem Sexualreformer, der seine eigene Homosexualität schamhaft verschwiegen und sein Judentum tabuisiert hatte. Die Schwulen- und Lesbenbewegungen in der Bundesrepublik verehren Hirschfeld, setzen sich sogar für eine Wiedererrichtung des Instituts für Sexualwissenschaften in Berlin ein.

Heute sind Hirschfelds Arbeiten in der Geschlechtsforschung nicht mehr wegzudenken, seit seine bereits 1914 erschienene Publikation Die Homosexualität des Mannes und des Weibes 1984 neu aufgelegt wurde. Seine Milieustudien zur Hetero-, Homo- und Transsexualität gelten als vorbildlich. Im Bereich der Humangenetik finden seine Untersuchungen und Veröffentlichungen ebenso Beachtung wie in der Sozialgeschichte und in der Geschichte der deutschjüdischen Beziehung.


Autor:

Hajo Jahn


Literatur: 

Ralf Dose: Magnus Hirschfeld
Deutscher, Jude, Weltbürger
Verlag Hentrich & Hentrich, Teetz 2005
Jüdische Miniaturen Bd.15
ISBN 3-9334-7169-9


Links (deutsch):

http://www.hirschfeld.in-berlin.de

http://www.sexologie.org/archive.htm

http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/REL?PPN=118815237

http://www.hirschfeld.in-berlin.de/institut/de/index1024_ie.html

http://glbt-news.israel-live.de/deutschland/hirschfeld.htm

http://www.filmzentrale.com/rezis/einsteindessex.htm

http://www.zvab.com/angebote/magnus-hirschfeld.html

http://www.freitag.de/2003/22/03221802.php

http://home.snafu.de/bifff/IfSw1.htm

http://www.mmz-potsdam.de/1024/pdf/Hischfeld2003.pdf


International:

http://www2.rz.hu-berlin.de/sexology/GESUND/ARCHIV/COLLMH.HTM

http://www.sexologie.org/archive.htm

http://www.triangles-roses.org/annees_brunes3.htm

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