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Hermann, Georg

H.A.M. 0

Georg Hermann (eigtl. G. H. Borchardt)
Schriftsteller


Geb. 7.10.1871 in Berlin
Gest.19.11.1943 im KZ Birkenau (Auschwitz)/ Polen


„Es kam, wie es kommen musste“ ist ein Zitat des fast vergessenen ehemaligen internationalen Bestseller-Autors, der auch über den politischen Ereignissen seiner Zeit und seinem Abtransport in den Tod stehen könnte: Der Erste Weltkrieg, die „verratene Revolution“ von 1918 – er stand auf der Seite der Münchner Räterepublik -, die Barbarei ab 1933. Die Deportation aus dem niederländischen Exil ins Konzentrationslager, wo er vermutlich gleich nach der Ankunft „aussortiert“ und vergast wurde. Es kam, wie es kommen musste…


Der renommierte Autor schrieb Romane, Essays, Feuilleton, Reise- und kulturhistorische Skizzen, geprägt von tiefer Kennerschaft, obwohl er zeitlebens darunter litt, ein Schulversager gewesen zu sein. Vielleicht stand er auch deswegen stets auf der Seite der „kleinen Leute“, der Versager und Schwachen. Auch deshalb hat er den Vornamen seines erfolglosen Vaters als Pseudonym angenommen, eines Kaufmanns, der in Konkurs ging.


Borchards Stil würde heute als antiquiert gelten. Seine Aussagen sind aktuell geblieben. Er war ein Linker, der aber wie Friedrich Engels bürgerlichen Lebensstil genußvoll pflegte und dieses Recht auf Genuß irdischer Freuden und Müßiggang allen anderen Menschen zugestand, besonders auch jenen Armen und Schwachen, für die puritanische Kommunisten wie Christen nur Arbeit und Askese propagierten. Georg Hermann trat für soziale und gewerkschaftliche Organisationen ein, war Mitbegründer des „Schutzverbandes“ der Schriftsteller und bekannte: »Meine Sympathie und mein Zukunftsglaube gehören heute einem abgestuften und temperierten Kommunismus. Aber ohne einen bevorzugten Stand, die Vergottung der trivialen Arbeit oder gar einen Proletkult. Prolet ist ein Durchgangs-stadium zum Bürger, nicht mehr. (…) Rußland muß eine gute Sache sein, aber nur für den Russen, nicht für den Europäer und nicht für einen Menschen, der sein ganzes Leben aus einer westlichen Kultur gesogen hat und ein im Kern rein bürgerlicher und kein proletarischer Mensch ist, ein Individualist und kein Massenwesen. Ich würde nach wie vor eine gut durchgegliederte Demokratie mit individueller Freiheit, die alle Probleme des Staates dem einzelnen gegenüber gelöst hat und ein Teil jenes (…) übernationalen Überstaats ist, als Lebensplatz vorziehen. Eine Vergottung der Arbeit, der Fabrik, der Produktion des Arbeiters liegt mir nicht.«


Berühmt wurde er mit den Romanen „Jettchen Gebert“ und „Henriette Jacoby“, die Geschichte einer jungen Frau aus dem jüdischen Berlin, wo er groß geworden war. Seine Vorbilder waren die Dichter Heinrich Heine, ein Jude, und Johann Wolfgang Goethe. Und obwohl ihm seine Herausgeber Gert und Gundel Mattenkott 1999 in einer Biographie zur Gesamtausgabe (Verlag Das Neue Berlin, ISBN 3-359-00869-7) bescheinigen, kein politischer oder religiöser Dogmatiker gewesen zu sein, war sich Hermann der jüdischen Kultur in Deutschland wohl bewusst, wenn er schreibt: »Ihre Salons, ihre klugen Frauen sind der erste Nährboden für die deutsche Literatur, und sogar der Weltruf eines Goethe wurde hier geschaffen.«
Er setzt sich mit dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland öffentlich auseinander, nimmt zu politischern Streitfragen engagiert Stellung, macht aus seiner pazifistischen Überzeugung nie einen Hehl: „Die ganze Grausamkeit des Krieges sieht man an dem einzigen Wort, das wir sinnlos aussprechen: Dem Wort Schlachtfeld.“


