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Bücher/CDs/DVDs

H.A.M. 0

dambitsch.pngDambitsch, David
Im Schatten der Shoah
Gespräche mit Überlebenden und deren Nachkommen

345 Seiten, Kt
ISBN: 978-3-86572-246-1
EUR 29,90

Für das Verständnis der menschlichen Dimension historischer Ereignisse gibt es nichts Wichtigeres als den authentischen Bericht des Zeitzeugen, der seine persönliche Erfahrung öffentlich macht. Für den Holocaust gilt das in mehrfacher Beziehung ganz besonders. Die Einzelheiten des millionenfachen Völkermords sind den Unbeteiligten nicht vorstellbar, das Individuelle ist aus den Akten nicht zu rekonstruieren.
Gespräche „im Schatten der Shoah“, wie sie David Dambitsch als engagierter Rundfunkjournalist über anderthalb Jahrzehnte mit Überlebenden und deren Nachkommen geführt hat, sind Quellen zum Verständnis des Unvorstellbaren. Es sind authentische Zeugnisse von einzigartigem Wert.
(Aus dem Vorwort von Wolfgang Benz)
Interviews mit Simon Wiesenthal, Arno Lustiger, Imre Kertész, Ruth Elias, Liana Millu, Robert M.W. Kempner, Hans Sahl, W.Michael Blumenthal, Tom L.Freudenheim, Hanno Loewy, Daniel J. Goldhagen, Saul Friedländer u.a.
Der Autor:
David Dambitsch, geboren 1959 in Berlin, arbeitete bei der amerikanisch-deutschen Rundfunkanstalt RIAS Berlin bis zu deren Auflösung infolge der Vereinigung Deutschlands. Seitdem schreibt er für das Informationsprogramm Deutschlandfunk im nachgefolgten DeutschlandRadio. Die engagierte und kritische Auseindandersetzung mit dem NS-Regime und dessen Folgen ist zentrales Thema seiner Beiträge. Ein Teil seiner Familie entging nur knapp der Shoah.

Jutta Rosenkranz:

Mascha Kaléko

dtv,
München 2007
ISBN 978-3-423-24591-3

Zum 100. Geburtstag von Mascha Kaléko: Leben und Werk der erfolgreichsten deutschsprachigen Lyrikerin des 20. Jahrhunderts
Mascha Kaléko wurde um 1930 in Berlin bekannt, sie gehörte zur künstlerischen Bohème um Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Werner Finck und andere. Ihre ironischen, witzigen und gefühlvollen Großstadtverse werden geliebt.
„Sie weiß auf alles eine Antwort, Laufmaschen, Halsweh, Eifersucht und billige Cafés – nichts ist ihr fremd. Sie reimt. Und das klug und mit Verstand! Sie ist eine Philosophin der kleinen Leute, vergaloppiert sich nie. Trotz Sentimentalität! Nie ist sie süßlich, verlogen, nein eher herb und sehr gescheit… Ich hätte sie gern gekannt.“ (Anna Rheinsberg)

Václav Havel:

Fassen Sie sich bitte kurz Gedanken und Erinnerungen Zu Fragen von Karel Hvížd’ala

Rowohlt,
Reinbeck 2007
ISBN 978-3-498-02990-6

Václav Havel zieht die politische und zugleich sehr persönliche Bilanz eines Dichters, der vom Dissidenten zum Präsidenten wurde und Weltgeschichte schrieb. „Mir kommt von Zeit zu Zeit mein Schicksal absolut unwahrscheinlich vor. Wie konnte es nur geschehen, dass ich – und gerade ich – mich im Zentrum so wichtiger Ereignisse befand, die das Schicksal vieler Völker und Millionen von Menschen geprägt haben? Warum musste ich, ein Autor absurder Theaterstücke, Hunderte von so absurden Situationen erleben, wie zum Beispiel meinen ersten Besuch im Kreml? Manchmal sage ich mir, dass ich mein Leben wohl nur träume und sehr bald aus all dem erwache…“

Adolf Burger:

Des Teufels Werkstatt

Elisabeth Sandmann Verlag,
München 2007
ISBN 978-3-938045-23-7

Vorlage für den Film „Die Fälscher“

Adolf Burger, geboren 1917 in der Slowakei, berichtet als einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen über den größten Geldfälschungsbetrieb, der sich hinter dem Decknamen „Unternehmen Bernhard“ verbarg.

Burger war einer von insgesamt 144 jüdischen Häftlingen, die im Konzentrationslager Sachsenhausen unter höchster Geheimhaltung vor allem britische Pfundnoten fälschten. Dass er gelernter Drucker war, rettete ihm das Leben.

Jünke, Christoph:

Sozialistisches Strandgut
Leo Kofler – Leben und Werk

VSA,
Hamburg 2007
ISBN: 978-3-89965-197-3

Christoph Jünke schließt eine große Lücke im linken Gedächtnis. Seine politische Biografie des marxistischen Einzelgängers Leo Kofler (1907-1995) bietet erstmals einen umfassenden Überblick zu Leben und Werk des bedeutenden Sozialphilosophen und Gesellschaftstheoretikers.
Er stellt Leben und Werk in den zeitgeschichtlichen Zusammenhang, setzt das Theorieprogramm Koflers mit anderen zeitgenössischen sozialistischen Intellektuellen in Beziehung und arbeitet so die Originalität Koflers heraus, ohne dessen theoriepolitische Schwächen zu verschweigen. Das Buch wird so nicht nur zu einer Geschichte des 20. Jahrhunderts, sondern auch zu einer originellen Einführung in die Geschichte der sozialistischen Linken und ihre politisch-theoretischen Probleme.
„Lieber Leo, Hochschulen und Arbeiterbewegung haben Dich gleichermaßen schlecht behandelt. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich die Öffentlichkeit besinnt, Deine Bücher gebührend anzuerkennen… Du solltest Dich also nicht darüber ärgern, dass alle Welt versucht, Dich vergessen zu machen, sondern eher amüsieren, wie schön an Deinem Beispiel zu sehen ist, dass die Bürokraten der SPD und der Gewerkschaftsbewegung, der SED und der DDR und die Herren ordinierten Professoren so schön parallel reagieren; auf sehr lange Sicht wird ihnen das allen gleichmäßig wenig nützen und es wird einmal eine Zeit kommen, in der sie Dir gebührende Reverenzen in Form eifriger Zitate erweisen. Nur dauert das halt noch ein bis zwei Jahrzehnte.“ (Wolfgang Abendroth, April 1967)

Prager, Katharina:

„Ich bin nicht gone Hollywood“
Salka Viertel – ein Leben in Theater und Film

Braumüller,
Wien 2007
ISBN: 978-3-7003-1592-6

Die Monografie einer großen Persönlichkeit aus Österreich und dem Hollywood der 40er- und 50er-Jahre, deren eigene Memoiren vergriffen sind: Salka Viertel, bürgerlich-jüdische Tochter aus dem österreichisch-ungarischen Galizien, die in den turbulenten ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine Schauspielkarriere in Deutschland und Österreich beginnt.
Salka Viertel ist auch Ehefrau von Berthold Viertel, mit dem sie nach Hollywood geht. Ihr Haus in Santa Monica wird Anlaufstelle für Künstler aus aller Welt wie Eisenstein, Schönberg, Weissmüller, Chaplin, Eisler, Brecht, Reinhardt, Mann oder Feuchtwanger. Vor allem aber ist Salka Viertel als Drehbuchautorin über 20 Jahre lang die wahrscheinlich engste Vertraute der „schönsten Frau der Welt“: Mit Greta Garbo arbeitet Salka an fünf MGM-Filmen. Die Monografie über Salka Viertel zeichnet somit auch ein neues Bild der Garbo – frei vom üblichen „mystery fake“, wie Salka es nannte, und liefert erstmals eine umfassende deutschsprachige Studie zur frühen Geschichte Hollywoods, wie sie mit Ausnahme einiger lexikalischer Werke und weniger aktueller Beiträge zu Wilder oder Lubitsch in der wissenschaftlichen Aufarbeitung bislang fehlte. In einem ausführlich zitierten Briefwechsel des Ehepaares Viertel nach der Rückkehr Berthold Viertels nach Europa spiegelt sich das kulturelle und politische Leben auf zwei Kontinenten in der brisanten Zeit von 1932 bis 1953 wider, wie es in solcher Authentizität nur selten beschrieben wurde.
„Erst das hier vorliegende Buch von Katharina Prager weist Salka Viertel die ihr gebührende Position in der Riege bedeutender fortschrittlicher und freier Frauen des 20. Jahrhunderts zu. Durch gründliche Recherche in Archiven aller wichtigen Stationen der Lebensreise (geboren in Galizien, Schauspielerin in Wien und im Berlin der berühmten Zwanzigerjahre, Ehefrau und Mutter, Drehbuchautorin in Hollywood, schließlich verfolgt und ausgewiesen aus den USA, letzte Jahre in der Schweiz) ist Salka Viertels Leben in allen Details dokumentiert.“ (Wolfgang Glück im Vorwort)

Münter, Gabriele:

Die Jahre mit Kandinsky

Schirmer/ Mosel,
München 2007
ISBN: 9783829602884

Ostern 1901, wenige Monate nach ihrer Rückkehr aus Amerika, wo sie zu fotografieren begonnen hatte, nimmt Gabriele Münter (1877-1962) ihr Kunststudium in München auf. Dort wird sie Anfang des Jahres 1902 Schülerin von Wassily Kandinsky und 1903 seine zunächst heimliche Verlobte. Die Jahre mit Kandinsky sind nicht nur für Münter und ihre künstlerische Entwicklung prägend. Bis zu ihrer Trennung 1916 überschlagen sich die Ereignisse – auch in der Kunstszene, und hier spielen beide eine entscheidende Rolle. In München und im oberbayerischen Murnau, wo sie sich nach vier Jahren ausgedehnten Reisens – Holland, Tunis, Rapallo, Sèvres – niederlassen, finden sie zu einem neuen, expressiven Malstil, der unter dem Namen der 1911 gegründeten Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ Kunstgeschichte schreiben wird. Der Photographie bleibt Münter weiterhin treu: Sie hält die Stationen der Reisen fest, fotografiert Kandinsky – und er sie -, Künstlerfreunde wie Marc, Jawlensky und Marianne von Werefkin, ihr Haus in Murnau, die Ausstellungen des „Blauen Reiter“… Und sie benutzt ihre Photos jetzt häufig als Vorlagen für ihre Zeichnungen, Druckgraphiken und Gemälde. Band 2 des Bestandskatalogs zu Münters photographischem Werk – Band 1 war ihrer Amerikareise 1899-1900 gewidmet – begleitet wieder eine Ausstellung im Lenbachhaus München (10.2.-3.6.2007).

