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Stojka, Ceija

H.A.M. 0

Ceija Stojka
Autorin, Malerin und Sängerin

Geb. 23.03. 1933 in Kraubath (Steiermark)/ Österreich


Die Stojkas gehören heute mit zu den bekanntesten Künstler-Familien in Österreich:  Als Schriftsteller, Maler, Jazz-Musiker und Sänger haben sie sich weit über die Grenzen ihres Landes hinaus in Kunstkreisen einen Namen gemacht.  Sie alle sind Mitglieder der  in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Ungarn und der heutigen Slowakei nach Österreich eingewanderten ‚Lovara‘-Roma. Bis ins 20. Jahrhundert hinein sind fast alle ‚Lovara‘-Familien als reisende Pferdehändler im ganzen Land unterwegs, dann wird ihnen ihr Wandergewerbe immer schwerer gemacht, die Roma sollen zur Ansiedlung gezwungen oder sogar vertrieben werden.  Man nimmt ihnen ihre Tiere ab und unterwirft sie erheblichen staatlichen Kontrollen. Die Familie Stoijka kann sich zwar immer noch recht lange der behördlichen Einflussnahme entziehen und ihrem traditionellen Gewerbe nachgehen, aber den Ausgrenzungen und Verfolgungen durch die Nationalsozialisten entgeht auch sie letztendlich nicht.


Die Geschwister Ceija, Karl und Mongo wachsen wohlbehütet auf, im engen Familienverband. Geprägt durch ihre fröhliche, lebensstark-intelligente Mutter und den künstlerisch-begabten, aufgeschlossenen und modernen Vater, der mit Vorliebe englische Anzüge trägt, aber vor allem  sehr viel Wert auf die Schulbildung seiner Kinder legt, was in der Zwischenkriegszeit für sogenannte ‚Zigeuner‘-Kinder keineswegs selbstverständlich ist.


Ein Jahr nach dem ‚Anschluß‘ Österreichs an Hitler-Deutschland werden  auch die Stojkas Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns, erinnert sich Ceija Stojka: “Wir waren damals, 1939, irgendwo in der Steiermark, als meine Leute erfuhren, dass wir nicht mehr umherreisen dürften. Es wurde immer schlimmer für uns, bis mein Vater den Entschluss fasste, nach Wien zu gehen. (…) Eines Tages holte die Gestapo unseren Vater Karl Wakar Horvath von unserem Platz ab. Sie kamen in einem kleinen Auto und stießen ihn hinein. Wir Kinder standen da, mit Tränen um unseren Vater. Er winkte noch einmal, dann fuhren sie mit ihm fort. Das war 1941 und meine letzte Erinnerung an ihn. Wir sahen ihn nie wieder. Die Gestapo legte ein spanisches Gitter um unser kleines Holzhaus und verbot uns, uns außerhalb dieses Gitters aufzuhalten. Ja, wir spürten Auschwitz schon in der Freiheit. Die SS-Männer machten oft Großrazzien. Sie drückten unsere kleine Tür ein, rissen uns aus den Betten und hielten uns ihre Leuchtbatterien in die Gesichter. Es wurde immer unerträglicher. (…) Die Nachricht vom Tod unseres Vaters war schrecklich. Wir waren tagelang in einem Taumel, den man nicht beschreiben kann. Wir haben den Tod unseres Vaters nie  überwunden. (…) 1941 kam die Gestapo zu uns in die Paletzgasse. Um sechs Uhr früh drückten sie unsere kleine Tür ein. Sie hatten riesengroße Leuchtbatterien in ihren Händen und schrien uns Kinder an: ‚Los, los! Alles aufstehen! Wo ist eure Mutter?‘ (…) Nun fuhren sie uns in die Roßauer Lände, in das Gefängnis. Die kleinen Kinder weinten, wir hatten ja kaum etwas an. Ich könnte dies nicht ein zweites Mal erzählen, denn in meinen Gedanken erlebe ich jetzt alles, als wäre es gestern passiert. Wenn ich alle meine Gedanken niederschreiben könnte, wäre dies sicher ein endloses Buch der Leiden. Doch meine Gedanken laufen schneller, als meine Hände alles zu Papier bringen können. (…) Als der Raum so voll war, dass keine Maus mehr Platz haben konnte, wurde der Transport nach Auschwitz organisiert. Wir wurden in einen Waggon gepresst, ich hatte gleich einen meiner Schuhe verloren, den ich nicht mehr finden konnte. Nicht einmal bücken konnte ich mich, so eng war es in diesem Waggon. Nach einer sehr langen Fahrt blieb der Zug endlich stehen. Wir bettelten nach Wasser, wir waren fast verdurstet und verhungert. Sie beruhigten uns und sagten: ‚Das Wasser ist zu rostig, vielleicht bekommt ihr Wasser bei der nächsten Station.‘ So ging es bis nach Auschwitz.“ (hier zitiert aus:
http://ling.kfunigraz.ac.at/~rombase/cgi-bin/art.cgi?src=data/pers/stojkas.de.xml


