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Hirschfeld, Kurt

H.A.M. 0

Kurt Hirschfeld
Dramaturg und Regisseur


Geb. 10.3. 1902 in Lehrte
Gest. 8.11. 1964 am Tegernsee


Hirschfelds Name ist untrennbar und in besonderer Weise mit der Geschichte des heute bedeutendsten Sprechtheaters der Schweiz, dem Zürcher Schauspielhaus, verbunden. 1933 folgt der von den Nazis aus dem Amt gejagte Dramaturg am Darmstädter Theater einem Ruf Ferdinand Riesers nach Zürich. Und kümmert sich im Exil direkt darum, auch anderen Intellektuellen die Emigration in die Schweiz zu ermöglichen.

Nicht nur Hirschfelds politisches Engagement, sein geistiger und menschlicher Rückhalt für verfolgte Künstler, sondern auch und vor allem Identität und Richtung des Spielplans machen das – bis 1938 private – Zürcher Schauspielhaus zu einem Ort des Widerstandes gegen die braune Gefahr. Ein Aufklärer in dunklen Zeiten, sieht Hirschfeld es als seine Aufgabe, „das Bild des Menschen in seiner ganzen Mannigfaltigkeit zu wahren und zu zeigen und damit eine Position gegen die zerstörenden Mächte des Faschismus zu schaffen“.


Schon früh entwickelt sich sein unabhängiger Geist; bereits als Schüler liest der Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie „anstatt aufzupassen, unter der Bank Literaturen“. Hirschfelds schulische Leistungen sind durchschnittlich – sein Interesse am Schreiben aber mehr als das: er verfaßt Gedichte und Essays, von denen sogar einige veröffentlicht werden. Nach Abschluß des Realgymnasiums in Hannover studiert er Philosophie, Soziologie, Germanistik und Kunstgeschichte an den Universitäten von Heidelberg, Frankfurt am Main und Göttingen. Grundlage einer umfassenden Bildung und Weitsicht, die seine spätere Arbeit auszeichnen werden.


Nach einem kurzen Zwischenspiel als Feuilletonist beim Berliner Börsenkurier und beim Rundfunk beginnt Hirschfeld seine Karriere als Dramaturg und Regisseur am Hessischen Landestheater in Darmstadt mit einem Regiedebüt von Erich Kästners Leben in dieser Zeit. Es ist, so Hirschfeld später, „eine große Zeit mit bewegten und bewegenden Premieren“. Doch der Künstler soll seine Stellung nicht lange behalten – gleich nach der Machtergreifung Hitlers wird der Jude Hirschfeld 1933 entlassen und kann vorübergehend bei Freunden in Berlin untertauchen. Ein Engagement am Zürcher Schauspielhaus erlaubt ihm schließlich die Flucht in die sichere Schweiz.


In Zürich zieht er mit einer Inszenierung von Ferdinand Bruckners Die Rassen sogleich erneut den Haß der Nationalsozialisten auf sich. Deren Versuch, das Zürcher Schauspielhaus durch personelle Unterminierung nationalsozialistisch gleichzuschalten, scheitert allerdings am Widerstand der Künstler. Unter denjenigen, die der Zürcher Theaterleitung in jenen Tagen nicht nur die Möglichkeit zur Weiterarbeit, sondern wahrscheinlich auch ihr Leben zu verdanken haben, ist Wolfgang Langhoff (zusammen mit Johann Esser Autor des Lagerliedes Die Moorsoldaten). Auf Betreiben Hirschfelds und Leopold Lindtbergs setzt sich Rieser für Langhoffs Entlassung aus dem Konzentrationslager Lichtenburg (wo u.a. auch Ernst Reuter inhaftiert ist) ein.


Das Jahr 1934 markiert den nächsten Einschnitt in der Laufbahn Hirschfelds: nach Differenzen mit Ferdinand Rieser wird er entlassen und geht als Korrespondent für die Neue Zürcher Zeitung nach Moskau, arbeitet als Regieassistent des berühmten Wsewolod Meyerhold, kehrt jedoch nach dessen Verhaftung und Hinrichtung 1938 wieder in die Schweiz zurück.


