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Zirker, Milly

H.A.M. 0

Milly Zirker (Johannes Bückler)
Journalistin

Geb. 4.1.1888 in Köln/ Deutsches Reich
Gest. 12.4. 1971 in Florida/ USA


Milly ZirkerSie wuchs in einer gutbürgerlichen, konfliktlosen Familie jüdischer Herkunft auf. Sie hatte eine ausgesprochen glückliche Kindheit im Kreise ihrer Geschwister. Gemeinsam mit ihrem Bruder Otto engagierte sie sich schon während der Kriegsjahre sozial und beginnt sich für Politik zu interessieren.


Sie arbeitete in den 1920er Jahren als Redakteurin beim Berliner 8 Uhr Abendblatt. Von besonderer Bedeutung ist ihre journalistische Tätigkeit in der „Weltbühne“. Von 1928 bis 1938 gehörte Milly Zirker zum Kreis der ständigen Weltbühnen-Mitarbeiter sowohl Ossietzkys Weltbühne als dann auch der Neuen Weltbühne aus dem Prager Exil. Sie schrieb in der Weltbühne sowohl unter ihrem Namen als auch unter dem Pseudonym „Johannes Bückler“. 1928 übersetzte sie das Buch Die Flucht aus der Hölle von Albert Londres. Nach ihrer Ankunft in den USA schrieb sie in der Zeitschrift Aufbau, dem Nachrichtenblatt des German-Jewish Club.


Sie war Mitglied des Bundes Neues Vaterland, der sich 1922 in Deutsche Liga für Menschenrechte umbenannte. 1924 gehört Milly zu dem kleinen Kreis von Berliner Intellektuellen, die die Kleinpartei Republikanische Partei Deutschlands gründeten. Sie war Mitglied im Parteivorstand. An der Seite von Hellmut von Gerlach, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky war Milly Zirker in der Nie wieder Krieg-Bewegung aktiv und wird zu den führenden Organisatoren dieser Bewegung gezählt.


Nachdem die Nazis die Regierung übernahmen, emigrierte sie im März 1933 nach Paris, wo sie den Naziopfern soweit sie nur konnte half. Am 2. Juli 1936 wurde Milly Zirker offiziell aus Deutschland ausgebürgert. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt.


In Paris war Zirker gehörte sie zu den bedeutenden Emigranten und war weiterhin als sehr enge Mitarbeiterin von Hellmut von Gerlach tätig. Sie war Sekretärin der Liga der Menschenrechte, der Ligue Française pour la Défense des Droits de l’ Homme. Milly publizierte im Pariser Tageblatt sowie in der Neuen Weltbühne. Sie gehörte „nach dem Ergebnis der vertraulich geführten Ermittlungen“ der Nazis zu den „prominenten Grössen“ des Verbandes deutscher Journalisten im Auslande. Mit Heinrich Mann, Rudolf Breitscheid, Max Braun, Rudolf Leonard, Paul Merker, Walter Ulbricht u.a. engagierte Milly Zirker sich im Ausschuss zur Vorbereitung einer Deutschen Volksfont in Paris. Sie wurde Vorstandsmitglied des Verbandes deutscher Journalisten in der Emigration. 1938 gehörte sie zu den Unterzeichnern des Gründungsaufrufes für das Hilfskomitee ehemaliger Spanienkämpfer. In einer „Aufstellung über Organisationen und Personen, die mit dem Hilfskomitee für die ehem. Deutschen und österreichischen Kämpfer in der spanischen Volksarmee in Verbindung standen“ des faschistischen Reichssicherheitshauptamtes vom 29. September 1941 wird sie in einem Atemzug u.a. mit Albert Einstein, Thomas Mann, Rudolf Breitscheid, Franz Dahlem, Balder Olden, Gustav Regler, Ernst Toller u.a. genannt.