Ceija Stojka entkommt der Hölle von Auschwitz, wird nach Ravensbrück deportiert und schließlich ins unweit von Celle gelegene Konzentrationslager Bergen-Belsen,  wo die spätere Literaturwissenschaftlerin Renata Laqueur heimlich ihr KZ-Tagebuch verfasst und jene andere berühmte Tagebuch-Autorin, Anne Frank aus Amsterdam, im Alter von 15 Jahren ermordet wird. Ceija Stojka wird im Frühjahr 1945 von britischen Truppen befreit. Auch die beiden Brüder Karl und Mongo haben die Todeslager der Nazis überlebt. Aber fast ihre gesamte Familie ist ausgelöscht worden.


Die Stojkas stehen vor dem existentiellen Nichts – und nur sehr wenige in Österreich mögen sich des Völkermordes an den Sinti und Roma erinnern. Wiedergutmachungs-Ersuchen werden systematisch verschleppt, über das Schicksal ihres Volkes während des Nationalsozialismus will man nicht reden.  Dennoch verläßt Ceija Stojka nicht der Lebensmut. Sie kehrt nach Wien zurück, besucht aus eigener Initiative weiter die Schule und baut sich später, ebenso wie ihre Brüder Karl und Mongo, eine tragfähige wirtschaftliche Existenz auf.


Mit dem wachsenden Bedürfnis, dem ihnen zugefügten Leid Ausdruck zu verleihen, entdecken die Stojka-Geschwister schließlich ihre künstlerischen Talente: Karl beginnt zu malen. Ceija veröffentlicht 1988, als erste Romni Österreichs, ihre Autobiografie “Wir leben im Verborgenen“, in der sie auf das Schicksal ihre Volkes in den NS-Konzentrations- und Vernichtungslagern aufmerksam macht. 1992 folgt mit dem zweiten Band “Reisende auf dieser Welt“ ihre Erinnerung an die Zeit im Nachkriegs-Österreich. Zwei Jahre später erscheint auch Karl Sojkas Autobiografie: “Auf der ganzen Welt zu Hause“, und der Bruder Mongo folgt mit “Papierene Kinder“ im Jahre 2000. 


1989, im Anschluß an eine Japanreise, beginnt Ceija, erste Bilder zu malen, in denen     immer wieder das Schicksal der Roma und des Holocaust thematisiert werden. Ermutigt durch den auch internationalen Erfolg ihres Schaffens und das zunehmende öffentliche Interesse am Schicksal ihres Volkes, wendet sich Ceija Stojka schließlich der traditionellen Musik der Lovara zu, die sie schon in ihrer Kindheit begleitet und geprägt hat. Es folgen diverse öffentliche Auftritte und Konzerte als Sängerin, später gefolgt von CD-Einspielungen. Zu musikalischem Weltruhm als Jazz-Musiker bringen es schließlich ihre beiden Neffen, die Söhne von Karl und Mongo Stojka.


Daneben reist Ceija, ebenso wie ihre Brüder, immer wieder zu Vortragsveranstaltungen und workshops, bei denen sie als Zeitzeugin, auch und vor allem in Schulen und vor jungen Menschen, über das berichtet, was ihrer Familie  unter den Nazis widerfahren ist. Karl Stojka verstirbt 2003 an den Folgen einer schweren Erkrankung, die beiden überlebenden Geschwister setzen ihre gesellschafts- und kulturpolitische Aufklärungsarbeit weiterhin unermüdlich fort.


2009 wird die mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnete Roma-Künstlerin durch das Österreichische Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur zur Professorin ernannt.  


Quellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ceija_Stojka

http://ling.kfunigraz.ac.at/~rombase/cgi-bin/art.cgi?src=data/pers/stojkas.de.xml


Links (deutsch):

http://members.chello.at/romanes/seite1.htm

http://volksgruppen.orf.at/radio1476/stories/53448

http://volksgruppen.orf.at/roma/aktuell/stories/113411/

http://www.ventura-film.de/page/repertoi/c/cestojka/cestojka.htm

http://www.wienerzeitung.at/Desktopdefault.aspx?tabID=3946&alias=wzo&lexikon=EU&letter=E&cob=197102

http://www.gedaechtnisbuch.de/namen-statt-nummern/bio-horvath.html

http://ungleichevielfalt.at/article62.htm

http://ling.kfunigraz.ac.at/~rombase/ped/data/links.de.pdf

http://romani.kfunigraz.ac.at/romani/ling/lov.de.shtml


International:

http://volksgruppen.orf.at/romani/aktujeli/stories/113484/

http://www.ushmm.org/wlc/en/idcard.php?ModuleId=10006787

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