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Bücherverbrennung

H.A.M. 0
„Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“
Heinrich Heine

Zwischen dem 1. April (Wuppertal) und dem 9. Oktober (Rendsburg) 1933 brannten auf deutschen Plätzen die Werke von Pazifisten, Kommunisten, Sozialisten, jüdischen Schriftstellern, Bücher, die von den Nationalsozialisten aufgrund ihres kritischen Inhalts oder der modernen Literaturauffassung ihrer Autoren als „zersetzend“ eingestuft wurden. Verbrannt wurden u.a. Werke von Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Sigmund Freud, Erich Kästner, Heinrich Mann, Erich-Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Stefan Zweig und Heinrich Heine.

 

Mai 1933: Bücherverbrennungen in deutschen Städten

Die öffentlichen Bücherverbrennungen, die vor allem im Mai 1933 stattfanden, waren als umfassende „Säuberungsaktion“ der deutschen Bibliotheken angelegt. Tatsächlich beraubte diese extreme Zensurmaßnahme die Deutschen eines beträchtlichen Teils ihrer Literatur und ihres Geistenslebens – zumindest für die Dauer der Nazi-Dikatur. Nach dem Ende der NS-Herrschaft waren viele der verbrannten und zensierten Dichter, Schriftsteller und Journalisten, aber auch Maler, Musiker, Wissenschaftler und andere Intellektuelle in Vergessenheit geraten, Karrieren zerstört und Lebensläufe unwiderruflich beschädigt. Auf die Bücherverbrennungen folgten bald weitere, beträchtlich schlimmere „Säuberungen“ …Bücherverbrennungen in Deutschland:

Liste der Brandorte


Von langer Hand vorbereitete Propaganda Inszenierungen

Die Bücherverbrennungen 1933 waren keine spontanen Aktionen, sondern von langer Hand vorbereitet und wurden als propagandistische Inszenierungen der neuen Machthaber in Deutschland durchgeführt. Listen missliebiger Schriftsteller wurden erstellt. Propagandaminister Goebbels wetterte gegen „überspitzten jüdischen Intellektualismus“. In ihren „Feuersprüchen“ warfen nationalsozialistische Studenten den Autoren der verbrannten Bücher Dekadenz, politischen Verrat, „volksfremden Journalismus“, „Verhunzung der deutschen Sprache“ und „Gesinnungslumperei“ vor – politische Vokabeln eines totalitären Regimes, das zur Durchset-zung seines Machtanspruchs und seiner Weltanschauung offenbar zu allem bereit war.

Video: Bücherverbrennungen

(Zum Betrachten des Videos benötigen Sie den real player, den Sie hier herunterladen können)


Augenzeuge Erich Kästner

Als vermutlich einziger der verfemten Autoren war Erich Kästner bei der Verbrennung seiner Werke in Berlin anwesend – als anonymer Zuschauer.


Bibliotheken: bevorzugte Opfer von kriegerischen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen

Die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen, im Verein mit nachfolgenden Berufsverboten und Zensurmaßnahmen, waren in ihrem Ausmaß und ihrer Konsequenz einzigartig – aber weder die ersten noch die letzten Maßnahmen ihrer Art. Die größte Schriftsammlung der Antike – die Bibliothek von Alexandria – ging während Cäsars Belagerung 47 v.Chr. in Flammen auf . Wenig später wurden Bücher gezielt Opfer weltanschaulischer Auseinandersetzungen, als Kaiser Diocletian in Konstantinopel die Schriften der Christen verbrennen ließ. In der Neuzeit bedienten sich französische Revolutionäre und britische Truppen in Nordamerika dieses extremen Mittels ihrer Politik und brannten Teile der Bibliothèque Nationale bzw. die Library of Congress nieder. Während des ersten Weltkrieg wurde die Universi-tätsbibliothek von Leuven (Belgien) von deutschen Truppen zerstört. Die Bibliothek des British Museum in London wurde 1941 Opfer deutscher Luftangriffe.


Die bosnische Nationalbibliothek in Sarajevo ging während der serbischen Belagerung in Flammen auf

Ein Fall aus jüngster Zeit: wenige Monate nach Ausbruch des bosnischen Bürgerkriegs wurde die National- und Universitäts-bibliothek von Bosnien und Herzegovina in Sarajevo von serbischen Artilleristen in Brand geschossen. Zwischen eineinhalb und zwei Millionen Bücher und Manuskripte gingen in Flammen auf. Dabei beraubten sich die – jubelnden – Serben selbst eines Teiles ihres literarischen Bestands. Auch in Bosnien folgten den Angriffen auf das geistige Erbe unvorstellbare Verbrechen – die Massaker von Srebrenica und anderen ehemaligen „Schutz-zonen“.

