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Goll, Claire

H.A.M. 0

Claire Goll
Schriftstellerin


Geb. 29.10.1890 in Nürnberg
Gest. 30.5.1977 in Paris/ Frankreich


Die Suche nach Freiheit und ein radikaler Versuch der Aufrichtigkeit gegen sich selbst und ihre Wegbegleiter sind die Leitmotive ihres Lebens. Schrittweise emanzipiert sie sich von den Traumata einer verkorkst bürgerlichen Erziehung und taucht als junge Frau ein in die Zürcher Künstler- und Dada-Szene ein.

Zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zählen u.a. Hans Arp, Hans Richter, Emmy Hennings und Hugo Ball, Louis Aragon, Paul Eluard, James Joyce, Marc Chagall, Colette, Oskar Kokoschka, Fernand Leger, Clara und Andre Malraux.

Doch als Schriftstellerin bleibt sie eigenständig und in ihrem Urteil unbestechlich. 1939 emigriert Claire Goll in die USA und überlebt als einzige ihrer Familie den Holocaust.


Kindheit: Martyrium hinter großbürgerlicher Fassade

Claire Goll, Tochter der Malvine Aischmann, geb. Fürther, und des amtierenden argentinischen Konsuls und Kaufmanns Joseph Aischmann, wuchs als das jüngere von zwei Kindern in großbürgerlich-jüdischem Milieu in München auf.
Ihre Kindheit und die ihres fünf Jahre älteren Bruders war, hinter der Fassade bürgerlicher Fortschrittlichkeit, ein einziges Martyrium. Von der sadistischstrengen Mutter gequält und gedemütigt, versuchte sie sich im Alter von zwölf und sechzehn Jahren das Leben zu nehmen.


Reformschule, kurze Ehe mit dem Verleger Studer

Nach dem Selbstmord des sechzehnjährigen Bruders wurde das verstörte Kind in die Reformschule der Pädagogin Julie Reisinger-Kerschensteiner geschickt. Erst unter deren verständnisvoller Anleitung konnte sie, wie sie in ihrer Autobiographie „Ich verzeihe keinem“ schreibt, ihre geistigen Fähigkeiten und ihre Vorstellungskraft entwickeln, Menschlichkeit und Selbstachtung lernen.

Durch die Heirat mit dem Jurastudenten und späteren Verleger Eleinrich Studer im Jahre 1911 entkam sie ihrer Mutter nach Leipzig. 1912 wurde die Tochter Dorothea Elisabeth geboren, die sie zurücklassen mußte, als sie sich nach fünf Jahren Ehe von ihrem Mann trennte.


pazifistische Artikel große Liebe im Exil

Von der deutschen Kriegsbegeisterung zutiefst abgestoßen, zog Claire Goll in die Schweiz und schrieb sich zum Studium an der Universität in Genf ein. Für Henri Guilbeaux‘ pazifistische Zeitung „Demain“ begann sie regelmäßig Artikel zu schreiben, ebenso für Franz Pfemferts Aktion und für die in der Schweiz erscheinenden Antikriegszeitungen National-Zeitung und Freie Zeitung. 1917 begegnete ihr in Genf die große Liebe ihres Le-bens, dem elsässischen Dichter Yvan Goll (eigentl. Isaac Lang, 1891-1950), der als Deserteur im Schweizer Exil lebte.


Künstlerfreunde

Befreundet mit Hans Arp, Hans Richter, Emmy Hennings und Hugo Ball erlebten sie die Anfänge der Dada-Bewegung in Zürich mit. 1918 erschienen Claire Golls erster, dem Expressionismus verpflichteter Gedichtband „Mitwelt“ und ihre pazifistischen Novellen „Die Frauen erwachen“. Von ihrem Gedichtband schickte sie ein Exemplar an Rainer Maria Rilke, den sie noch im selben Jahr in München besuchte, um eine kurze Liebe lang bei ihm zu bleiben. Im November I9I9 übersiedelte sie mit Yvan Goll nach Paris, 1921 heiratete sie ihn.

In der gemeinsamen Wohnung in der Rue Conde traf sich die internationale künstlerische Avantgarde. Besonders verbunden fühlten Claire und Yvan Goll sich dem Kreis der Surrealisten, insbesondere Louis Aragon, Charles Vildrac, Paul Eluard, Philippe Soupault, Artaud und später Salvador Dali. Zum Freundeskreis gehörten u.a. auch James Joyce, Marc Chagall, Colette, Sonia und Robert Delaunay, Oskar Kokoschka, Fernand Leger, Clara und André Malraux.


Produktive Jahre in Paris

Die Jahre in Paris waren geprägt von intensiver literarischer Arbeit. Neben eigener Lyrik entstanden in enger Zusammenarbeit mit Yvan Goll die gemeinsam herausgegebenen Gedichtbände „Poemes d’amour“, Paris 1925, „Poemes de la jalousie“, Paris 1926 und Poemes de la Vie et de la Mort, Paris 1927- Liebes-gedichte, die die problematische Beziehung beider reflektieren.
Auch ihre vehement zeitkritischen Romane verfaßte sie in jenen Jahren: Der Neger Jupiter raubt Europa (1926, Neuauflage: 1987), „Eine Deutsche in Paris“ (1927), „Ein Mensch ertrinkt“ (1931, Neuauflage I988). Daneben arbeitete sie journalistisch, machte Reportagen und Übersetzungen.


Emigration in die USA 1939, journalistische Arbeiten, Rückkehr nach Paris 1947

Noch vor dem Ausbruch des Krieges 1939 emigrierten Claire und Yvan Goll nach New York. In den USA lebten sie von journalistischen Arbeiten. Auf die Kriegsereignisse reagierte Claire Goll mit ihrer bis heute unveröffentlichten Iyrischen Klage „Die polnische Passion“.

1947 kehrte sie mit dem unheilbar an Leukämie erkrankten Yvan Goll nach Paris zurück. Nachforschungen über ihre Familie offenbarten, daß sie als einzige den Holocaust überlebt hatte. 1950 starb Yvan Goll. Sie bewältigte seinen Tod, indem sie sich zur Sachwalterin seines literarischen Erbes machte und die nächsten Jahre ganz seinem Werk widmete.


Literaturpreise, autobiografische Schriften

1959 erhielt sie für ihr Buch „Education Barhare“, neu aufgelegt unter dem Titel „Le Ciel Vole“, den „Prix de la Societe des Gens de Lettres“, Paris. 1965 wurde sie mit dem Katherine Mansfield-Preis, Paris, für Les Confessions d’un moineuu du siecle («Memoiren eines Spatzen des Jahrhunderts», 1969) ausgezeichnet.
1971 erschien als zweites ihrer drei autobiographischen Bücher der Roman „Traumtänzerin – Jahre der Jugend“ und 1978 „Ich verzeihe keinem. Eine literarische Chronique scandaleuse unserer Zeit“. Das Buch, eine bittere Abrechnung mit ehemaligen Weggefährten und Liebhabern, erregte Aufsehen wegen seiner Schonungslosigkeit und Scharfzüngigkeit.


weiterführende Literatur:

Dietlind Antretter: Claire Goll, eine Monographie, Diss., Salz-burg, 1988
G. Brinker-Gabler: Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 1978
A. Müller:„Claire Goll“. In: A. Müller, Entblößungen, 1979,S.234 – 237
J. Serke: „Claire Goll“. In: J. Serke, Die verbrannten Dichter, 1977, S. 92 – 117

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