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Mandello, Jeanne

H.A.M. 0

Jeanne Mandello (eigtl. Johanna Mandello)

Fotografin

Geb. 18.10. 1907  in Frankfurt am Main

Gest.17.12. 2001 in Barcelona/ Spanien


Die Liebe zur Kunst in ihrem säkular-jüdischen Elternhaus prägt die kleine Johanna schon von früh an. Obwohl die Fotografie sich ihren Weg als anerkannte Kunstform erst mühsam bahnen muss, begeistert sich die junge Frau für das neue Medium, studiert in den 1920er Jahren zwei Jahre Fotografie an der ‘Lette-Schule‘ in Berlin und ein Jahr bei Paul Wolff, dem Pionier der Kleinbildfotografie. Ab 1928 fotografiert sie bereits professionell mit einer Leica und eröffnet in Frankfurt ihr eigenes Studio, wo sie mit der befreundeten Fotografin Nathalie von Reuter zusammenarbeitet (ähnlich wie die beiden Freundinnen {ln:Stern, Grete ‚Grete Stern } und {ln:Auerbach, Ellen ‚Ellen Auerbach }, die in Berlin das Fotostudio vom Bauhaus-Lehrer {ln:Peterhans, Walter ‚Walter Peterhans } übernehmen und es von nun an und gemeinsam unter dem Markennamen ‘Ringl&Pit‘ zu internationaler Bekanntheit weiterführen). Nicht zuletzt die Mode- und Werbefotografie ist es, die jungen Frauen in der Weimarer Republik den Weg in die Kunstwelt eröffnet, und in diesem Metier begegnet sie, neben Auerbach und Stern, auch anderen ambitionierten Fotografinnen wie {ln:Bing, Ilse ‚Ilse Bing }, {ln:Freund, Gisèle ‚Gisèle Freund }, {ln:Breslauer, Marianne ‚Marianne Breslauer } und Germaine Krull. 1932 beginnt Mandellos Zusammenarbeit mit ihrem späteren Ehemann, Arno Grünebaum.


Im Bewusstsein der heraufziehenden Gefahr auch und vor allem für Juden nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933, die im Zuge der Gleichschaltung der Medien und durch den Ausschluss aus der Reichsschriftkammer für viele jüdische Journalisten und Pressefotografen nicht zuletzt auch den sicheren finanziellen Ruin bedeutet, verlassen Johanna Mandello und Arno Grünbaum im darauffolgenden Jahr Hitler-Deutschland und setzen ihre fotografische Karriere von nun an in Paris fort. Sie etablieren sich als Fotografen für die Modehäuser ‘Balenciaga‘, ‘Guerlain‘, ‘Chanel‘ und die Magazine ‘Vogue‘ und ‘Harper’s Bazaar‘, inspiriert von der Avantgarde der Pariser Kunstszene, in der Fotografen wie Man Ray, Brassaï und Doisneau die moderne Fotografie neu definieren. Jeanne Mandello, wie sie sich von nun an nennt, experimentiert mit neuen Techniken, ungewöhnlichen Kameraperspektiven, Bildausschnitten, Belichtungen bis hin zu Fotomontagen und arbeitet gelegentlich auch mit dem ebenfalls vor den Nazis nach Frankreich geflüchteten Fotoreporter {ln:Landshoff, Hermann ‚Hermann Landshoff } zusammen.


Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gelten nun plötzlich auch die jüdischen Emigranten Jeanne und Arno Mandello in Frankreich als “feindliche Ausländer“. Jeanne wird in ein Dorf unweit des nordöstlich der Pyrenäen gelegenen Internierungslagers Gurs geschickt – unter Zurücklassung all ihrer Habe, vor allem der gesamten Kameraausrüstung, – und verdient sich von nun an als Aushilfe in einer Krankenstation ihren kärglichen Lebensunterhalt. Im Frühjahr 1940 überfallen deutsche Truppen die Benelux-Staaten und Frankreich. Im Oktober desselben Jahres entzieht ihr Hitler-Deutschland die Staatsbürgerschaft. Für die beiden Künstler ist nun auch das Leben in Frankreich unter dem Vichy-Regime nicht mehr sicher. Über einen nach Argentinien ausgewanderten Onkel erhält Jeanne Einreisevisa für Uruguay, eine Schiffspassage von Bilbao nach Montevideo und Geld. Mit der ‘Cabo de Buena Esperanza‘ erreichen die Flüchtlinge nach einer vierwöchigen Schiffsreise zusammen mit Hunderten anderer Leidensgenossen am 15. Juli 1941 den Hafen der uruguayischen Hauptstadt Montevideo.