Fotoserie: zerstörte bosnische Nationalbibliothek


Politische Zensur in Südfrankreich: Front National ersetzt kritische durch rechtsextreme Literatur

Auch in Mitteleuropa gibt es heute noch politische Zensur, schlägt sich extremistische Politik auf den Bestand öffentliche Bibliotheken nieder. In ihrem Herrschaftsbereich – u.a. in den Städten Orange und Toulon – ließen Bürgermeister der französischen „front national“ linke, kritische, moderne oder aus anderen Gründen missliebige Werke entfernen, während verstärkt rechtsextreme und rassistische Autoren in die Buchbestände aufgenommen wurden. Jean Marie Le Pen, der Parteichef des „front national“, hat sich gerade mit beträcht-lichem Erfolg um die französische Präsidentschaft beworben…

Die Kandidatur Le Pens bedroht Meinungsfreiheit und demokratische Werte in Frankreich


Liste der Brandorte
zusammengestellt von Wolfram Kastner

Bücherverbrennungen fanden 1933 in folgenden Städten statt:

Bamberg am 1. Juli auf der „Hauptkampfbahn des Volksparks“
Berlin am 10. Mai auf dem Opernplatz (70.000 Beteiligte)
Bonn am 10. Mai auf dem Marktplatz
Braunschweig am 10. Mai auf dem Schlossplatz
Bremen am 10. Mai an der Nordstraße
Breslau am 10. Mai auf dem Schlossplatz Danzig
Darmstadt am 21. Juni auf dem Marcksplatz
Dortmund am 30. Mai auf dem Hansaplatz
Dresden am 7. März an der Neuen Meißner Straße (Volksbuchhandlung)
Dresden am 8. März auf dem Wettiner Platz
Dresden am 10. Mai an der Bismarcksäule
Düsseldorf am 11. April am Planetarium (heute Tonhalle)
Düsseldorf am 11. Mai auf dem Marktplatz
Erlangen am 12. Mai auf dem Schlossplatz
Essen am 21. Juni auf dem Gerlingsplatz
Fechenheim/Frankfurt vor dem Rathaus (Buchhandlung; Z: Walter Schumann)
Flensburg/Exe am 30. Mai
Frankfurt/M. am 10. Mai auf dem Römer (15.000 Beteiligte)
Freiburg im Stadion der Universität (Z: Käthe Vordtriede)
Gießen am 8. Mai „in dem Becken der Fontäne“
Göttingen am 10. Mai auf dem Marktplatz
Greifswald am 10. Mai auf dem Marktplatz
Hamburg am 30. Mai am Lübeckerfeldtor
Hannover am 10. Mai an der Bismarcksäule
Hannoversch-Münden am 10. Mai am Marktplatz
Heidelberg am 17. Mai am Universitätsplatz
Heidelberg am 17. Juni vor der Stadthalle
Heidelberg am 16. Juli am Universitätsplatz
Kaiserslautern am 26. März auf dem Schillerplatz
Karlsruhe am 17. Juni auf dem Marktplatz
Kassel am 19. Mai auf dem Friedrichsplatz (30.000 Beteiligte)
Kiel am 10. Mai auf dem Wilhelmsplatz
Köln am 17. Mai vor der Universität
Königsberg am 10. Mai auf dem Trommelplatz
Leipzig am 2. Mai vor dem Volkshaus und etwas später am kleinen Meßplatz
Lübeck am 26. Mai am Buniamshof
Mannheim am 19. Mai auf dem Messplatz/Feuerwache
München am 10. Mai auf dem Königsplatz (50.000 Beteiligte)
Münster am 10. Mai am Hindenburgplatz
Nürnberg am 10. Mai auf dem Hauptmarkt (Adolf-Hitler-Platz) Passau
Regensburg am 12. Mai auf dem Neupfarrplatz
Rendsburg am 9. Oktober auf dem Paradeplatz
Rostock am 10. Mai auf dem Blücherplatz
Salzburg am 30. April 1938 auf dem Residenzplatz
Schleswig am 23. April am Stadtfeld
Singen, Stuttgart und Tübingen: der Landesführer des NSDStB Württemberg lehnte das Verbrennen von Büchern ab und wurde vom Ministerpräsidenten und Kultusminister Prof. Mergenthaler unterstützt.
Weimar am 21. Juni; in Niedergrunstadt bei der Sonnwendfeier des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes
Worms am 10. Mai vor dem Amtsgericht
Würzburg am 10. Mai auf dem Residenzplatz
Wuppertal am 1. April auf dem Rathausvorplatz in Barrnen und am Brausenwerth in Elberfeld

1938 wurden in vielen Städten und Dörfern Bücher jüdischer Gemeinden verbrannt (z.B. in den fränkischen Ortschaften Hagenbach, Karlstadt und Steinach)1941 gab es im Elsass im Rahmen einer „Entwelschungsaktion“ mehrere Bücherverbren-nungen

In sieben Städten gibt es heute Denkmale mit Texttafeln (Berlin, Bremen, Düsseldorf, Erlangen, Essen, Göttingen und Hamburg). Meist sind sie schwer auffindbar. Alle beschränken fälschlicherweise die Organisatoren und Teilnehmer auf „die Nazis“.


 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


Der Münchener Aktionskünstler Wolfram Kastner erinnert seit mehreren Jahren mit Ausstellungen und Installationen bundesweit an die Bücherverbrennungen der National-sozialisten.

Klicken Sie hier um weiterzulesen


Schriftplatten als Denkmal an die Bücherverbrennung

Am 17. Mai 1933 brannte auch vor der Kölner Universität in der Claudiusstraße der Scheiterhaufen. Viele Autoren, deren Bücher als entartete Kunst ein Raub der Flammen wurden, sind immer noch weitgehend vergessen.

An Autoren wie Erich Kästner, Else Lasker-Schüler, Erika Mann und Bertolt Brecht erinnern die Steinmetzauszubildenden des Berufskollegs Ulrepforte in Köln seit dem Frühjahr 2001.

mehr zu dieser Aktion:
http://www.holocaust-education.de/
projekteinreichen/stories/storyReader$195

http://www.bkulrepforte.kbs-koeln.de/steinmetz/tafeln.htm

http://www.idw-online.de/pages/de/news109428

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