Salamon Dembitzer:

Die Geistigen

Weidle Verlag,
Bonn 2007
ISBN: 978-3-938803-00-4

Einer dieser wunderbaren Berlin-Romane der 20er Jahre, von denen man gar nicht genug lesen kann! Er spielt im kulturellen Herzen der Stadt, teilweise im „Romanischen Café“, das hier „Harmonisches Café“ heißt und in dem es ganz und gar nicht harmonisch zugeht. Geschildert wird der Abstieg einer jungen Frau aus wohlhabender Bremer Familie, die in einem Sanatorium den Schriftsteller und Arzt Abel Driglin kennenlernt und ihm nach Berlin folgt. Dort verstößt sie ihn bald und macht Karriere als Domina eines Feuilletonchefs, den sie jedoch versehentlich zu Tode peitscht. Als sie mit einer Geschlechtskrankheit darniederliegt, sucht sie Hilfe beim zuvor geschmähten und gedemütigten Driglin der aber nimmt unter dem Deckmantel der Fürsorge brutal Rache. Die Eltern wenden sich von ihr ab, und der Weg zum Straßenmädchen ist vorgezeichnet…
Das klingt so spannend, wie es ist, und Die Geistigen ist dazu noch ein satirischer Schlüsselroman: Aus Alfred Döblin wird Abel Driglin, aus Berlin Alexanderplatz „Leipzig – Hauptbahnhof“, und Alfred Kerr hat als Abel Krampf einen Gastauftritt.

Dehli, Martin:

Leben als Konflikt.
Zur Biografie Alexander Mitscherlichs

Wallstein Verlag,
Göttingen 2007
ISBN-10: 3-8353-0063-6
ISBN-13: 978-3-8353-0063-7

Der Arzt, Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Alexander Mitscherlich (1908-1982) hat mit seinen politischen Stellungnahmen und sozialpsychologischen Analysen das intellektuelle Profil der Bundesrepublik maßgeblich geprägt. Werke wie »Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft« oder »Die Unfähigkeit zu trauern« stehen noch heute für wichtige Entwicklungen und Stimmungslagen der westdeutschen Gesellschaft in der Nachkriegszeit.
Anhand von bisher unveröffentlichtem Material entwirft Martin Dehli die Biographie Mitscherlichs vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts: Sie führt von den nationalrevolutionären Zirkeln um Ernst Jünger und Ernst Niekisch im Berlin der frühen dreißiger Jahre über Exil und Gefangenschaft nach Heidelberg und Frankfurt, von wo aus Mitscherlich sein Wirken entfaltete.
Mitscherlich erscheint nicht als Ikone bundesrepublikanischen Selbstverständnisses, sondern in all der Widersprüchlichkeit, die einer Gründerfigur in einer Zeit des Übergangs zu eigen ist: in all dem Facettenreichtum und der Unmittelbarkeit, die Mitscherlichs politischem und wissenschaftlichem Wirken das Gewicht verliehen und so seinen Beitrag zur Modernisierung der deutschen Wissenschaft und Gesellschaft erst möglich gemacht haben.

Weidle, Barbara (Hrsg.):

Kurt Wolff – ein Literat und Gentleman

Weidle Verlag,
Bonn 2007
ISBN: 978-3-938803-01-1

Mit Beiträgen von Rolf Bulang, Christiane Clemm, Klara Drenker-Nagels, Brita Eckert und Sylvia Asmus, Friedrich Forssman, Wolfram Göbel, Bernhard Hartmann, Friedrich Pfäfflin, Ursula Seeber, Klaus Wagenbach und Stefan Weidle, Karl Wagner, Thedel von Wallmoden, Barbara Weidle, Jürgen Wilde, Christian Wolff, Kurt Wolff.
Dieser opulente Band zu Leben und Werk des Verlegers Kurt Wolff (1887 – 1963) begleitet eine Ausstellung, die im Mai 2007 im August Macke Haus, Bonn, eröffnet wird und anschließend in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt und im Literaturhaus Wien zu sehen ist.
Das Buch widmet sich einzelnen Aspekten dieses vielseitigen Lebens, so wird der Briefwechsel Wolffs mit Karl Kraus – für den er einen eigenen Verlag gründete – hier erstmals vollständig publiziert, dazu Auszüge aus Wolffs Tagebüchern und unveröffentlichte Briefe von Künstlern und Autoren. Auch die Jugend Kurt Wolffs in Bonn und sein familiärer Hintergrund werden beleuchtet. Die Zeit im Exil wird gleichfalls dargestellt, ebenso Wolffs Beziehungen zur bildenden Kunst.

Graeve-Ingelmann, Inka (Hg.):

Ellen Auerbach
Das dritte Auge. Leben und Werk

Schirmer/ Mosel,
München 2006
ISBN: 9783829602235

Ellen Auerbach, die 1906 in Karlsruhe geboren wurde und 2004 in New York starb, ist in vielerlei Hinsicht eine paradigmatische Figur: Ihre Bilder sind Ikonen der Avantgarde-Photographie, ihr Lebensstil ließ sie zur Verkörperung der »Neuen Frau« in der Weimarer Republik werden, und ihre Odyssee von Berlin über Palästina und London nach New York spiegelt das Schicksal tausender deutsch-jüdischer Künstler im 20. Jahrhundert. Ellen Auerbach wäre im Mai 2006 hundert Jahre alt geworden. Unsere Monographie, die eine Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne begleitet, folgt den Stationen einer künstlerischen Entwicklung, der die Zeichen der Zeit im Positiven wie im Negativen den Weg wiesen. Im Berlin der 20er Jahre studiert Ellen Auerbach zunächst Bildhauerei, bevor sie sich bei dem Bauhaus-Lehrer Walter Peterhans zur Photographin ausbildet und 1929 ein eigenes Werbe- und Portraitstudio eröffnet: das in Avantgardekreisen bald berühmte Atelier »ringl+pit«. 1933 bricht diese vielversprechende Karriere jäh ab. Die Erfahrungen von Emigration und Exil und die Begegnung mit der amerikanischen Photographie der 40er und 50er Jahre lassen neue, heute weniger bekannte Werke entstehen, darunter auch Farbaufnahmen, Filme, Cartoons und literarische Arbeiten.

Weisinger-Stock, Sandra; Weinzierl, Erika; Kaiser, Konstantin (Hrsg.):

Vom Weggehen.
Zum Exil von Kunst und Wissenschaft

Mandelbaum Verlag,
Wien 2006
ISBN: 978385476-182-2

Mehr als 135.000 Österreiche­rinnen und Österreicher mussten aufgrund politischer beziehungsweise rassistischer Verfolgung unter dem Nationalsozialismus die Erfahrung des Exils machen.
Hier haben sich WissenschaftlerInnen aller Disziplinen mit den Gründen und Folgen einer Rückkehr bzw. Nicht-Rückkehr nach Österreich auseinandergesetzt. Welche Brüche und Verluste haben die Vertriebenen und dieses Land dadurch erlitten? Differenzierte Analysen liefern einen wertvollen Beitrag zur Sozial- und Wissenschaftsgeschichte und illustrieren anschaulich den Verlust an geistigem Potential in Österreich. Eine Aufzählung aus Österreich vertriebener WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen liest sich wie ein who is who aus Forschung, Wissenschaft und Kultur: Viele bedeutende Namen, an denen sich der Wissenstransfer zwischen den Kulturen gut illustrieren lässt.
Wesentlich für die Kultur des Exils ist das Bewusstsein des Zusammenbruchs der ausdifferenzierten Lebenssphären, des Eindringens der politischen Gewalt in die ästhetische Reflexion. Durch ihr Festhalten an vom Nationalsozialismus zerstörten Ansätzen und die Krisenerfahrung denunziert die Kultur des Exils falsche Kontinuitäten und verfehlte Diskontinuitäten.

Erken, Ruth:

Tibetische Familien im indischen Exil

Waxmann, Münster 2006
ISBN 978-3-8309-1636-9

Eine Studie zu traumatischen Erfahrungen durch Flucht und Exilierung
Die Studie beschreibt und analysiert die Hintergründe der schwierigen Situation tibetischer Flüchtlinge im nordindischen Exil. Diese Flüchtlinge sind zweifach traumatisiert, und zwar durch die massive Sinisierung ihrer tibetischen Heimat und durch die gefahrvolle Flucht über den Himalaya. Erhebliche Adaptionsprobleme im nordindischen Exil kommen erschwerend hinzu. Empirische Grundlagen der Studie sind Interviews mit tibetischen Flüchtlingen in Nordindien. Dieses originäre und seltene Material wurde mit Hilfe der qualitativen Sozialforschung untersucht, wodurch tiefgehende Einblicke in die Binnenstruktur der exil-tibetischen Familie und innerpsychischen Vorgänge der Betroffenen ermöglicht werden.

Melissa Müller, Reinhard Piechocki:

Alice Herz-Sommer – „Ein Garten Eden inmitten der Hölle“
Ein Jahrhundertleben

Droemer Knaur, München 2006
ISBN 3-426-27389-6

Vor über hundert Jahren, 1903, wird Alice Herz-Sommer in Prag geboren. Es ist das Prag der Habsburger Monarchie, es ist das Prag von Franz Kafka, Max Brod und Felix Weltsch, die häufige Gäste im Hause Herz sind. Alice empfindet Kafka wie einen großen Bruder, sie geht als Kind mit ihm spazieren und lauscht seinen Geschichten.
Früh entdeckt Alice ihre Liebe zur Musik. Mit sechzehn wird sie jüngstes Mitglied der Meisterklasse an der Deutschen Musikakademie in Prag, und schon wenige Jahre später ist sie eine der bekanntesten Pianistinnen der Stadt.
Doch nach und nach wird die Welt von Alice brüchiger. Schon als Kind ist sie antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, im Ersten Weltkrieg verliert ihr Vater fast sein gesamtes Vermögen, und als 1942 ihre Mutter deportiert wird, ist es für Alice, als sei auch ihr Leben an ein Ende gekommen.
Da fasst sie einen verzweifelten Entschluss: Sie wird die 24 Etüden von Frédéric Chopin einstudieren, die technisch schwierigsten Klavierstücke, die sie kennt und die selbst Artur Rubinstein nie in einem Fluss gespielt hat. Die Musik rettet ihre Seele.

Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Stiftung Haus der Geschichte der BR Deutschland (Hg.):

Heimat und Exil

Suhrkamp Insel, Frankfurt/M. 2006
ISBN 3-633-54222-1

Flucht, Vertreibung und Neuanfang der deutschen Juden nach 1933 sind das Thema einer großen Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin in Kooperation mit dem Haus der Geschichte in Bonn. Erstmals wird der erzwungene Exodus der deutschen Juden in weltweit über hundert Länder in einer Gesamtschau vor Augen geführt. Der reich illustrierte Begleitband ist wie die Ausstellung biographisch ausgerichtet. Dokumentiert werden vielfältige Flucht- und Lebenswege, die von Deutschland aus bis nach Shanghai oder in die Dominikanische Republik führten und, nach 1945, in einzelnen Fällen auch wieder zurück.
Wo konnten die Emigranten unter welchen Bedingungen Zuflucht finden? Wie hat sich ihr Leben in den Zufluchtsländern gestaltet? Unterschiedliche Facetten der Exilerfahrung sowie der emotionalen und geographischen Verortung von „Heimat“ werden in den Blick genommen. Zudem wird in einem gesonderten Teil jedes der über hundert Transit- und Aufnahmeländer aus der Perspektive der Emigranten vorgestellt – dieser historische Atlas eröffnet einen einzigartigen Zugang zu der vor über siebzig Jahren sich begründenden deutsch-jüdischen Diaspora in aller Welt.

