Alfred Wolfenstein
Expressionistischer Schriftsteller
Geb. am 28.12.1883 in Halle
Gest. am 22.01.1945 in Paris
„Bald naht der Herbst. Er paßt zu einem Kriege.
Sie kommen sich zur Hochzeit der Zerstörung
Mit Blätterfall und Menschenfraß entgegen,
Die Zeit der Mörder ist des Herbstes Braut.
Schon fahren aus den Dämmerungen Schläge,
Unkenntlich sind sie, aber immer frecher,
Und rote Augen stehen starr dahinter,
Durch die man offen in die Hölle schaut.“
So beginnt Alfred Wolfensteins Gedicht „1939 II“.
Alfred Wolfenstein, der sein Geburtsjahr mit 1888 angab, besuchte die Grundschule in Dessau und wechselte 1894 auf das Herzogliche Friedrichs-Gymnasium, das er jedoch in der Untersekunda wieder verließ, um den Beruf eines Kaufmanns zu erlernen. 1901 oder 1902 kam er nach Berlin, wahrscheinlich zu Verwandten, wo er das Askanische Gymnasium besuchte. 1905 machte er dort sein Abitur. An der Berliner Universität studierte er Rechtswissenschaften und legte 1912 das Staatsexamen ab. 1915 wurde er zum Gerichtsreferendar ernannt. Alfred Wolfenstein heiratete 1916 Henriette Hardenberg, gestand jedoch später ein, homosexuell zu sein. Die Ehe scheiterte und wurde 1930 geschieden.
1912 erschien sein erstes Gedicht in Pfemferts Zeitschrift »Die Aktion«, deren enger Mitarbeiter er bis 1917 war. Hier veröffentlichten nicht nur Expressionisten sondern auch linke Politiker. Sein bekanntestes Gedicht „Städter“ erschien 1914. Alfred Wolfenstein war auch als Übersetzer tätig. Er übertrug u.a. Werke von Paul Verlaine, Victor Hugo und Emily Brontës. Für seine Rimbaud-Übersetzungen erhielt er 1930 den ersten deutschen Übersetzerpreis.
In dem 1921 erschienen Essay „Jüdisches Wesen und neue Dichtung“ beschäftigt sich Wolfenstein mit den Wurzeln seiner Existenz.
Als Pazifist und Gegner der Todesstrafe veröffentlichte er 1929 das Theaterstück „Die Nacht vor dem Beil“. Nachdem die Nazis an die Macht kamen, konnte er am 4. März 1933 – von der Liga für Menschenrechte gewarnt – nach Prag und im Mai 1938 nach Paris flüchten. 1940 wurde er verhaftet und drei Monate im Gefängnis La Santé festgehalten. Nach seiner Freilassung lebte er mit verschiedenen Decknamen in Südfrankreich, kehrte aber auf Grund einer schweren Herzerkrankung nach Paris zurück, wo er sich 1945 das Leben nahm.
Zusammengestellt von:
Hans Joachim Schneider
Quelle:
Günter Hartung: Juden und deutsche Literatur, Leipzig, 2006
Die Kommentare sind deaktiviert.