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Cramer, Ernst

H.A.M. 0

Ernst Cramer

Journalist

 

Geb. 28.01.1913 in Augsburg

Gest. 19.01.2010 in Berlin


Wer weiß, was aus dem Springer Verlag, vor allem aus der BILD-Zeitung geworden wäre, als es 1968 zu Protesten gegen Axel Cäsar Springer und seinen Verlag kam. Wenn es nicht Ernst Cramer gegeben hätte! Er war nicht nur enger Berater des Verlegers, sondern auch mit ihm und seiner Frau Friede eng befreundet. Es dürfte Ernst Cramer mit zuzuschreiben sein, dass der bei den 68ern verhasste Zeitungstycoon sich erfolgreich für gute Verhältnisse zwischen  der jungen Bundesrepublik und Israel, aber auch zu den USA eingesetzt hat. Das dürfte der spannenden Lebensgeschichte von Ernst Cramer zuzuschreiben sein, einem deutschen Juden mit amerikanischen Pass.


1933, im Jahr der „Machtergreifung“ Hitlers und seiner Nationalsozialisten, gründete Ernst Cramer mit Gleichgesinnten den Bund Deutsch-Jüdischer Jugend, in dem er aktiv mitarbeitete. Auch das ein Grund, ihn sechs Wochen lang im Konzentrationslager Buchenwald einzusperren. Das war gleich nach dem Pogrom vom 9. November 1938 (verniedlichend „Reichskristallnacht“ genannt). Drei Jahre später konnte er einer erneuten Verhaftung und damit dem sicheren Tod entkommen und in die USA emigrieren. Seine Eltern und sein Bruder wurden im KZ umgebracht; Vater Martin Cramer hatte 1922 mit Bertolt Brecht (der später ebenfalls aus Hitler-Deutschland fliehen musste) die Literarische Gesellschaft Augsburg gegründet.


Bevor der junge Ernst Cramer am Mississippi State College und an der Stanford University in den Vereinigten Staaten studieren konnte, arbeitete er auf einer Farm für Flüchtlinge. Nach dem Überfall Japans auf  Pearl Harbor trat er in die US Army ein und kehrte 1945 als US-Staatsbürger nach Deutschland zurück, um zu bleiben.


Als stellvertretender Chefredakteur war Cramer von 1948 bis 1954 bei der von den Amerikanern herausgegebenen Neuen Zeitung (München) tätig, danach in den USA als Korrespondent bei der amerikanischen Nachrichtenagentur UPI.


Axel Cäsar Springer holte ihn in die Bundesrepublik Deutschland als  stellvertretenden Chefredakteur an die Tageszeitung Die Welt . 1993 wurde Ernst Cramer Herausgeber der „Welt am Sonntag“, nachdem er bereits 1983 Mitglied des Aufsichtsrates des Springer-Verlags geworden war (bis 1999). Bereits ab 1981 leitete Cramer als Vorstandsvorsitzender die Axel Springer Stiftung.


Neben Axel Cäsar Spring war der Publizist Sebastian Haffner ein anderer enger Weggefährte Ernst Cramers; Sebastian Haffners Biografie ist ebenfalls hier im Exil-Archiv online. Cramer hat zahlreiche Ehrungen erhalten, darunter das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, die Leo-Baeck-Medaille, die Ehrenbürgerschaft der Stadt Augsburg sowie als dritter Deutscher nach Axel Springer und Heinz Galinski die Ehrendoktorwürde der Bar-Ilan-Universität in Israel. 2004 wurde er mit dem Heinz-Galinski-Preis ausgezeichnet. Cramer werde für sein Lebenswerk ausgezeichnet, das von Verständigung, Toleranz, gegenseitigem Respekt und dem Eintreten für Frieden und Aussöhnung geprägt sei, hieß es zur Begründung.


Soweit die Fakten. Lesenswert ist der Nachruf von Claus Larass zum Tode von Ernst Cramer in der – ja, in der BILD-Zeitung: „An einem warmen Tag im August 1939 betrat ein junger Mann im englischen Southampton den US-Dampfer „Manhattan“. Er war 26 Jahre alt und hatte alles verloren, was in diesem jugendlichen Alter als Basis für das Leben gilt: Illusionen und Unbefangenheit, die Heimat, die Freunde, die Nachbarschaft. In seinem Gepäck die kläglichen Reste einer bürgerlichen Existenz: ein paar Kleidungsstücke, zehn Reichsmark. Aber auch ein Exemplar von Platons „Gastmahl“.


Fürchterliche Bilder und Szenen beherrschten sein Gedächtnis. Wie er nach den Rassengesetzen 1935 auf der Straße angespuckt wurde, wie Nazis in die elterliche Wohnung in Augsburg eindrangen und alles zertrümmerten. Auch das geliebte Cello des Vaters, die kleine Porzellansammlung der Mutter. Wenige Tage später Verschleppung in das Konzentrationslager Buchenwald. „Es genügt“, sagte er Jahrzehnte später, „wenn ich sage: Der Aufenthalt im KZ war die schlimmste Zeit, die ich je durchlebte.“ Mehr wollte er in der ihm eigenen Bescheidenheit nicht sagen – angesichts der vielen Millionen, die später in den Konzentrationslagern ermordet wurden.


Ernst Cramer, der deutsche Jude, starb in der Nacht zum Dienstag in einem Berliner Krankenhaus. Eine verschleppte Bronchialerkrankung war zu viel für das Herz in diesem zarten Körper. Ernst Cramer wäre in wenigen Tagen 97 Jahre alt geworden. Mit ihm verlieren wir einen leidenschaftlichen Deutschen und der Verlag Axel Springer einen seiner geistigen Väter.


Was für einen weiten Bogen spannte dieses Leben. Ernst Cramer, der von den Deutschen Ausgestoßene, sagte über seine Jugend: „Das Deutschtum war mir selbstverständlich.“ Und in einer bewegenden Rede im Bundestag 2006 schloss er diesen Bogen mit dem Satz: „Ich bin wieder daheim.“


Bearbeitung:

Hajo Jahn

(Ich habe Ernst Cramer kennen- und schätzengelernt, auch wenn wir unterschiedliche politische Meinungen hatten. Prof. Cramer hat mich ermuntert, in der Auseinandersetzung um den „Bankier der Nazis“, wie ihn die Bild am Sonntag  am 5. November 2006 bezeichnete, standzuhalten gegen die zahlreichen Angriffe in Wuppertal. Der dortige städtische Kulturpreis war nach Eduard von der Heydt benannt, der im „Dritten Reich“ von der Schweiz aus die Täter unterstützt hatte. Der Versuch, den Preis nach dem Opfer Else Lasker-Schüler zu benennen, scheiterte. Immerhin wird der Kulturpreis heute ohne den Vornamen des umstrittenen Bankiers verliehen.)


Quellen:

Wikipedia und BILD-Zeitung

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