Wamser, Ursula; Weinke, Wilfried:

Eine verschwundene Welt – Jüdisches Leben am Grindel

zu Klampen!, 2006
ISBN: 3934920985

Der Grindel war bis 1933 Zentrum des jüdischen Lebens in Hamburg. „Eine verschwundene Welt“ erzählt von den Menschen, der Kultur und dem Leben in diesem Stadtteil Hamburgs.
Spätestens seit dem 13. September 1906, als die monumentale, auf einem freien Platz errichtete Synagoge am Bornplatz eingeweiht wurde, stellte der Grindel das Zentrum jüdischen Lebens in Hamburg dar. Die unmittelbare Nachbarschaft zur traditionsreichen Talmud-Tora-Schule, den Synagogen der selbständigen Kultusverbände, der Vielzahl jüdischer Gemeindeeinrichtungen und den zahlreichen koscheren Läden machten den Grindel zum bevorzugten Wohngebiet für die jüdische Bevölkerung Hamburgs. In diesem Stadtteil wirkte der Rabbiner Joseph Carlebach, hier leitete der Dichter und Pädagoge Jakob Loewenberg die nach ihm benannte Mädchenschule, hier lebten Schriftsteller wie Max Berges, Adolf Goetz, Heinz Liepman oder Justin Steinfeld. Viele namhafte Hamburger nannten den Grindel ihr Zuhause.
„Eine verschwundene Welt“ erzählt vom einstigen jüdischen Leben am Grindel. Bislang unbekannte Biographien und Erinnerungen an das „Zuhause am Grindel“ bereichern die facettenreiche Darstellung des privaten wie religiösen, des schulischen, kulturellen und sozialen Lebens vor der Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten.

Verein Aktives Museum (Hg.):

Vor die Tür gesetzt

Verein Aktives Museum e.V., Berlin 2006
ISBN: 3-00-018931-9

Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder
Anlässlich der erneuten Präsentation der Ausstellung im Berliner Abgeordnetenhaus an der Niederkirchnerstraße ist ein biografisches Handbuch erschienen, das über die Ausstellungsdauer hinaus als Erinnerung an die im Nationalsozialismus verfolgten Berliner Stadtverordneten und Magistratsmitglieder der Weimarer Zeit Bestand haben soll. Die 419 Kurzbiografien, die den Hauptteil des Buches ausmachen, beginnen mit standardisierten Informationen zu den Lebensdaten samt Geburts- und Sterbeort, soweit bekannt. Es folgen Angaben zu den Jahren der Zugehörigkeit zur Berliner Stadtverordnetenversammlung resp. zum Magistrat, zur Parteizugehörigkeit und zum Berliner Wahlkreises, für den die Person in die Stadtverordnetenversammlung gewählt wurde. Dem Fließtext, in dem dann die wesentlichen bekannten Informationen zur Sozialisation, den politischen und parlamentarischen Ämtern und zur Verfolgungsgeschichte der Person und ihrer Familie gegeben werden, ist, wenn möglich, ein Redebeitrag im Stadtparlament oder ein anderes charakteristisches Zitat des oder über den porträtierten Menschen vorangestellt. Einleitend zu dem umfangreichen biografischen Teil enthält das Buch Aufsätze über die Geschichte der Berliner Stadtverordnetenversammlung, über die geografische und soziale Herkunft der Stadtverordneten im „Roten Berlin“ und über deren Verfolgung und Emigration.

Bauchwitz, Kurt:

Heim-Findungen

Weidle, Bonn 2006
ISBN: 3-931135-85-3

Lebensbuch eines Emigranten
Kurt Bauchwitz war ein ungemein vielseitiger Autor: Er glänzte als Essayist, als Lyriker, als Satiriker und als Aphoristiker. 1939 aus Hitler-Deutschland emigriert, führte ihn sein Weg zunächst nach Japan und dann in die USA. Bereits auf der Reise nach Japan entschied er sich für eine Namensänderung und nannte sich von nun an Roy C. Bates. Nach Deutschland kehrte er nicht zurück. Die Erfahrungen aus dem Exil schlugen sich in den schriftstellerischen Arbeiten Bauchwitz‘ nieder, er verwob z.B. Elemente der japanischen Kultur mit Eigenarten der amerikanischen Sprache und Lebensart:
„Die Erwartung eines kräftigen / Monsuns / Wurde
enttäuscht. / Es gab nur einen / kleinen rainfall.“
Trotz schwieriger Lebensumstände verlor Bauchwitz nie seinen originellen Wortwitz. Wortspiele und Sprachexperimente begegnen uns auch in seinen Aphorismen. Als großer Bewunderer Georg Christoph Lichtenbergs formulierte er mit Charme und Scharfsinn, etwa:
„Jedermann ist hohl genug, um in sich selbst ein Echo zu finden.“

Arnbom, Marie-Theres:

War’n Sie schon mal in mich verliebt?

Böhlau, Wien 2006
ISBN 3-205-77550-3

Filmstars, Operettenlieblinge und Kabarettgrößen zwischen Wien und Berlin
Anhand unterschiedlicher Lebensläufe ersteht die Unterhaltungsbranche in Wien und Berlin in der Zwischenkriegszeit wieder – Sänger, Schauspieler, Schriftsteller und Komponisten waren hier wie da beliebt und gefeiert. Sie inspirierten einander zu wunderbaren Werken, zu Schlagern, Texten und Operetten, die immer ein bisschen zweideutig, oft wehmütig, aber immer unterhaltend sind. „War’n Sie schon mal in mich verliebt?“ ist der Titel eines Schlagers von Max Hansen aus dem Jahr 1928, in dem er Hitler als Homosexuellen verspottet. 1933 wurde dieser beliebte und erfolgreiche Star der Operetten- und Kabarettbühnen daher sofort aus Deutschland vertrieben. In der Zwischenkriegszeit blühte das Unterhaltungstheater in Wien und Berlin. Kabaretts, Operettentheater, Revuen boten eine Fülle an mitreißenden Melodien, pointierten Conférencen, zweideutigen Chansons. Verfasst, komponiert und dargeboten von den Stars der damaligen Zeit, die sich zwischen den Metropolen und den einzelnen Metiers souverän bewegten und auf den Brettl-Bühnen wie in den Opern- und Theaterhäusern in Wien und Berlin zu Hause und umjubelt waren. Zu ihnen zählten der Operettensänger, Kabarettist und legendäre Leopold in Benatzkys „Das weiße Rössl“ Max Hansen und der Kabarettist und Filmschauspieler Paul Morgan. Zwei Ereignisse ihrer gemeinsamen Laufbahn haben besondere Bedeutung: 1924 begründeten sie eines der renommiertesten literarischen Kabaretts Berlins, das Kabarett der Komiker, kurz KadeKo genannt. Es etablierte sich in kürzester Zeit zum beliebten Treffpunkt für Publikum und Künstler aus Wien, Berlin und München. 1936 waren Morgan und Hansen bereits aus Berlin vertrieben und fanden sich in Wien noch einmal zusammen für die Uraufführung der Benatzky-Operette „Axel an der Himmelstür“. Der Text stammte von Paul Morgan und Hans Weigel, die Hauptrollen verkörperten Max Hansen und die damals noch unbekannte Zarah Leander.

Erlanger, Simon:

Nur ein Durchgangsland

Chronos, Zürich 2006

Arbeitslager und Internierungsheime für Flüchtlinge und Emigranten in der Schweiz 1940-1949

Der Schweizer Bundesrat beschloss im Oktober 1939 die Internierung von längerfristig in der Schweiz sich aufhaltenden zivilen Flüchtlingen, weil die seit 1933 gesetzlich vorgeschriebene Weiterwanderung – die „Transmigration“ – als Bedingung für die Aufnahme in der Schweiz unmöglich geworden war. Mit der Internierung wollte man verhindern, dass Flüchtlinge und Emigranten sich in der Schweiz beruflich und sozial integrierten und sich auf Dauer niederliessen. Im April 1940 wurde für die Umsetzung des Beschlusses des Bundesrates eigens eine Behörde gegründet: die „Zentralleitung der Arbeitslager“ (ZL). Es war diese der Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) unterstellte Organisation, die das zivile Internierungssystem aufbaute und bis 1949 betrieb.
Das Buch untersucht Errichtung und Betrieb der Lager und Heime – im März 1945 waren es insgesamt 104 mit 12’574 Internierten – und stellt sie in den Zusammenhang der eidgenössischen Überfremdungsabwehr seit dem Ersten Weltkrieg. Aufbau, Arbeitsweise und Ethos der ZL werden rekonstruiert, wobei Arbeitseinsatz, geregelter Tagesablauf und Lagerdisziplin als Instrumente einer Politik der gezielten Umerziehung im Sinne antimodernistischer und ständestaatlicher Vorstellungen dienten. Ziel der Internierung blieb dabei stets die Weiterwanderung, wie sie dann nach 1945 umgesetzt wurde.
Das System der Arbeitslager und Interniertenheime wird aber nicht nur aus der Sicht der Behörden beschrieben. Auch die Sicht der Betroffenen kommt zum Zug. Anhand individueller Zeugnisse wird rekonstruiert, wie die Flüchtlinge und Emigranten ihre Internierung erlebten und wie sie mit dem oft jahrelangen Freiheitsentzug umgingen. Es entsteht ein eindrückliches Bild einer komplexen Lagerwirklichkeit, welches das Spezifische des schweizerischen Lagersystems klar aufzeigt. Als Quellen dienten Aktenbestände der Behörden, der Lagerverwaltungen, der Flüchtlingshilfsorganisationen und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, aber auch Tagebücher und Erinnerungen von Internierten sowie Interviews mit Zeitzeugen.