Es kam, wie es kommen musste. Das Naziblatt „Völkischer Beobachter“ hatte schon lange gegen ihn gehetzt. Um einer Verhaftung zu entgehen, floh er kurz nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten am 15. März 1933. Zwar konnte er im Exil noch publizieren, etwa die Romane „Rosenemil“ und „B.M. – Der unbekannte Fußgänger“, 1936 bei Herzberger in Amsterdam erschienen. Aber es ging ihm wie den meisten Exilanten „furchtbar dreckig“. Gundel und Gert Mattenklott schildern das zutreffend mit den Worten: „Von Geldsorgen bedrängt, oft zu demütigenden Bettelbriefen gezwungen und – schlimmer noch als diese Bitternis – dem Schmerz ausgeliefert, ungehört zu bleiben, zur Stummheit verdammt zu sein auf einem Boden, der, wie er klar sah, immer enger wurde: »Eine Scholle nach der anderen bröckelt von der kleinen Insel in das Meer des Faschismus (…).« 1943 war der Boden endgültig fort unter seinen Füßen. Am 16. November wurde er aus dem von den Deutschen eingerichteten niederländischen Internierungslager Westerbork nach Auschwitz deportiert. Wenn der herz- und zuckerkranke Zweiundsiebzigjährige überhaupt den Transport überlebt hat, wurde er gleich bei der Ankunft nach der Selektion vergast.“


Im Vorwort zu seinem Roman Der etruskische Spiegel hat Georg Hermann 1934 über Romanschlüsse geschrieben:

»Es gibt auch solche, die in Nichts münden, sich verflüchtigen wie Gas. Die in den leeren Raum verwehen. Ohne Bestand, ohne Hoffnung, ohne Spuren. (…) Vielleicht ist da noch ein alter Metallspiegel, in einem schlichten Lackschrein bewahrt, blank und silbern. Er nimmt kaum einen Hauch an, wirft dir dein Bild zurück, so daß du nicht mehr sagen kannst, ob du das Bild bist, oder das Bild du, und dir Schein und Wirklichkeit ganz ineinander fließen. Sonst aber wirst du nichts mehr in dieser letzten, windzerrissenen Einsamkeit finden; keine Gegenwart, keine Zukunft, keine Erinnerung, kein Lachen mehr, und was schlimmer ist … keine Tränen. Und sobald der Spiegel wieder in seinen Lackschrein zurücktaucht, so wird dein Bild darin verloschen sein, sich gelöst haben, wie dieser Wolkenfetzen da oben im Blau, der einen Augenblick dahintrieb und nun in Licht und Sonne inmitten seiner Bahn in regenbogenschillernde Atome zerspellte, unerbittlich sich löste, verschwand und dem Auge spurlos wie Salz im Wasser zerging.«


Die Herausgeber Mattenklott werben im Internet für Georg Hermann und seine Werke mit den Worten: „Die Initiative, Georg Hermanns Schriften wieder, zum Teil auch erstmals, Lesern zugänglich zu machen, ist eine Bemühung, die Erinnerung gegen den Sog des Vergessens zu wahren, und sie ist ein Geschenk an ein Lesepublikum, das diesen Autor und sein reiches, nuanciertes und vielschichtiges Werk noch zu entdecken hat.“ Solche Initiativen verdienten auch viele andere, deren Namen heute kaum noch jemand kennt.


Links (deutsch):

http://www.kuenstlerkolonie-berlin.de/bewohner/hermann.htm

http://www.berliner-lesezeichen.de/lesezei/Blz97_01/text39.htm

http://www.kultur-netz.de/archiv/literat/kubinke.htm

http://www.jungewelt.de/frameit.php?/1999/01-27/017.shtml


Internatinoal:

http://www.cjh.org/academic/findingaids/LBI/nhprc/GHermannf.html


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