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Hessel, Stéphane

H.A.M. 0

Stéphane Hessel
Diplomat und Lyriker

Geb. 20.10. 1917 in Berlin

Gest. 27.02. 2013 in Paris/ Frankreich


Als er geboren wird, herrscht immer noch Krieg in Europa und der sogenannte ‚Erzfeind‘ steht auf der anderen Seite des Rheins. Aber der kleine Junge aus Berlin-Tiergarten mit dem so ungewöhnlichen Vornamen, den er der Frankreich-Liebe seines Vaters verdankt, wird statt mit Hasstiraden ‚mit Poesie überhäuft‘, wie Stéphane Hessel sich später erinnern wird.


Sein Vater ist der Übersetzer, Schriftsteller und ‚Flaneur der deutschen Literatur‘ Franz Hessel , seine Mutter die Journalistin Helen Grund (deren spätere ‚ménage à trois‘ in Frankreich zur Vorlage für François Truffauts Kultfilm ‚Jules et Jim werden wird). Das Auswendiglernen von Lyrik, auch außerhalb der Schulzeit, wird Stéphane schon in Kindertagen zur Leidenschaft, mit Edgar Allen Poes Gedicht ‚Helen‘ will er seine gleichnamige Mutter beeindrucken, und La Fontaine rezitiert er in Frankreich, wohin die Familie Mitte der 20er Jahre mit dem drei Jahre älteren Bruder Ulrich übersiedelt. Man  lebt nun im 14. Pariser Arrondissement am linken Seineufer, ganz nah beim Quartier de Montparnasse, und das Künstlermilieu eines Pablo Picasso und Marcel Duchamp gehören sehr bald zum Alltag des heranwachsenden Stéphane. In der französischen Hauptstadt legt er 1933  das Abitur ab – im selben Jahr, in dem in seiner Geburtsstadt Berlin die Nazis triumphierend durchs Brandenburger Tor marschieren. Hessel studiert Philosophie an der ‚École Normale Supérieure‘, wird 1937 französischer Staatsbürger – und muß erleben, wie Europa ein weiteres Mal zum Kriegsschauplatz wird.


Nach dem deutschen Überfall 1940 auf die Benelux-Staaten und Frankreich schließt er sich der Résistance an, geht ins südfranzösische Marseille und arbeitet dort mit  dem ‚Emergency Rescue Committee‘ des US-Amerikaners Varian Fry zusammen, jenem Flüchtlingskomitee, das tausenden Juden und NS-Verfolgten die Rettung ins außereuropäische Exil ermöglicht, nicht zuletzt mit Hilfe von Emigranten wie Hans und Lisa Fittko , die unter Lebensgefahr zahlreiche Flüchtlinge auf Schleichwegen über die Pyrenäen-Grenze nach Spanien bringen.


Auch Stéphane Hessel flieht, gelangt über Portugal nach Großbritannien und  begegnet in London General Charles de Gaulle, dem Kopf der französischen Exilregierung, für die Hessel als Luftwaffenoffizier und mit Geheimdienstauftrag im Frühjahr 1943 nach Frankreich zurückkehrt. Knapp ein Jahr später wird er verraten.  “Als er 1944 von der Gestapo verhaftet wurde, schrieb er die erste Zeile von Shakespeares Sonett Nr. 71 auf einen Zettel, als Botschaft an seine Frau: ‚No longer mourn for me when I am dead‘ (zitiert aus: http://www.tagesspiegel.de/kultur/guete-gewaltiges-land-stephane-hessel-im-berliner-literaturhaus/1965132.html ).


Im Gestapo-Quartier an der Pariser Avenue Foche wird der Widerstandskämpfer fast einen Monat lang verhört, gefoltert und anschliessend ins Konzentrationslager deportiert. “Stéphane Hessel, der nicht als Jude, sondern als politischer Häftling gilt, überlebt nach der Deportation aus Paris das KZ Buchenwald und das Lager Dora im Harz, wo todgeweihte Sklaven unter Tage für Albert Speer und Wernher von Braun die ‚V 2‘, die letzte Wunderwaffe der Nazis, bauen müssen. Wiederum Glück und eine Vernunft, die nur der Wahnsinn gebiert, ließen Hessel der eigenen Exekution entkommen, indem er die Identität eines im letzten und, schlimm zu sagen: rechten Moment an Typhus verstorbenen anderen französischen Häftlings annahm, der statt seiner unter dem Namen Hessel verbrannt wurde…Den Identitätswechsel in den Lagerakten organisierte Eugen Kogon (mit dem Hessel fortan eine lebenslange Freundschaft verbinden wird, Anm.d.Red.), selber Häftling in Buchenwald und 1945 Verfasser des ersten grundlegenden Werks über die Nazigräuel.“ (Hier zitiert aus: http://www.tagesspiegel.de/kultur/poet-des-widerstands/1890358.html ) Aus einem Zug, der ihn kurz vor Kriegsende noch in das bei Celle gelegene Konzentrationslager Bergen-Belsen transportieren soll, kann der damals 28Jährige fliehen und überlebt so auf fast wundersame Weise die Gräuel von  Nationalsozialismus und Holocaust.     