Wüthrich, Werner:

1948. Brechts Züricher Schicksalsjahr

Chronos, Zürich 2006

Bertolt Brecht, nach all den Strapazen des Fliehens und der Exiljahre wieder zurück in Europa, bekam in seiner kurzen Schweizer Zeit Schwierigkeiten und Probleme zuhauf, die die Brecht-Forschung so bisher noch nicht gekannt hatte. Es ist nicht übertrieben, von mehreren Extremsituationen zu sprechen, in der sich der Exilautor damals befand. Ihm folgten nicht nur im Abstand von wenigen Tagen die „Steckbriefe“ der Geheimdienste, er wurde immer wieder auch mit seinen persönlichen Konflikten konfrontiert; den Schwierigkeiten im Umgang mit Partnerinnen und Mitarbeiterinnen etwa, die Brecht mehr, als ihm lieb war, anzog und die ihn auch in Zürich wieder eingeholt hatten. Die Schauspielerin Valeria Steinmann, die mit ihm in Chur 1948 bei der Uraufführung der Antigone des Sophokles gearbeitet hatte, erinnerte sich an einen Eindruck, den Brecht damals vermittelte: dieser Mensch passte gar nicht in ein Land, das vom Krieg unversehrt geblieben sei, und nicht in die Schweiz von damals, wo alles relativ harmonisch schien: „Ich glaube sogar, Bertolt Brecht hat Spannungen, Schwierigkeiten und Probleme, all dieses, einfach auch schöpferisch gebraucht.“

Omasta, Michael;
Mayr, Brigitte,;
Seeber, Ursula (Hrsg.):

Wolf Suschitzky Photos

Synema, Wien 2006

Die gemeinsam mit SYNEMA – Gesellschaft für Film und Medien erarbeitete Ausstellung „Wolf Suschitzky. Ein Fotograf aus Wien“ ist Mitte September zu Ende gegangen. Die Publikation darüber ist während der Veranstaltungen der Exilbibliothek weiterhin im Literaturhaus und bei SYNEMA erhältlich.

Benjamin,
Walter

„…wie überall hin die Leute verstreut sind…“

Koehler & Amelang, Leipzig 2006, ISBN 3-7338-0346-9

Das Adressbuch des Exils 1933 – 1940

Das Adressbuch aus dem Nachlass Walter Benjamins stammt aus den Jahren um 1936. Schon von seinem Umfang her ist es ein bewegendes „document humaine“ der Vereinsamung im Exil: Nur 80 Namen hat Benjamin hier notiert, unter ihnen Hanns Eisler, Gisèle Freund, Yvan und Claire Goll, Siegfried Kracauer und Kurt Weill. Daneben gibt es Verlage, Hilfsorganisationen sowie Hotels und Pensionen, die zum Alltag jedes Emigranten gehörten. Viele der Adressaten sind bekannt, zu ihnen fanden sich kleine Geschichten, die dieses Buch erzählt.

Doerry,
Martin

„Nirgendwo und überall zu Haus“

DVA, Stuttgart 2006, ISBN 3-421-04207-1

Beeindruckende Menschen, beeindruckende Gespräche, beeindruckende Bilder

In den vergangenen Jahren reiste Martin Doerry, dessen Buch über das Schicksal seiner jüdischen Großmutter Lilli Jahn in 18 Sprachen übersetzt wurde, quer durch Europa und Amerika, um mit Menschen zu sprechen, die der Vernichtung durch die Nationalsozialisten knapp entkommen sind. Sie gehören zu den letzten Repräsentanten einer untergegangenen Welt des europäischen Judentums, und sie legen hier eindrucksvoll Zeugnis ab über ihre Geschichte, ihren Kampf ums Überleben und darüber, was es für sie bedeutet, Jude zu sein. Die SPIEGEL-Fotografin Monika Zucht begleitet die Texte mit ausdrucksstarken Schwarzweiß-Porträts.

Gespräche u.a. mit Imre Kertész, Heinz Berggruen, Ruth Klüger, Anita Lasker-Wallfisch, Arno Lustiger, Alfred Grosser, Peter Gay, Ralph Giordano, Agnes Sassoon, Saul Friedländer und Elie Wiesel

Das dritte Auge.
Leben und
Werk von Ellen Auerbach

Schirmer/Mosel Verlag, 2006
ISBN:3829602235

Ellen Auerbach, die 1906 in Karlsruhe geboren wurde und 2004 in New York starb, ist in vielerlei Hinsicht eine paradigmatische Figur: Ihre Bilder sind Ikonen der Avantgarde-Photographie, ihr Lebensstil ließ sie zur Verkörperung der »Neuen Frau« in der Weimarer Republik werden, und ihre Odyssee von Berlin über Palästina und London nach New York spiegelt das Schicksal tausender deutsch-jüdischer Künstler im 20. Jahrhundert. Ellen Auerbach wäre im Mai 2006 hundert Jahre alt geworden. Unsere Monographie, die eine Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne begleitet, folgt den Stationen einer künstlerischen Entwicklung, der die Zeichen der Zeit im Positiven wie im Negativen den Weg wiesen. Im Berlin der 20er Jahre studiert Ellen Auerbach zunächst Bildhauerei, bevor sie sich bei dem Bauhaus-Lehrer Walter Peterhans zur Photographin ausbildet und 1929 ein eigenes Werbe- und Portraitstudio eröffnet: das in Avantgardekreisen bald berühmte Atelier »ringl+pit«. 1933 bricht diese vielversprechende Karriere jäh ab. Die Erfahrungen von Emigration und Exil und die Begegnung mit der amerikanischen Photographie der 40er und 50er Jahre lassen neue, heute weniger bekannte Werke entstehen, darunter auch Farbaufnahmen, Filme, Cartoons und literarische Arbeiten.

Helmut Braun, Deborah Schultz (Hrsg.):

Der Maler Arnold Daghani

Das von den Daghani-Kennern Helmut Braun und Deborah Schultz herausgegebene Ausstellungsbegleitbuch „Der Maler Arnold Daghani“ soll dazu beitragen, das vielseitige Werk dieses Künstlers und Zeugen der Shoah einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Der Maler Arnold Daghani mußte 1942 bis 1944 für eine deutsche Firma Zwangsarbeit im Straßenbau in der Ukraine verrichten. Seine grauenhaften Erfahrungen dokumentierte er in einem Tagebuch („Lasst mich Leben. Stationen im Leben des Künstlers Arnold Daghani“), das als entscheidendes Dokument in den sechziger und siebziger Jahren in der Bundesrepublik diverse Ermittlungsverfahren gegen Nazi-Verbrecher auslöste. Hinter der aufsehenerregenden historisch-politischen Wirkung des Tagebuchs trat die Bedeutung des malerischen Werks von Arnold Daghani lange Zeit zurück.In einer großen Ausstellung, die, von Zürich ausgehend, in verschiedenen Städten Deutschlands, Österreichs und Rumäniens gezeigt wird, steht nun endlich die Kunst Daghanis im Vordergrund.

Zu Klampen! Verlag,
Springe 2006,
ISBN 3934920551

Pacific Palisades
Wege deutsch-sprachiger Schriftsteller ins kalifornische Exil 1932 – 1941

Exil ist eine exterritoriale, auf die Rückkehr in die Heimat abzielende Daseinsform. Dies unterscheidet die Schriftsteller, die Deutschland aufgrund der politischen Entwicklungen zwischen 1932 und 1941 verlassen, von anderen Auswanderern. In Erwartung einer baldigen Rückkehr lässt sich der Großteil der Autoren zunächst in europäischen Nachbarländern nieder. Doch der Vormarsch der deutschen Truppen in Europa zwingt schon bald zu einer erneuten Flucht. Häufigstes Ziel der Emigranten ist nun Amerika. Pacific Palisades – bedeutender Treffpunkt der deutschsprachigen Autoren an der kalifornischen Küste nördlich von Los Angeles – wird zum »Weimar unter Palmen«. Doch das Paradies hat Schattenseiten.
Dieses Buch spiegelt unter anderem die Entscheidungs- und Ablösungsprozesse, die Erlebnisse der Flucht, der rettenden Überfahrt, der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Auseinandersetzung mit den Geschehnissen in Deutschland in Aufsätzen von Historikern und Germanisten und in Zitaten der Schriftsteller Theodor W. Adorno, Vicki Baum, Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Heinrich und Thomas Mann, Ludwig Marcuse, Walter Mehring und Franz Werfel wider.

Edition DAH, in Zusammenarbeit mit dem Buddenbrookhaus, Lübeck marebuchverlag, Hamburg 2006

ISBN 3-936384-66-5

Virginia Verrienti:

Poesia della nostalgia
Else Lasker-Schüler tra Zurigo e Gerusaslmme

Artemide Edizioni S.r.l., Rom 2005, ISBN 88-7575-008-4

Nell’aprile del 1933, pochi mesi dopo il conferimento del premio Kleist, la „poetessa del popolo ebraico“ Else Lasker-Schiiler, figura di spicco delle avanguardie berlinesi, frequentatrice e ispiratrice con il marito Herwarth Walden della vita culturale del tempo attraverso la prestigiosa rivista espressionista «Der Sturm», si sottraeva con la fuga alla crescente ostilità del regime nazionalsocialista riparando a Zurigo. Da quel momento iniziava per lei la dolorosa esperienza dell’esilio prima in Svizzera e, dal 1939, in Palestina dove si spense nel 1945. La nostalgia per la lontana patria tedesca, la preoccupazione per la situazione generale e le lotte fratricide tra gli abitanti della Terra promessa, così a lungo agognata, mettono a dura prova i suoi sogni di riconciliazione tra ebrei e tedeschi e tra ebrei e arabi che ispirano non soltanto libri come Arthur Aronymus (1932) e La Terra degli Ebrei (1937), ma tutta l’opera dell’autrice delle Ballate ebraiche (1913). Questo volume, oltre a prendere in esame la prosa dell’esilio e il dramma postumo loelo, singolare resa dei conti con il nazismo, segue la vicenda umana della scrittrice attraverso le sue lettere e traccia, nell’ultimo capitolo, un dettagliato percorso tematico fra le liriche di Concerto (1932) e del Pianoforte azzurro (1943).

Virginia Verrienti insegna letteratura tedesca presso la Facoltà di Scienze Umanistiche dell’Università di Roma „La Sapienza“. Si è occupata in particolare di letteratura della prima metà dell’Ottocento e di alcuni autori e momenti del Novecento (espressionismo, letteratura dell’esilio e dell’ebraismo di lingua tedesca).

Für die deutsche Übersetzung des Klappentextes (Autorin: Petra Reategui), klicken Sie bitte hier (PDF-Dokument)

Zygmunt Bauman:

Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne

In seinem neuen Buch blickt Zygmunt Bauman hinter die Kulissen unserer globalisierten Gegenwart.
Ortlose Migranten, Flüchtlinge und für „überflüssig“ gehaltene Menschen – in ihrem Schicksal manifestiert sich die Tatsache, daß die Entwicklung der modernen Gesellschaften eine für das Individuum auch bedrohliche oder zerstörerische Wirkung haben kann.

Zygmunt Bauman zeigt, wie Exklusion mit Moderne und Globalisierung einhergeht und sieht sein Buch als „Einladung, die, vermeintlich allzu vertraute moderne Welt, die wir uns teilen und gemeinsam bewohnen, auf eine neue, und etwas andere Art zu betrachten.“

Professor em. Zygmunt Bauman, Soziologe, Universität Leeds; ist Träger des Amalfi-Preises für Soziologie und wurde 1998 mit dem Theodor W. Adorno-Preis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet

Hamburger Edition
Hamburg 2005
ISBN 3936096570

Inge Hansen-Schaberg u. Ulrike Müller (Hrsg.):

„Ethik der Erinnerung“ in der Praxis. Zur Vermittlung von Verfolgungs- und Exil-erfahrungen.