In ihrer Exilheimat am Rio de la Plata (wohin auch u.a. {ln:Kroch, Ernesto ‚Ernsto Kroch } vor den Nazis geflohen ist) kann sie endlich wieder fotografieren, diesmal mit einer  Rolleiflex, die ihr ein Fotografen-Kollege in Montevideo leiht. Zunächst verdient sie sich ihr Geld mit Kinderporträts (ähnlich wie Ellen Auerbach im damaligen Palästina), die 1943 in ihrer ersten Einzelausstellung “Exposición del Niño. Fotografías artísticas de la Señora Jeanne Mandello“ in Montevideo gezeigt werden. Gemeinsam mit Arno fotografiert sie auch für uruguayische Touristikmagazine, und bald werden die beiden als “Los Mandellos“ landesweit bekannt. Jeanne knüpft schnell Kontakte mit uruguayischen Künstlern und Intellektuellen, die in Montevideo und Punta del Este leben. Viele von ihnen porträtiert sie mit der Kamera, darunter den Maler Joaquín Torres García, die Dichter {ln:Alberti, Rafael ‚Rafael Alberti } und Jules Supervielle, sowie immer wieder auch  Emigranten aus Europa.


In Uruguay wandelt sich Jeannes künstlerischer Stil, sie wird eine “Foto-Grafikerin“, so der aus Berlin exilierte Journalist {ln:Freund, J. Hellmut ‚J. Hellmut Freund } 1953 in dem von Susana Soca herausgegebenen Magazin ‘Entregas de la Licorna‘. Mandello arbeitet nun vermehrt mit Fotogrammen und dem Stilmittel der Solarisation, die den Bildmotiven einen schwebenden Ausdruck verleiht. Ihre  Selbstporträts ebenso wie die Fotografien von anderen Frauen zeigen diese nicht als Objekte des künstlerischen Blicks, sondern als starke, selbstbewusste und für ihr Schicksal verantwortlich Persönlichkeiten. Die erste große Ausstellung unter dem Titel “Mandello“ mit Arbeiten von Jeanne und Arno findet 1952 im brasilianischen ‘Museu de Arte Moderna do Rio de Janeiro‘ statt.


Ausgebildet in Deutschland, geprägt von der künstlerischen Avantgarde der Weimarer Republik und des Vorkriegs-Paris, bringt Jeanne Mandello die Bauhaus-Geometrie mit surrealistischen Fantasien und experimentellen Techniken in ihrem Werk, das in Lateinamerika und Spanien entsteht, zusammen. Die meisten ihrer frühen Arbeiten sind allerdings nicht mehr auffindbar, da Jeanne und Arnos Pariser Atelier 1942 der Plünderung durch die ‘NS-Dienststelle Westen‘ zum Opfer gefallen ist.


1953 trennen sich die Eheleute. Arno kehrt nach Paris zurück, im Gepäck die ihm von Jeanne überlassene Fotoausrüstung und das Recht, den Markennamen ‘Mandello‘ zu benutzen. Sie wiederum übersiedelt  nach Brasilien, heiratet hier  Lothar Bauer, einen alten Bekannten und derzeitigen Korrespondenten der ‘Frankfurter Zeitung‘ in Rio de Janeiro, und zieht mit ihm Ende der 1950er Jahren nach Spanien, wo Jeanne in Barcelona bis zu ihrem Lebensende fotografisch tätig ist.


Als Fotografin der Weimarer Republik wird Jeanne Mandello mit zwei Ausstellungen in Barcelona wiederentdeckt: 1995 mit “Les dones fotògrafes a la República de Weimar. 1919-1933“ und 1997 mit der Einzelausstellung “Mandello. Fotografías 1928-1997“, eine Gesamtschau ihres Werks. Die Retrospektive “Imágenes de una fotógrafa exiliada: Jeanne Mandello“ (dt.: “Bilder einer Fotografin im Exil“) in Montevideo 2012 tourt 2013 durch mehrere Städte in Uruguay und Argentinien. Von Juni bis September 2014 zeigt das Museum Folkwang in Essen experimentelle Werke von Jeanne Mandello, zusammen mit denen von Helmar Lerski, Hans Finsler und anderen in der Ausstellung “Ende eines Zeitalters. Künstlerische Praktiken und Techniken analoger Fotografie“.


Das lange vergessene Werk von Jeanne Mandello, eine der Pionierinnen der modernen künstlerischen und experimentellen Fotografie des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, wird heute von ihrer in Barcelona lebenden Adoptivtochter Isabel Mandello de Bauer, ihrem Neffen James Bauer sowie der Kuratorin Sandra Nagel auf einer Internetseite mit zahlreichen Abbildungen und Primärquellen einer allgemeinen Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.


Quelle:

{ln:nw:http://de.wikipedia.org/wiki/Jeanne_Mandello }


Links (deutsch):

film{ln:nw:http://vimeo.com/62885700 }

{ln:nw:http://www.cyclopaedia.de/wiki/Deutschsprachige_Emigration_nach_Uruguay_1933%E2%80%931945 }


International:

{ln:nw:http://jeannemandello.com/ }

{ln:nw:http://jwa.org/thisweek/jul/15/1941/this-week-in-history-exiled-german-photographer-jeanne-mandello-arrives-in }

{ln:nw:http://indexfoto.montevideo.gub.uy/articulo/jeanne-mandello-los-brios-de-la-memoria }

{ln:nw:http://historico.elpais.com.uy/120919/pespec-664559/espectaculos/jeanne-mandello-las-fotografias-de-una-cronista-de-su-tiempo/ }

{ln:nw:http://www.museum-folkwang.de/en/exhibitions/current-exhibtions/end-of-an-era.html }

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