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Fürst, Peter

H.A.M. 0

Peter Fürst
Journalist


Geb. 4. 2. 1910 in Berlin
Gest. 29. 12. 1998 in San Francisco/ USA


1928 wurde Peter Fürst Sportreporter für das Berliner Tageblatt, dann Redakteur mit eigener Kolumne. Beim Tanzen mit einer noch etwas „rundlichen“ jungen Frau polterten Nazis in den Ballsaal und gröhlten: „Ihr tanzt jüdisch. Dabei tanzten wir Jitterbug. Aber damit wurde uns schlagartig klar, dass wir bedroht waren“, erzählte Peter Fürst beim II. Else-Lasker-Schüler-Forum Exil ohne Ende 1994 in Wuppertal. Offiziell schickte ihn die Redaktion zu einer Sportreportage nach Monaco, doch das war nur vorgeschoben, tatsächlich ging die Reise in die fast entgegengesetzte Richtung und war die Flucht aus Deutschland. Die Tanzpartnerin wurde später ein weltberühmter Filmstar (diese Geschichte haben wir als pdf-Dokument angehängt).


Peter Fürst flüchtete 1934 über Prag, Madrid, Wien und Paris in die Dominikanische Republik. Er wurde dort Reisaufkäufer für eine schottische Firma, war als Vorarbeiter auf einer Plantage tätig, lernte Spanisch und reiste 1946 in die USA.
Dort wurde der einst erfolgreiche Sportreporter Radiokommentator für die Voice of America, den RIAS Berlin, den WDR und andere ARD-Anstalten. Seine Stimme hatte ihren eigenen Sound, war so charakteristisch wie wenige andere. Für seine Verdienste als Journalist und um seine publizierten Berlin-Stories wurde er 1995 mit der Ehrendoktorwürde der FU geehrt. Die Feier dafür fand im Theater am Schiffbauerdamm statt. Es war sein letzter Besuch in der alten Heimat und ein Wiedersehen mit seinen Freunden in Deutschland, die dafür extra nach Berlin gekommen waren, weil Peter Fürst nicht nur ein ausgezeichneter Journalist, sondern auch ein besonders liebenswürdiger und liebenswerter Mensch war. Nicht nur nach Meinung des Verfassers dieser Biographie, der Peter Fürst noch einmal im Jahre 1998 in San Francisco besuchte.


Da war er vom Tode gezeichnet, ließ sich seine eigenen Geschichten aus seinem zweiten Buch vorlesen, das soeben unter dem Titel Schnitzeljagd Berlin – New York im Carl Hanser-Verlag München erschienen war. Mit einem Nachwort von Norman Mailer, in dem es heißt: „Viele Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg haben ihre Geschichten von Glück und Unglück zu erzählen, aber nicht viele haben Peter Fürsts Sinn für Stil und Ironie. Er verwandelt das Hin und Her des Krieges in eine pikareske Unterhaltung ersten Ranges.“

Zum Schluß konnte Peter Fürst kaum noch etwas sehen, deshalb ließ er sich seine eigenen Geschichten von mir vorlesen. Er lachte, als hörte er sie zum erstenmal. „Meine Krankheit ist mein Alter“, lästerte er vor seinem zweiten Schlaganfall. Eine Mexikanerin musste ihn wickeln wie ein kleines Kind, was dem Ästheten Fürst unangenehm war. Aber die beiden Immigranten konnten sich auf Spanisch unterhalten- „wenigstens etwas Positives bei dieser blöden Geschichte“, scherzte er.


In September 1994 war seine Biographie Der Zigarrentöter erschienen. Dies war auch einer der Gründe, warum ihn die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft als Teilnehmer ihres XII. Forums (Exil ohne Ende) nach Wuppertal eingeladen hatte. Dabei unterzeichnete er den Aufruf für ein Zentrum der verfolgten Künste und Intellektuellen, völlig überzeugt, dass es so einer Einrichtung bedürfe, um die Vergangenheit „für die Zukunft lebendig zu erhalten. Denn Journalisten“, so meinte Peter Fürst, „werden immer verfolgt, mindestens drangsaliert, solange sie der Wahrheit dienen.“


Mit Else Lasker-Schüler, die er nur von weitem bewunderte, hat er viel gemein: „Ich wurde in Berlins Romanischem Cafe erdacht und später dann aufgezogen. An seinen Marmortischen, an denen Pegasus nach jedem Kaffee einen Steinhäger serviert bekam und ein junger Journalist namens Joseph Goebbels schweigend der Berliner intellektuellen Elite zu Füßen saß und sich jüdische Witze einprägte, um es den Intellektuellen eines Tages zurückzahlen zu können“ In diesem Cafe war die Dichterin armer, nichtzahlender Stammgast, und Peter Fürst als junger Sportreporter des Berliner Tageblatts ebenfalls.


Der erfolgreiche „Sportjournalist mit zwei jüdischen Großmüttern“ verdingt sich in einem deutschen Club in Spanien als Tennislehrer, bis man ihn als Nazi beschimpft und mit Steinen bewirft, schreibt in Wien im Arkadencafe „Tatsachenberichte“ von der spanischen Front und flieht schließlich auf einer abenteuerlichen Reise durch Europa nach Paris. Dort heiratet er seine Wiener Freundin und geht mit falschen Visa für die Dominikanische Republik – wie übrigens auch die Dichterin Hilde Domin – („dort nehmen sie noch Juden“) 1939 an Bord der Bretagne, die das junge Ehepaar nach wochenlangen Irrfahrten in der Karibik absetzt. Dort heißt Peter Fürst dann Don Pedro und arbeitet sieben Jahre lang als berittener und bewaffneter Reisaufkäufer, ehe er 1946 endlich die Nachricht bekommt: US-Visa o.k.. Ein Emigrantenschicksal – doch Fürsts Exil-Odyssee ist auch Abenteuer- und Schauergeschichte, Don Quixotterie und Slapstick – siehe die von ihm selbst geschriebene Geschichte im Anhang zu dieser Biografie.

Autor:

Hajo Jahn


„LEB WOHL, LILLI PALMER! Ich verließ Hitler-Deutschland im Jahre 1934, weil mir ein Tanzabend von zwei Braunhemden verdorben wurde, die zu mir und meiner Partnerin rüberkamen und sagten, wir „tanzten jüdisch“. Es waren zwei mit Hakenkreuzarmbinden gegen einen ohne, das blonde Fräulein weinte, und in einem solchen Land kann man ja nicht bleiben…“

Klicken Sier bitte hier, um weiter zu lesen (PDF-Dokument)

Quelle: Peter Fürst: Schnitzeljagd Berlin New York, a.a.O., S. 42ff.


Literatur:

Peter Fürst: Schnitzeljagd Berlin-New York, Carl Hanser-Verlag München/ Wien 1998, ISBN 3-446-19105-4

ders.: Der Zigarrentöter. Don Quixote im Exil. Fischer Verlag/ Frankfurt am Main 2001, ISBN 3596129680

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