Sind die obligatorischen Geschichtslektionen und die Rituale des Gedenkens und Mahnens angemessene, zeitgemäße Formen der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und Ausdruck einer mündigen Erinnerungskultur? Bezugnehmend auf Avishai Margalits Abhandlung Ethik der Erinnerung (2000), steht die Untersuchung der Fragen im Mittelpunkt, wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene über die NS-Zeit und das Exil informiert, zur Auseinandersetzung motiviert, zur Toleranz erzogen und für heutige Flüchtlingsschicksale sensibilisiert werden können. Dabei kommt der Beschäftigung mit den Lebensgeschichten der Verfolgten eine besondere Rolle zu. Der Aufsatzband will Impulse zur Entwicklung didaktisch-methodischer Konzepte fur den Umgang mit der NS-Zeit geben. In Zusammenarbeit mit der AG Frauen und Exil in der Gesellschaft für Exilforschung e. V.

Arco Verlag
Wuppertal 2005
ISBN 3-938375-00-0

Sina Hofmann-Ginsburg (Hrg.):

Eine deutsch-jüdische Künstler-familie

Behandelt wird das Ehepaar Fischer / Fischer-Ginsburg und ihre beiden Töchter: Elsa-Bertha Fischer-Ginsburg (1901-1998), Malerin, Schülerin von Ahlers-Hestermann und Hans Hofmann. 1935 erhielt sie als Jüdin Malverbot. Nach dem Krieg zahlreiche Ausstellungen in Deutschland, Israel und Ägypten. Heinrich Fischer (1898-1978), Maler. Studium an der Hans-Hofmann-Schule, wo er seine spätere Frau kennen lernte. Auch während der Nazi-Zeit blieb er mit seiner jüdischen Gattin zusammen. Sina Hofmann-Ginsburg, 1935 geboren, Tochter des Künstlerpaares, Malerin, zahlreiche Ausstellungen. Wera Schröner, geboren 1925, Schwester von Sina Hofmann-Ginsburg, Fotografin und Malerin. Mit Werkverzeichnissen.

Hentrich & Hentrich Verlag
Teetz 2005
ISBN 3-938485-04-3

J. Hellmut Freund:

Vor dem Zitronenbaum
Autobiographische Abschweifungen eines Zurück-gekehrten. Berlin – Montevideo – Frankfurt am Main

Sein unerschöpfliches Wissen, sein erstaunliches Gedächtnis, seine Fähigkeit, im Gespräch große Bögen zu schlagen und überraschende Zusammenhänge herzustellen, wurden gerühmt und bewundert. Doch allen Bitten, seine Erinnerungen aufzuschreiben, hat er widerstanden – fast bis zuletzt. Gespräche bildeten die Grundlage zu diesem Buch. Voller Witz und Charme erzählt Hellmut Freund von Kinder- und Schülerjahren in Berlin, vom bürgerlich-intellektuellen Elternhaus, von frühen literarischen Eindrücken. Die Erfahrungen als einziger jüdischer Schüler in der Klasse, die schwere erste Zeit in der Emigration schildert er ohne Bitterkeit. Dankbar erfüllt beschreibt er die lebensbestimmenden Begegnungen und Freundschaften, die aus seiner journalistischen Arbeit in Montevideo und Buenos Aires erwuchsen. Bis zur Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1960 reicht dieser Bericht. Vierundvierzig Jahre, in denen Hellmut Freund als Lektor das Programm des S.Fischer Verlags mitgestaltet hat, sind mit einer Auswahl der von ihm verfassten Texte zu »seinen« Büchern dokumentiert. Eine Gesprächsaufzeichnung aus dem Jahr 1993 liegt dem Buch als CD bei.

Fischer Verlag
Frankfurt am Main 2005
ISBN 3-10-023303-4

Hans-Juergen Fink, Michael Seufert:

Georg Kreisler gibt es gar nicht.
Die Biographie

Georg Kreisler wird 1922 in Wien in ein jüdisches Elternhaus hineingeboren. Seine Kindheit ist nicht glücklich, und sie wird überschattet von Ausgrenzung und wachsendem Antisemitismus. 1938 gelingt es Kreisler nach dem »Anschluss« Österreichs quasi in letzter Minute mit seinen Eltern in die USA zu fliehen. Dort wird er bald in die US-Army eingezogen. Nach mühseligen Anfängen als Entertainer und Barpianist nimmt seine musikalische Karriere immer mehr Gestalt an. Sie wird über fünf Jahrzehnte dauern. 1955 kehrt Kreisler nach Europa zurück.

Der Biographie liegt eine CD mit sechs englischsprachigen Songs bei: Kreislers verschollen geglaubtes, bislang unveröffentlichtes Schallplattendebüt von 1947.

Scherz Verlag
Frankfurt am Main 2005
ISBN 3-502-15021-4

Jürgen Serke (Herausg.:)

Ich bin in Sehnsucht eingehüllt
von Selma Meerbaum-Eisinger

Vor 25 Jahren gab der Journalist und Exilforscher Jürgen Serke ein Aufsehen erregendes Buch heraus: 57 Gedichte einer damals unbekannten Autorin – Gedichte über eine Liebe, die mehr Traum war als Wirklichkeit, gewidmet einem Freund, der später auf der Flucht nach Palästina ums Leben kam. Das Leben der entfernten Cousine Paul Celans, die schon mit 15 Jahren ihre ersten Gedichte schrieb, schien auf schicksalhafte Weise mit dem der Anne Frank verwandt. Lange waren die Gedichte verschollen, bevor sie 1980 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Seitdem sind sie aus dem deutschen Literaturkanon nicht mehr wegzudenken. Für die Jubiläumsausgabe zeichnet Jürgen Serke die Etappen dieser
literarischen Entdeckung nach.

Verlag Hoffmann & Campe
Hamburg 2005
ISBN 3-455-05171-5

Helmut Braun:

Czernowitz
Die Geschichte einer untergegangenen Kulturmetropole

Steinerne Zeugnisse erinnern heute zwar noch an das »Goldene Zeitalter« der k.u.k. Monarchie, als Czernowitz die pulsierende Hauptstadt des Kronlandes Bukowina war und stolz die östlichste Universität des Westens vorwies. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war die Vielvölkermetropole eine menschenleere Stadt. Die Deutschen hatte man »heim ins Reich« geholt, die Juden ausgerottet, die Polen, Ungarn, Armenier waren während des Krieges geflohen, und die Rumänen gingen, als die UdSSR die nördliche Bukowina annektierte. Das Buch zeigt in vielen Bildern das alte Czernowitz und stellt ihm das heutige Tschernivzy gegenüber. Die Autoren erzählen von der Vergangenheit und Gegenwart der Stadt und beleuchten die besondere Rolle, die die Literatur hier spielte. So ersteht vor dem Auge des Lesers eine untergegangene Kulturmetropole, die es verdient hat, wieder entdeckt zu werden.

Christoph Links Verlag
Berlin 2005
ISBN 3-86153-374-X

Manfred Görtemaker:

Thomas Mann und die Politik

Die Politik ist aus Thomas Manns Leben nicht wegzudenken. Ausgehend von dem scheinbar „unpolitischen“ Thomas Mann vor dem Ersten Weltkrieg ergründet Manfred Görtemaker die wichtigsten Stationen in der Beziehung des Autors zur Politik: seine Zeit als „Vernunftrepublikaner“ in der Weimarer Republik, die frühe Gegnerschaft zum Nazistaat, die Emigrationszeit in der Schweiz und den USA, schließlich seine skeptische Haltung zur „fragilen Republik“ Adenauers, mit der er sich bis zu seinem Tod 1955 nicht anfreunden konnte.

Fischer Verlag
Frankfurt am Main 2005
ISBN 310028710X

Fokus Exil
Aus der Arbeit der Weichmann-Stiftung 2003 / 2004

„Fokus Exil“, der erste Zweijahresbericht zur Arbeit der Weichmann-Stiftung liegt vor. Er bietet Informationen zur Geschichte der Exilforschung, skizziert die inhaltlichen Schwerpunkte der aktuellsten Stiftungs-Tagungen in Prag und Hamburg und stellt geförderte Projekte bzw. Promotionen vor.

© Weichmann-Stiftung 2005

Dittmann, Ulrich und Dollinger, Hans (Hg.):

Oskar Maria Graf

Jahrbuch der
Oskar Maria Graf-Gesellschaft 2005

Oskar Maria Grafs Werk in der Zeit nach 1945 steht im Mittelpunkt des sechsten Bandes der Oskar Maria Graf-Gesellschaft. Erstmals werden hier die »Erinnerungen« an Adam Scharrer veröffentlicht, in denen Graf jenem Kollegen ein Denkmal setzt, der in der »Reise in die Sowjetunion« immer wieder Zielscheibe seines Spotts war.

In einem Aufsatz zu der späten Sammlung von Grafs theoretischen Beiträgen entwickelt Pierre Kodjio Nenguié aus fremdkultureller Sicht bemerkenswerte Perspektiven. Grafs Erzählkunst wird in den Interpretationen zu »Eroberung der Welt« von Walter von Reinhart und zu »Unruhe um einen Friedfertigen« von Ulrich Dittmann diskutiert.

Eine Zusammenfassung der Korrespondenz Grafs mit seinem »Münchner Brückenkopf« aus der Nachkriegszeit schließt das Jahrbuch ab.

Buch & Media
München 2005
ISBN 3-86520-083-4

Ernst Bloch:
Das Abenteuer der Treue

Briefe an Karola 1928-1949
Herausgegeben von Anna Czajka

Suhrkamp Verlag,
Frankfurt am Main, 2005,
ISBN 3-518-41673-1

„Wir wollen dort nicht einsam sein, wo wir endlich leben“, heißt es in Geist der Utopie. Ernst Bloch vertritt die Idee einer vom eigenen Schaffen untrennbaren Liebe. Für ihn nimmt sie Gestalt an, als er 1927 die zwanzig Jahre jüngere Karola Piotrkowska kennenlernt, und er gibt dieser Liebe in seinen Briefen leidenschaftlich Ausdruck, weit über das Private hinaus: »Wir gehörten zu uns; zu Dir gehörte ich; zu Dir mit meinem Werk, das ich zu tun habe«, lautet seine Erinnerung an eine frühe Begegnung mit seiner künftigen Frau; die beiden heiraten 1934 und leben bis zu Blochs Tod zusammen.
So werden die Briefe aus der Zeit des »zu bestehenden Abenteuers der Treue, das Ehe heißt« zu einem Weg durch Blochs Denken wie durch die Zeitgeschichte: Er berichtet vom Zerfall der Weimarer Republik und ihrem kulturellen Milieu, von seiner Haltung zu Benjamin, Brecht oder Lukács, von den Zukunftsplänen im Exil und von einer Sehnsucht, die stets auf das Ganze zielt.
Das Innenministerium der DDR beschlagnahmte die persönliche Habe von Ernst und Karola Bloch, als beide nach dem Bau der Mauer im August 1961 in der Bundesrepublik blieben. 1986 erhielt Karola Bloch ein umfangreiches Konvolut zurück, darunter die 82 nun edierten Briefe.