Ihre größte Bedeutung erlangte sie als Aktivistin des engeren Kreises jener Menschen, denen es gelang, dass Carl von Ossietzky den Friedensnobelpreis des Jahres 1935 erhielt. Die Nobelpreiskampagne wurde vor allem aus Paris gesteuert, wohin die meisten der Freunde Ossietzkys nach und nach geflohen waren. Erst durch die verdeckte Arbeit des Freundeskreises Carl von Ossietzky’ war er international bekannt geworden. Organisiert wurde diese Arbeit von einem sehr kleinen Personenkreis drei Frauen – Hedwig Hünicke, Hilde Walter, Milly Zirker – und einem Mann: Konrad Reisner. Diesem Kreis war es erfolgreich gelungen, Carl von Ossietzky international bekannt zu machen. Um diesen Kern gruppierten sich weitere Personen: deutsche Emigranten und verschiedene nicht-deutsche Helfer. Man sammelte Geld und gewann Professoren, Schriftsteller und Politiker rund um den Erdball, so Heinrich und Thomas Mann, Romain Rolland, Ernst Toller, und Albert Einstein. Vom Zentrum Paris aus wurden Außenstellen in London, Prag, New York, Zürich, Brüssel. Genf und Oslo aufgebaut. In Norwegen arbeitete Willy Brandt. Sie repräsentierten gegenüber der internationalen Öffentlichkeit die Ossietzky-Kampagne im eigentlichen Sinne: Sie richteten Appelle an das NS-Regime, in denen sie die Entlassung Carl von Ossietzkys aus der KZ-Haft verlangten oder reichten (richtiger: ließen einreichen) beim norwegischen Nobelpreiskomitee den Vorschlag ein, Ossietzky den Friedensnobelpreis zu verleihen. Als Ossietzky dann den Friedensnobelpreis erhielt, konnte Heinrich Mann vermerken: „Unser erster Sieg“. Hitler tobte. Niemals mehr sollte ein Deutscher einen Nobelpreis annehmen dürfen. Zu diesem Zweck gab es ein eigenes Gesetz.


Zirker organisierte besonders die materielle Hilfe für Ossietzky. In dieser Funktion unternahm sie mehrere illegale Reisen. Beim Transfer von Geldern zur Unterstützung von Ossietzky nach Deutschland spielen auch ihre Brüder Hans und Georg eine wichtige Rolle. Besondere Berühmtheit erlangte eine Denkschrift mit dem Titel „Den Friedens-Nobelpreis in das Konzentrationslager“ Es handelte sich um ein strengvertrauliches Manuskript, dessen „Nachdruck auch teil- oder auszugsweise ausdrücklich verboten“, so die Vorbemerkung der Verfasser. Es war auch nicht als Informationsmaterial für die Presse bestimmt. Dort werden Ossietzkys Persönlichkeit und seine publizistische Tätigkeit umfassend gewürdigt. Dort finden wir Texte von Heinrich Mann, Konrad Heiden, Albert Einstein, Thomas Mann, Romain Rolland und Wickham Steed. Außerdem wird ausführlich beschrieben wie man einen Vorschlag für den Friedensnobelpreis einreichen muss. Dieses streng vertrauliche Dokument haben Milly Zirker und Hilde Walter zusammengestellt.


1940 wurde sie in Gurs (Südfrankreich) interniert. Sie konnte von dort fliehen, hielt sich kurzzeitig in Portugal auf, und emigrierte dann in die USA. Sie lebte dort und in Mexiko und pendelte wohl hin und her. Dort arbeitete sie als Fremdsprachensekretärin (Mexiko 1950) und als Hoteldame. Sie erlangte die amerikanische Staatsbürgerschaft. In Deutschland war sie als 72jährige noch einmal im Sommer 1960.


Autor:

Michael Quetting


Quellen:

Nachlass Milly Zirker Bundesarchiv
Berlin, N 2346

Dokumente des Reichssicherheitshauptamtes;
AZ 8/Pol.V.O.226.; Bundesarchiv Berlin,
R58/3130 Bl. 1-3

Dokumente des Reichssicherheitshauptamtes;
Bundesarchiv Berlin, R58/3 Blatt 95

Dokumente des Reichssicherheitshauptamtes,
AZ II 1 A 2/B.; Bundesarchiv Berlin, R58/ 3329,
Blatt 279

Reichssicherheitshauptamt, Bundesarchiv Berlin,
R58/ 3442 Blatt 1

Findbuch Fédération Internationale des
Ligues pour la défense l’Homme et du Citoyen,
Bundesarchiv Berlin

Nachlass Paul Merker, Bundesarchiv Berlin,
NY 4102

Collection Freundeskreis Carl von Ossietzky,
Period 1933-1936 (1961-1969), Total size  0.8 m,
International Instituut voor Sociale Geschiedenis