Hier steht das Zürcher Schauspielhaus mittlerweile fast vor dem Aus: der bisherige Eigentümer Ferdinand Rieser will in die USA emigrieren und bietet das Theater zum Verkauf an. Kurt Hirschfeld und der Verleger Emil Oprecht ergreifen, unterstützt von Stadtpräsident Emil Klöti, die Initiative – und schaffen das scheinbar Unmögliche: die Gründung der Neuen Schauspielhaus AG. Die renommierte Bühne ist gerettet, und entwickelt sich in den kommenden Jahren zum bedeutendsten deutschsprachigen Theater. Hirschfeld wird Chefdramaturg. Der neue Direktor heißt Oskar Wälterlin, nach dessen Tod im Jahre 1961 übernimmt Kurt Hirschfeld die Leitung.


Auch in seiner zweiten Schaffensperiode hat der Widerständige mit den Schweizer Frontisten zu kämpfen, deren aggressive Feindschaft Hirschfeld sich mit der Inszenierung des Stücks Die Rassen zugezogen hat. Doch der Dramaturg setzt die eindeutige politische Haltung, die er seinem Spielplan gibt, unbeirrt fort. „Es galt, einen nüchternen, humanen Stil auszubilden, der die Inhalte der Werke vermittelte und die Diskussion über sie anregen und fördern konnte“, schreibt er später über die Arbeit jener Zeit.


Nach 1945 stehen in Zürich vor allem Aufklärungs-Stücke auf dem Spielplan, darunter zahlreiche Inszenierungen von Bertolt Brecht. Der weltberühmte Dramatiker, Begründer des Epischen Theaters und Kleist-Preisträger des Jahres 1922 darf jedoch nicht selber Regie führen, da ihm die Schweizer Fremdenpolizei die Arbeitserlaubnis verweigert. Daß sein Puntila dann doch 1948 uraufgeführt werden kann, verdankt Brecht nicht zuletzt Kurt Hirschfeld, der zwar auf dem Papier die Regie hat – tatsächlich aber Brecht die Inszenierung seines 1940 im finnischen Exil geschriebenen Volksstück überläßt und dem berühmten Kollegen kurzerhand seinen Namen „ausgeleiht“.

In den 50er Jahren macht das Duo Wälterlin und Hirschfeld dann auch die bis dahin relativ unbekannten Dramatiker Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt einem breiteren Publikum zugänglich. Und konfrontiert es immer wieder mit Werken, die sich mit Schuld und Sühne der nationalsozialistischen Zeit auseinandersetzen, darunter Andorra von Max Frisch.


Auch und vor allem Frisch ist es, der Hirschfeld nicht nur menschlichen Rückhalt gibt, sondern auch geistige Inspiration. Umgekehrt ist es wiederum Hirschfeld, der Max Frisch für die Bühnenarbeit gewinnt und ihn mit Bertolt Brecht zusammenbringt, eine für Frisch wegweisende Begegnung.“Es war in meinem Leben bis dahin der größte Schriftsteller, dem ich persönlich begegnet bin“, so Frisch später über die Zusammenkunft. Unter dem Eindruck Brechts schreibt Frisch seine wohl bekanntesten Stücke Biedermann und die Brandstifter und Andorra. Beide werden am Zürcher Schauspielhaus uraufgeführt und dabei vor allem Andorra, – in der Inszenierung von Kurt Hirschfeld – von der Presse „beängstigend hymnisch gefeiert“.


Autor:

Konrad Vorderobermeier


Literatur: 

Samuel Bächli, u.a.: Dank an Kurt Hirschfeld, Zürich, 1964

Theater – Wahrheit und Wirklichkeit. Festschrift zum 60. Geburtstag von Kurt Hirschfeld, Oprecht Verlag, Zürich, 1962


Links (deutsch):

http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Hirschfeld

http://www.schauspielhaus.ch/www/661.asp

http://www.literaturepochen.at/exil/lecturepage5006_20.html

 

 

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