Die Herausgeberin, Anna Czajka, geboren in Polen, arbeitete am Institut für Philosophie und Soziologie der polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. Gegenwärtig lehrt sie Philosophie der Kultur an der Universität Parma.

Mihail Sebastian:

Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt – Tagebücher 1935-44

Aus dem Rumänischen von Edward Kanterian und Roland Erb OT: Jurnal 1935–1944

Es war eine literarische Sensation, als Mihail Sebastians Tagebücher 1935 – 44 Mitte der 90er Jahre in Rumänien und bald darauf in Frankreich, England und den USA erschienen. Das lang vergessene Hauptwerk des rumänischen Dichters ist ein einzigartiges, aufwühlendes Zeugnis der Menschlichkeit, das, den Tagebüchern Victor Klemperers gleich, das Leben in der Verfolgung und unter wachsender Todesgefahr dokumentiert.

In seinem Selbstportrait „Die Rückkehr des Hooligan“ hat der Schriftsteller Norman Manea Sebastian ein literarisches Denkmal gesetzt

Claassen-Verlag
Berlin 2005
ISBN 3-546-00361-6

Sarah Kirsch:

Sämtliche Gedichte

Sarah Kirsch zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Dichterinnen des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts.

Seit sie in den sechziger Jahren mit Gedichten hervorgetreten ist, gilt ihr die Aufmerksamkeit von Lesern und Kritik. Marcel Reich-Ranicki etwa pries sie als der „Droste jüngere Schwester“.
Diese schön gestaltete und preiswerte Ausgabe „Sämtlicher Gedichte“ lädt zum Wiederlesen und zur Neuentdeckung ein: Vom gefeierten „Sarah-Sound“ (Peter Hacks) der frühen Lyrik bis hin zu den jüngsten „Zeitansagen aus dem Norden, wunderbaren Meditationen über Dauer und Vergehen“ (NZZ).
In Sarah Kirschs Lyrik ereignet sich etwas heute so Rares und Kostbares: Es spricht eine Dichterin, keine Angestellte des deutschen Literaturbetriebs. Ein Glückwunsch an die Leser!

DVA
München 2005
ISBN: 3-421-05865-2

Walter Grünzweig / Ursula Seeber (Hg.):

Fred Wander – Leben und Werk

Weidle Verlag, Bonn 2005
ISBN 3-931135-88-8

Fred Wander wurde 1917 in Wien geboren. Nach dem »Anschluß« 1938 mußte er fliehen und tauchte in Frankreich unter. Er wurde gefaßt und über Drancy nach Auschwitz deportiert, später nach Groß-Rosen und schließlich Buchenwald, wo er im April 1945 befreit wurde.

Bis 1956 lebte er in Wien, dann übersiedelte er in die DDR. Seit 1984 lebt er wieder in Wien. Heute zählt Fred Wander zu den eindrucksvollsten Autoren, die Nachkriegsösterreich hervorgebracht hat. Die literarischen Reflexionen des Holocaust-Überlebenden beziehen sich auf die persönliche und kollektiv Vergangenheit, die immer wieder in die Gegenwart einbricht. Seine Texte kommentieren die Entwicklungen der Nachkriegszeit durch die Optik des Lagerinsassen und fordern nachgeborene Leser heraus:

Kann denn einer, der bei den Toten war, ein ›Wiedergänger‹, kann so einer überhaupt noch mit normalen Menschen reden, ohne mißverstanden zu werden?

Mit Aufsätzen von Eberhard Görner, Walter Grünzweig, Wulf Kirsten, Sibylle Klemm, Gerhard Kofler, Hannes Krauss, Maria Kublitz-Kramer, Karl Müller, Klemens Renoldner, Julia Sattler, Christine Schmidjell, Wolfgang Trampe und Christa Wolf sowie einem Gespräch mit dem Autor und der ersten Bibliographie

Fred Wander:

Der siebente Brunnen

Wallstein-Verlag Göttingen 2005, ISBN 3-89244-837-x

Die Wiederentdeckung eines Buches, das als eines der ersten in ganz neuer Weise über den Holocaust sprach.

Vor kaum mehr als zehn Jahren haben Bücher von Georges-Arthur Goldschmidt, Ruth Klüger, Louis Begley und Imre Kertész neue Formen des Sprechens über den Holocaust gefunden und damit die Frage des »Weiterlebens« mit der Erinnerung auf eindringliche Weise an den Leser übermittelt. »Der siebente Brunnen« ist zwanzig Jahre älter und gehört doch genau zu diesen Büchern.
»Wie soll man Geschichten erzählen, die fast alle mit Tod, mit Mord, mit Erschießen, Erschlagen, Verhungern, Erfrieren, mit Gaskammer und Galgen enden? Geschichten, die nicht erfunden sind, an denen der Autor nichts erfinden darf. Anti-Geschichten also, denn die sie in Szene setzten, hatten es auf das Ende der Geschichte und aller Geschichten angelegt. Wie das erzählen, ohne davon erdrückt zu werden oder unzulässigerweise zu beschwichtigen?
Wander hat das Problem des Erzählens, des Redens unter solchen Umständen überhaupt zum Motiv seines Buches gemacht. Vom ersten Kapitel an denkt er über die Voraussetzungen menschlicher Sprache, des einander Zu-Sprechens und Miteinanderredens nach …Wenigstens einige aus diesem Heer der Anonymität entreißen, in der man sie umkommen lassen wollte. Wenigstens einige Namen aufrufen, einige Stimmen wiedererwecken, einige Gesichter aus der Erinnerung nachzeichnen … Er schildert sie, unterschiedlich, wie sie sind, Starke und Schwache, sich Auflehnende und Passive, Fromme und Ungläubige, Stolze und Demütige, Junge und Alte, Juden aus Europa und Franzosen, Russen, Ukrainer … Alles zur Einheit gebracht durch die immer anwesende Person des Erzählers, der den Leser an seinem einmaligen, persönlichen Versuch, sich der wichtigsten Erfahrung seines Lebens zu stellen, teilnehmen läßt. Davon eben geht die Wirkung des Buches aus.« (Christa Wolf, 1972)

Sven Hanuschek:

Elias Canetti
Biographie

Carl-Hanser-Verlag, München 2005
ISBN 3-446-20584-5

Die erste Biographie des Nobelpreisträgers Elias Canetti. Sven Hanuschek konnte als einer der ersten den Nachlass Canettis einsehen und Freunde und Weggefährten befragen.

Und so erzählt er das Leben eines Menschen voller Leidenschaft und Energie, der trotz aller Begabung, Beziehungen zu knüpfen, immer ein Einzelgänger blieb. Er erzählt von einem Dichter, dessen Werk quer steht zu den großen Strömungen der Literatur des 20. Jahrhunderts, und er erzählt von einem exemplarischen Schicksal jüdischer Emigration, das vom kleinen bulgarischen Rustschuk nach Wien, Berlin, London und Zürich führte.

Pressestimmen:
„Sven Hanuschek hat erste, große Schritte auf die terra incognita dieses Lebenswerks gemacht, das zu seinen größten Teilen noch unerforscht ist.“

Richard Kämmerlings, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.2005

Radjo Monk:

Blende 89

Blende 89 ist ein poetisches und politisches „Tagebuch“. Es beginnt am dritten Oktober 1989 und endet ein Jahr später. Der junge, hochbegabte, aber ausgegrenzte Autor Christian Heckel wird im Oktober ´89 von der vorrevolutionären Stimmung in Leipzig erfasst.

Er fühlt den Puls der Zeit, die nach jahrzehntelang verordnetem Stillstand zu rasen beginnt. Er findet sich auf der Straße wieder, mitten im aufziehenden revolutionären Herbststurm. Die allgemeine Stagnation beginnt langsam aufzubrechen. Das Volk entledigt sich seines Maulkorbs. Die letzte Option des sterbenden Staates, die der nackten Gewalt, weicht dem befreienden Glücksgefühl. Blende 89 ist weit mehr als die Chronik eines Glücksfalles der Geschichte. Es ist das einmalige Notat eines autonomen Geistes in der untergehenden DDR-Diktatur.

Edition Büchergilde
Frankfurt am Main, Wien und Zürich 2005
ISBN 3-936428-46-8

Edeltraud Eckert:

Jahr ohne Frühling

Ein halbes Jahr nach Gründung der DDR wird die 20-jährige Dichterin Edeltraud Eckert im Mai 1950 in Potsdam verhaftet und wegen des Besitzes von Flugblättern mit dem knappen Wortlaut „Für Freiheit und Demokratie“ zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt.

In der Strafvollzugsanstalt Waldheim erhält sie wegen guter Arbeitsleistung einmalig die Möglichkeit, ein Oktavheft für eigene Gedichte zu nutzen. Es entsteht ein berührender Zyklus von 101 Gedichten, der ihre Haftzeit zwischen Auflehnung und Angst, Resignation und Hoffnung beschreibt. Auch die Briefe, die sie einmal im Monat zensiert an ihre Eltern schreiben durfte, erzählen von ihren Jahren als politische Gefangene in ostdeutschen Gefängnissen. Im Frauenzuchthaus Hoheneck kommt es im Januar 1955 zu einem dramatischen Arbeitsunfall, an dessen Folgen Edeltraud Eckert mit 25 Jahren im Haftkrankenhaus Leipzig/Meusdorf stirbt.

Edition Büchergilde
2005 Frankfurt am Main, Wien und Zürich 2005
ISBN 3-936428-43-3

Ulrich Liebe:

Verehrt – Verfolgt – Vergessen
Schauspieler als Naziopfer

Beltz Verlag, Weinheim und Basel 2005,
ISBN 3-407-22168-1

Sie verschwanden, oft über Nacht, kamen am nächsten Tag nicht mehr zur Probe oder ins Atelier. Hat sie jemand vermisst, nach ihnen gefragt, sich für sie eingesetzt? Wie konnte es geschehen, dass man sie zuerst nicht mehr spielen und schließlich nicht mehr leben ließ? Sehr bekannte Gesichter, teilweise populäre Stars. Ausgemerzte Kultur.

Der erste Biographienband über Schauspieler, die im »Dritten Reich« ums Leben gebracht wurden. Aufrüttelnd beschrieben, einzigartig dokumentiert, reich bebildert. Ein bewegendes Kapitel unserer jüngeren Kulturgeschichte, in dieser Ausgabe das erste Mal mit den Originalstimmen einiger Protagonisten des Buches auf der beiliegenden Audio-CD.