Drei Akteneinheiten unter Fonds 656: Nachlass Zirker, Milly (geb. 1888);
Schriftführerin der Vereinigung deutscher
Exiljournalisten, Paris; „Sonderarchiv“ Moskau,
Stand Februar 2005
http://www.sonderarchiv.de/fondverzeichnis.htm (1.12.06)

Meldung „Wie wir hören“ am 10. Januar 1941 in
Aufbau, Fundstelle: A, 10.1.1941» 9 e
http://deposit.ddb.de/cgi-bin/exilframe.pl?bild=0&navigation=0&info=0&wahl=0&zeitung=aufbau&jahrgang=07&ausgabe=02&seite=00330009&ansicht=6

Nachruf in der Zeitschrift Aufbau, 14. Mai 1971

Aufbau, 14.5.1971; Artikel „Milly Zirker“

US-Passport Nr. Z 1197685 vom 30.6. 1970, ausgestellt durch die Botschaft der USA in Mexiko.

Honigseim, Paul: Vorwort in Otto Zirker: Der Gefangene. Neuland der Erziehung in der Strafanstalt, II. Auflage 6.- 10. Tausend, Hamburg 1929


Literatur:

Die Weltbühne, vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918 – 1933, Athenäum Verlag – Königstein/Ts. 1978
Madrasch-Groschopp, Ursula: Die Weltbühne Portrait einer Zeitschrift, Berlin 1983

Trapp, Bergmann, Herre: Carl von Ossietzky und das politische Exil. Die Arbeit des „Freundeskreises Carl von Ossietzky in den Jahren 1933-1936, Hamburg 1988,

Frithjof Trapp (Hamburg): „Freiheit für Ossietzky!“ – Die Nobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky 1933 – 1936. Vortrag dokumentiert unter
http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/LitWiss/MedienWiss/Forsch/Telaviv/Israel.html#_ftn1 (6.1.2007)

Frithjof Trapp: Verdecktes oder offenes Agieren? Strategien und Konflikte der Ossietzky-Kampagne 1933-1936;
http://www.bis.uni-oldenburg.de/publikationen/bisverlag/kracar91/kap17.pdf (6.1.2007)

Christoph Schottes, Dissertation „Die Friedensnobelpreis-Kampagne für Carl von Ossietzky in Schweden“
http://www.bis.uni-oldenburg.de/bisverlag/schfri97/kap1.pdf (26.12.06)

Christoph Schottes: „Dieser Sieg des Rechts wird sich wiederholen“ Die Friedensnobelpreis -Kampagne für Carl von Ossietzky

http://www.uni-oldenburg.de/presse/uni-info/1998/2/forlehr.htm#8 (10.12.06)

Prof. Dr. Irwin Abrams (Antioch University in Yellow Springs/Ohio) im Vortrag „Carl von Ossietzky und der Friedens-Nobelpreis von 1936“ am 39.4.1995 an der Universität Trier

Ann-Katrin Silke Horst: Eine vernachlässigter Aspekt der Berliner Pressegeschichte. Die Journalistinnen der Zeitschrift Die Weltbühne in der Weimarer Republik; wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung eines Magister Artium an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München, September 1998

Karlheinz Pech: An der Seite der Résistance, Berlin/DDR, 1974

Alex Möller: Tatort Politik, München 1982
Elke Suhr: Carl von Ossietzky: eine Biographie, Köln 1988

Ein Bagno-Buch / Albert Londres. [Aus d. Französ. von Milly Zirker, Neuer Deutscher Verlag Berlin 1928, 184 Seiten, der Originaltitel lautet L’ homme, qui s’évarda]. I


Links (deutsch):

http://www.zirker.2-www.de

http://de.wikipedia.org/wiki/Milly_Zirker

http://www.quetting.eu/pageID_4089705.html

http://www.bis.uni-oldenburg.de/mirror/presse/uni-info/ui-9802/forlehr.htm#8

http://hometown.aol.de/michaelquetting/qhp/zirker/milly.htm?f=fs

http://www.bundesarchiv.de/foxpublic/64A981570A062212000000002DF7771D/findmittelinfo.html


International:

http://www.iisg.nl/archives/en/files/f/10771102full.php

http://www.irwinabrams.com/articles/ossietzky.html

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