Im Oktober 1945 wird Hessel Vertreter Frankreichs bei den wenige Monate zuvor gegründeten Vereinten Nationen in New York und gehört im Dezember 1948 zu den Mitunterzeichnern der UN-Menschenrechts-Charta. Der Diplomat, dem (aus eigener bitterer Erfahrung mit Unrecht und Folter) zeitlebens Themen wie Demokratie und Menschenrechte besonders am Herzen liegen, bereist in den Folgejahren im Auftrag der UNO und des französischen Aussenministeriums zahlreiche Länder und gehört zu den treibenden Kräften der Entkolonialisierung. Vor allem die Rechte der (im Ablösungsprozess von  Kolonialherrschaft befindlichen) Bürger in den afrikanischen Staaten möchte der an Entwicklungspolitik seit jeher interessierte Hessel nachhaltig verbessern und gründet 1962 in Frankreich die ‚Association de formation des travailleurs africains et malgaches‘ (‚Vereinigung für die Ausbildung von afrikanischen und madagassischen Arbeitnehmern’/ AFTAM).


Auch nach seinem Ausscheiden aus dem offiziellen diplomatischen Dienst macht sich Stéphane Hessel als Berater und Mediator in internationalen Missionen und für diverse Nichtregierungs-Organisationen einen Namen. So bereist der nun bereits über 90Jährige zum wiederholten Mal 2009 den Gaza-Streifen, um die Lebensverhältnisse der palästinensischen Bevölkerung vor dem Hintergrund der israelischen Blockade zu überprüfen.


Stéphane Hessel, Diplomat und Lyriker, Menschenrechtsanwalt, Mitglied der französischen Sektion der UN-Menschenrechtskommission, von Staatspräsident François Mitterand 1982 mit dem Titel ‚Ambassadeur de France‘ geehrt, reich an  Lebensjahren wie an Begegnungen und Freundschaften mit Persönlichkeiten wie Nelson Mandela , Max Ernst und Walter Benjamin , erhält für sein Lebenswerk zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2004 den Nord-Süd-Preis des Europarates (gemeinsam mit der ägyptischen Ärztin und Schriftstellerin Nawal El Saadawi), den UNESCO/ Bilbao-Preis für Menschenrechte 2008, und im darauffolgenden Jahr den Eugen Kogon-Preis der Stadt Königstein sowie den ‚Adam-Mickiewicz-Preis‘ 2009 des Weimarer Dreiecks. 


Werke:

“Tanz mit dem Jahrhundert“, Arche Verlag, 2002 (Memoiren)

“O ma memoire. La poésie, ma nécessité“, Verlag Le Seuil, 2006 (gesammelte Lyrik)

„Citoyen sans frontières. Conversations avec Jean-Michel Helvig“, Verlag Fayard, 2008 (Témoignages pour l’Histoire)


Quellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A9phane_Hessel

http://www.tagesspiegel.de/kultur/poet-des-widerstands/1890358.html

http://www.spiegel.de/panorama/leute/0,1518,623408,00.html

http://www.tagesspiegel.de/kultur/guete-gewaltiges-land-stephane-hessel-im-berliner-literaturhaus/1965132.html


Links (deutsch):

https://portal.d-nb.de/opac.htm?query=Woe%3D120532492&method=simpleSearch

film.gifhttp://www.stiftung-evz.de/themen/allgemeine-erklaerung-der-menschenrechte/video-zeitzeuge-stephane-hessel/

film.gifhttp://www.videoportal.sf.tv/video?id=7E6931CB-739C-4FAA-BDF5-4C17B32D4078&referrer=http%253A%252F%252Fwww.tvprogramm.sf.tv%252Fdetails%252F73eae8a5-a749-4eb8-92f5-dce921574451

http://www.kultura-extra.de/literatur/literatur/rezensionen/rezension_stephane_hessel_o_ma_memoire.php

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15332

volume_up.gifhttp://www.rfi.fr/actude/articles/120/article_2091.asp

http://www.unesco.de/3148.html

http://www.swissinfo.ch/ger/Home/Archiv/Menschenrechtler_sieht_Redefreiheit_in_Gefahr.html?cid=7266442

http://www.buchenwald.de/index.php?pageid=22&articleid=245

http://www.flanieren-in-berlin.de/personen/franzhesselderflaneurganzpersoenlich.html

http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/das-schlechte-vorbild-des-westens/


International:

http://fr.wikipedia.org/wiki/St%C3%A9phane_Hessel

volume_up.gifhttp://passerellesud.org/Stephane-Hessel-la-resistance-vous.html

http://www.coe.int/t/dg4/nscentre/winners_nsp_EN.asp

http://contreinfo.info/article.php3?id_article=2470

film.gifhttp://www.arte.tv/de/content/tv/02__Universes/U1__Comprendre__le__monde/02-Magazines/13__ARTE_20Reportage/07_20Dossiers/2008.12.10-Droits_20de_20l_27homme/Interviews/ART_20Hessel/2334880.htm

film.gifhttp://www.dailymotion.com/video/x8mz1m_stephane-hessel_news

film.gifhttp://www.youtube.com/watch?v=wsquiQ1O17A

http://www.telerama.fr/idees/stephane-hessel-un-homme-engage-j-ai-toujours-ete-du-cote-des-dissidents,29906.php

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