„Ulrich Liebe ist mit seiner einmaligen Dokumentation einer zum Tode verurteilten Kultur etwas Wunderbares gelungen: Er hat die Kunst jener Menschen, von denen nichts bleiben sollte, wieder zum Leben erweckt.“ Hamburger Abendblatt

„Zahlreiche Dokumente und Aussagen von Zeitzeugen belegen detailliert, wie Paul Morgan, Joachim Gottschalk, Kurt Gerron und andere Geächtete wurden: Künstler, die sich mit dem Hitler-Staat nicht arrangieren konnten oder wollten.“ Der Spiegel

„Hier schreibt einer, den die Geschichte verletzt hat und der die »Gnade der späten Geburt« nicht als Entschuldigung benutzt. Sie ist ihm Verpflichtung anzuschreiben gegen das Verdrängen, gegen das neue Unrecht, da in Deutschland wieder »deutschgetümelt«, mitunter sogar gehetzt und geschlagen wird.“ Süddeutsche Zeitung

»… eine nie erzählte Geschichte …« (Ignatz Bubis)
»Das war überfällig.« (Jürgen Flimm)
»Gut, dass Sie das machen.« (George Tabori)

Jürgen Neffe:

Einstein
Eine Biographie

Dieses Buch erzählt die Geschichte eines genialen Wissenschaftlers – und schildert zugleich eine ganze Epoche. Beschrieben wird das Leben und Wirken eines Mannes, der unser aller Weltbild revolutionierte. Und gefragt wird nach dem Menschen Einstein, der durch sein unkonventionelles Äußeres die Menschen stets besonders faszinierte. Was verbirgt sich hinter dem Mythos Einstein, und welche Bedeutung haben seine Forschungen für unsere heutige Zeit?

Rowohlt Verlag,
Reinbek, 2005,
ISBN: 3-498-04685-3

Weitere Informationen zum Einsteinjahr 2005 finden Sie unter http://www.einsteinjahr.de

Albert Einstein und Siegmund Freud:

Warum Krieg?
Ein Briefwechsel
Mit einem Essay von Isaac Asimov

„Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Weltkrieg verbraucht, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgas verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern. Wir müssen uns stellen, für die Sache des Friedens die gleichen Opfer zu bringen, die wir widerstandslos für die Sache des Krieges gebracht haben. Was gibt nichts das mir wichtiger ist.“

Albert Einstein

Diogenes Verlag, Zürich 2005

Peter Crane:

Wir leben nun mal auf einem Vulkan

Weidle Verlag Bonn, 2004, ISBN 3-931135-81-0

Am 30. Oktober 1933 verläßt die 15jährige Sibylle Ortmann Berlin und reist allein nach London: Dies ist der Beginn des Auseinanderbrechens einer jüdischen Familie.

Sibylles Großvater war Raphael Löwenfeld, Tolstois Biograph und Übersetzer, der das Schiller-Theater gegründet hatte. Ihre Mutter, Eva Ortmann, ist Sängerin in Berlin und mit dem jüdischen Opernsänger Fritz Lechner befreundet, mit dem gemeinsam sie in die USA emigrieren und den sie dort heiraten wird. Es beginnt ein weltumspannender Briefwechsel, der ein ganzes Panorama des Exils ausbreitet: Teile der Familie gehen nach Kapstadt, andere nach Paris; Sibylles Freundin Lili Faktor, Tochter des Journalisten Emil Faktor, in die Tschechoslowakei, ebenso ein Bruder Eva Ortmanns, Heinrich Löwenfeld. Der einzige Kontakt sind die Briefe, die in diesem Band versammelt sind. Sie zeigen, wie unterschiedlich die Situationen in den einzelnen Ländern waren und wie schwer es war, sich ihnen anzupassen. Sibylle Ortmann emigriert schließlich in die USA und setzt dort alles daran, ihre Schulkameradinnen aus Europa herauszubekommen. Tag und Nacht kämpft sie um Affidavits und Genehmigungen. Ein stiller, aufopferungsvoller Kampf, durch den sie schließlich Lili Faktor das Leben retten kann. Die Briefe dokumentieren, welche immensen Hürden europäische Juden bei ihrer Emigration zu überwinden hatten

Richard Dove:

‚Fremd ist die Stadt und leer…‘

Parthas Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-932529-59-6

Unter den 70.000 Flüchtlingen, die in Großbritannien vor dem Naziterror Zuflucht suchten, waren bedeutende Repräsentanten der deutschsprachigen Literatur: der international anerkannte und erfolgreiche Schriftsteller Stefan Zweig, der berühmte Berliner Theaterkritiker und Essayist Alfred Kerr, der Dichter und Schriftsteller Max Herrmann-Neiße, der radikal pazifistische Journalist und Romancier Karl Otten und der Wiener Romanschriftsteller und literarische Parodist Robert Neumann.

Richard Dove, Professor für deutsche Literatur in London, hat zum Nachzeichnen ihrer schwierigen, dramatischen und auch tragischen Lebensläufe ein intensives Quellenstudium betrieben und zahlreiche bisher unveröffentlichte oder unbekannte Dokumente, Tagebücher, Briefe u.a.m. herangezogen. So sind eindringliche Bilder vom Überlebenskampf dieser fünf Exilschriftsteller entstanden, von ihrem Bemühen, in der britischen Gesellschaft Fuß zu fassen und als Autoren Brot und Anerkennung zu verdienen.
Wie die fünf Autoren im Exil überlebten – oder daran zerbrachen, was sie schrieben, wie sie sich am Kampf gegen Hitlerdeutschland beteiligten und wie sie auch nach Kriegsende dem Exil nicht wirklich entkamen wurde zu einer materialreichen und einfühlsamen »kollektiven Biographie« verwoben, die man mit Spannung liest und nicht ohne Erschütterung aus der Hand legt.

jour fixe initiative Berlin (Hg.):

Fluchtlinien des Exils

Unrast Verlag, Münster, 2004,
ISBN 3-89771-431-0

Politische Reflexionen über Flucht, Migration, Exil
Das Exil ist ein Ort, der sich auf keiner Landkarte findet. Flüchtlinge durchkreuzen politische Grenzen und symbolische Ordnungen. Ihre Wege verbinden Orte unterschiedlichster sozialer, ökonomischer und kultureller Verhältnisse, deren Hierarchien sie auf der Flucht von einem zum anderen Land besonders drastisch erfahren. Als Fluchtpunkt dieser Erfahrungen wird das Exil zu einem möglichen Ort der Erkenntnis jener Hierarchien, zugleich bleiben die politische Marginalisierung und Rechtlosigkeit mit ihren zerstörerischen Konsequenzen für Leben und Psyche der Flüchtlinge bestehen. Lassen sich in dieser Konstellation Fluchtlinien für eine solidarische Politik des Exils finden?
Um das Verhältnis zwischen dem Exil als Erkenntnisort und als Deprivationserfahrung zu begreifen, analysieren die Beiträge des vorliegenden Bandes politische Realitäten ebenso wie philosophische Denkfiguren, historische Beispiele und literarische Zeugnisse des Exils. Sie machen sich dabei auf die Suche nach Momenten, in denen sich staatskritische Fluchtlinien einer solidarischen Politik des Exils abzeichnen könnten.

Hans Bergemann, Simone Ladwig-Winters:

Richter und Staatsanwälte jüdischer Herkunft in Preußen im Nationalsozialismus

Aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (BBG) wurden im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1935 rund 840 jüdische Justizbeamte mit einem Berufsverbot belegt oder zur Aufgabe ihres Berufs gedrängt.

Die Studie präsentiert die Ergebnisse einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Untersuchung zur Ermittlung der vom Berufsverbot betroffenen Justizbeamten. Der Bericht beschreibt zunächst die Mechanismen der beruflichen Ausgrenzung und dokumentiert das Schicksal der Juristen in und nach der NS-Zeit. Kernstück der Studie ist ein alphabetisches Verzeichnis von 536 Kurzbiographien der Richter und Staatsanwälte in Preußen, die wegen ihrer jüdischen Herkunft ausgegrenzt und verfolgt wurden.

Autoreninfo
Bearbeitet von Dr. Simone Ladwig-Winters und Hans Bergmann

Bundesanzeiger Verlag, Köln 2004
ISBN 3-89817-352-6

Salman Rushdie:

Überschreiten Sie diese Grenze!
Schriften 1992 – 2002

Rowohlt Verlag,
Reinbeck 2004, ISBN 3498057731

Aus dem Englischen von Gisela Stege, Barbara Heller und Rudolf Hermstein

Rushdies Schriften aus einem bewegten Jahrzehnt. Zu literarischen Essays fügen sich Texte über politische und gesellschaftliche Themen, namentlich zur Globalisierung und zum jüngsten Kräftemessen zwischen islamischer und westlicher Welt. Das Herzstück bildet „Werte der Menschheit“, eine Auseinandersetzung mit dem 11. September und seinen Folgen, das politische Credo von Rushdies Schaffen. Sein Einsatz für die Freiheit, für die Freiheit der Meinungsäußerung und der Kunst, ist zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer für das Miteinander der Menschen und Kulturen

„Salman Rushdie ist auf dem Weg zur „Ecoisierung“, diagnostiziert Friedhelm Rathjen, schränkt aber sogleich ein, dass er anders als sein italienischer Kollege Umberto Eco zwar mittlerweile genauso virtuos über beinahe alles unter dem Himmel unterhaltsam schreiben könne, doch dabei nie die Ernsthaftigkeit seines Anliegens verrate. „Vor allem aber“, schreibt Rathjen, „ist Rushdie nie unverbindlich, sondern bezieht dezidiert Stellung und engagiert sich pro und kontra – was mitunter nervig ist, aber allemal ein Gewinn“. Beispiel Religion, Macht und Moral: Religiöse Eiferei, so Rushdie, hat mit Macht zu tun, nicht mit Moral. Und umgekehrt müsse man Moral mit Macht durchsetzen. Und: den „Unglauben“ und damit „Verstand statt Dogma wählen“. Rushdie äußert sich also klar und politisch, dennoch ist der Rezensent ein wenig enttäuscht, dass er sich viel weniger als früher für Literatur zu interessieren scheint, und dass die allermeisten der neunzig Texte Gelegenheitsarbeiten und damit zu sehr an einen Zweck gebunden sind, um weiter reichend zu wirken. Fazit: eine Sammlung für Fans.“

Friedhelm, Rathjen, Frankfurter Rundschau, 16.02.2005:

Alfred Andersch:

Gesammelte Werke, 10 Bände. Hrsg. von Dieter Lamping.

Diogenes Verlag, Zürich 2004, ISBN 3 257 06360 1

Diese „erstmals textkritisch durchgesehene und kommentierte Ausgabe enthält alle Bücher, die Andersch veröffentlichte (sie erschienen 1979 in einer 15-bändigen Taschenbuch-Ausgabe), dazu Texte aus dem Nachlass. Neben den ersten drei Bänden -mit den vier Romanen Sansibar, Die Rote, Efraim und Winterspelt – sowie weiteren Bänden mit Erzählungen, Autobiographischen Berichten, Gedichten und Hörspielen, sind in den Bänden acht bis zehn sämtliche Essayistischen Schriften zugänglich. In chronologischer Reihenfolge vereinigen sie erstmals alle Reiseberichte, Schriften zur Literatur, Kunst und Politik sowie Buchrezensionen. Diese Essays zeigen die enorme Bandbreite dieses Autors, und sie bieten ebenso wie die Prosabände ein Leseabenteuer: in der Tat die Entwicklungsgeschichte eines Autors und Intellektuellen, der die deutschen Katastrophen des 20. Jahrhunderts durchmessen hat.“

Stephan Reinhardt, Frankfurter Rundschau, 16.02.2005

Fred Breinersdorfer:

Sophie Scholl
Die letzten Tage

Februar 1943: Bei einer Flugblatt-Aktion gegen die Nazi-Diktatur wird die junge Studentin Sophie Scholl zusammen mit ihrem Bruder Hans in der Münchner Universität verhaftet.
Tagelange Verhöre bei der Gestapo entwickeln sich zu Psycho-Duellen zwischen der Widerstandskämpferin und dem Vernehmungsbeamten Robert Mohr.
Sophie kämpft zunächst um ihre Freiheit und um die ihres Bruders, stellt sich schließlich durch ihr Geständnis schützend vor die anderen Mitglieder der „Weißen Rose“ und schwört ihren Überzeugungen auch dann nicht ab, als sie dadurch ihr Leben retten könnte…

Fischer Taschenbuch Verlag
Frankfurt/ Main 2005
ISBN 3-596-16609-8

Dan Bar-On:

Erzähl dein Leben!
Meine Wege zur Dialogarbeit und politischer Verständigung

Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2004,
ISBN: 3-89684-044-4

Erzähl dein Leben! Eine einfache Aufforderung, aber ein wichtiger Schritt hin zur Verständigung. In vielen Konflikten hat der israelische Psychologe Dan Bar-On Menschen dazu ermutigt, das Schweigen zu brechen, und Konfliktparteien in einen Dialog gebracht. Die von ihm seit fast drei Jahrzehnten initiierten Gespräche zwischen Juden und Deutschen, Israelis und Palästinensern sind hierfür beispielgebend.

Von seinem Leben und seiner Arbeit als unkonventioneller Wissenschaftler erzählt Dan Bar-On nun erstmals selbst. In einem spannenden Wechselspiel zwischen Bericht und Analyse gelingt es ihm, sein wissenschaftliches Lebenswerk als einen permanenten Lernprozess vorzustellen. Seine persönliche Geschichte als Kind von Holocaust-Überlebenden und die Entwicklung vom begeisterten Israeli zum kritischen Mahner für Frieden und Verständigung im Nahen Osten verknüpft er eindrucksvoll mit den Motiven, Zielen und Erfahrungen seiner akademischen Arbeit – und wirft dabei einen selbstkritischen Blick auf erfolgreiche und gescheiterte Dialog-Projekte.

Seine zahlreichen Interviews und Detailbeobachtungen vermitteln anschauliche Einblicke in den mühsamen Weg von Verständigungsprozessen. Nur wenn wir genau hinhören, was jeden Einzelnen und die Gesellschaft prägt, so die Erkenntnis von Dan Bar-On, entstehen Fundamente für ein menschliches und friedvolles Miteinander.

Erika Mann:

Wenn die Lichter ausgehen

Alle Geschichten aus Erika Manns Zyklus arbeiten mit der Antithese von gesundem Menschenverstand und nationalsozialistischer Barbarei. Vieles am nationalsozialistischen Alltag ist lächerlich oder grotesk: die Fülle der sich widerstreitenden Bestimmungen, die offenkundig inkompetenten, aber linientreuen Repräsentanten, die Gründe, derentwegen man ins Gefängnis wandern konnte. Die Dummheit und mit ihr die Barbarei sind mit Hitler an die Macht gelangt. Er selbst und seine Anhänger sind bestenfalls schlechte Schauspieler, Schmierenkomödianten – und doch zugleich in ihrer primitiven Roheit eine Bedrohung für die Zivilisation insgesamt.

Rowohlt Verlag,
Reinbeck, 2005,
ISBN: 3-498-04496-6

Eric Friedler/ Barbara Siebert/ Andreas Kilian:

Zeugen aus der Todes-zone

Das jüdische Sonderkommando in Auschwitz

dtv, München, 2005,
ISBN: 3-423-34158-1

Die erste, aus erschütternden Zeugenberichten erstellte, detaillierte Rekonstruktion des Massenmordes in Auschwitz.

Hunderttausende wurden in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet. In Gang halten mussten diese Todesfabrik hilflose Arbeitssklaven – die jüdischen Häftlinge des Sonderkommandos. Die SS zwang sie, die Opfer in den Auskleideräumen zu erwarten, ihnen zu helfen, damit es schnell ging. Sie mussten nach der Vergasung die Leichen verbrennen, ihnen zuvor die Haare abschneiden und die Goldplomben ausbrechen.

Nur sehr wenige dieser Augenzeugen überlebten; manche konnten in die »Normalität« zurückfinden, viele leiden bis heute unter diesem schweren Trauma.

Den Autoren ist es gelungen, einige von ihnen zu bewegen, über ihre grauenvollen Erlebnisse zu sprechen. Diese Interviews sind Grundlage des Buches, das zudem viele weitere Zeugnisse und die neuesten Forschungsergebnisse einbezieht und so erstmals die Abwicklung des Massenmords genau darstellt.

„Das Buch hält die Balance zwischen wissenschaftlicher Darstellung und einer erzählerischen Entfaltung des Geschehens … Es gehört zu den besonderen Verdiensten dieses Buches, dass es mit einigen Mythen aufräumt, die den Diskurs über Auschwitz heute bestimmen. Auschwitz war keine klinische Todesfabrik, sondern ein Ort, an dem mit dem Töten experimentiert und Zerstörung organisiert wurde, jeden Tag aufs Neue. Nebenbei erfährt man etwas von der Selbstverständlichkeit, mit der das Wissen um die Massenvernichtung in weitaus größeren Teilen der deutschen Bevölkerung präsent war, als es für gewöhnlich zu hören ist.“ Süddeutsche Zeitung

Fania Fénelon:

Das Mädchenorchester in Auschwitz

dtv, München, 2005,
ISBN: 3-423-13291-4

Musikerinnen, die buchstäblich um ihr Leben spielen mußten – Authentisches über den Holocaust.

»Während das Orchester spielte, lud das Leichenkommando nebenan die abgemagerten Leichen auf, die beim Aufprall aufklatschten und zum Verbrennen ins Krematorium gefahren wurden.«

Im Lager Auschwitz-Birkenau, wo in den Jahren 1940–1944 Millionen von Menschen vergast und verbrannt worden sind, hat es tatsächlich ein Gefangenenorchester gegeben, das aus jungen Frauen aus Deutschland, Frankreich, Polen und anderen europäischen Ländern bestand. Einer eitlen Laune des Lagerkommandanten entsprungen, sollte es zur »Aufmunterung« der Häftlinge dienen wie zur Erbauung der Mörder. Dirigentin war Alma Rosé, die Nichte des Komponisten Gustav Mahler.

Marschmusik für die ausgemergelten »Arbeitskommandos«, Beethoven, Schumann, Puccini, Mendelssohn für den Kommandanten, die SS-Aufseherinnen und den KZ-Arzt Dr. Mengele: etliche Mitglieder des Orchesters haben Auschwitz durch das Musizieren überlebt.

Esther Bejarano, Birgit Gärtner:

Wir leben trotzdem

Esther Bejarano – vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Künstlerin für den Frieden

Esther Bejarano – Mitbegründerin und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, Musikerin und unermüdliche Zeitzeugin der NS-Verbrechen legt den Erfahrungsschatz ihres 80jährigen Lebens in dieser Biographie vor.

„Ein wichtiges Anliegen hat das Buch „Wir leben trotzdem“ von Birgit Gärtner und Esther Bejarano: Statt einer Biografie, die sich „nur“ dem Leben einer einzelnen Person widmet und die zeithistorischen Bezüge vernachlässigt, unternimmt dieses Buch den Versuch, die jeweiligen historischen Hintergründe aufzuhellen, vor denen sich die Biografie von Esther Bejarano ereignet.“
Silke Hinder, in Ravensbrückblätter,
30. Jahrgang, Nr. 120, September 2004
http://www.ravensbrueckblaetter.de/archiv/
120/5_120.html

Pahl-Rugenstein Verlag, 2004,
ISBN: 3-89144-353-6

Stella Müller-Madej:

Das Mädchen von der Schindler-Liste (orig. „Oczami dziecka“)

Stella ist neun Jahre alt, als die deutsche Armee Polen überfällt. Ein Jahr später wird sie mit ihren Eltern ins Krakauer Ghetto umgesiedelt, von dort in das Konzentrationslager Plaszöw bei Krakau. Dort erlebt und übersteht sie ein unvorstellbares Grauen. Die Welt scheint am Ende, doch es kommt noch schlimmer: Stella wird nach Auschwitz deportiert.

„Das Buch sollte seinen Platz finden neben den Aufzeichnungen der Anne Frank“ (faz)

„Ich kenne nur wenige Augenzeugenberichte, die den entsetzlichen Alltag der Vernichtungslager so eindringlich beschreiben. Ein ganz wichtiges Buch für eine Generation, die lernen muss, dass Spielbergs Film von wirklichen Menschen handelt“ (Martin Pollack)

dtv, München,
1998
ISBN: 3-423-30664-5

Primo Levi:

Ist das ein Mensch?

„Keiner von den Wachen, kein Italiener und kein Deutscher, traute sich mitanzusehen, was Menschen tun, die wissen, daß sie sterben müssen. Jeder nahm auf seine Weise Abschied vom Leben. Einige beteten, andere betranken sich, wieder andere berauschten sich an letzter, abscheulicher Leidenschaft…“

Ein Jahr Hölle in Auschwitz. Primo Levi schildert mit atemberaubender Sachlichkeit und Menschlichkeit, was ihm und anderen angetan wurde.

dtv, München,
12. Auflage, 2003
ISBN: 3-423-11561-0

Hg. von Irene Nawrocka

Carl Zuckmayer – Gottfried Bermann Fischer (2 Bde.)

Briefwechsel. Mit den Briefen von Alice Herdan-Zuckmayer und Brigitte Bermann Fischer

In der Korrespondenz zwischen Zuckmayer und Gottfried Bermann Fischer spiegelt sich die wechselvolle Geschichte dieser Verlagsbeziehung, die 1934 begann und sich im amerikanischen Exil und nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik fortsetzte.

1934 mußte Carl Zuckmayer den Ullstein Verlag verlassen, wo bis dahin seine Bücher erschienen waren. Er wechselte zum S. Fischer Verlag, der sich damit eines Werks annahm, das im nationalsozialistischen Deutschland unerwünscht war. Zuckmayers Stücke durften im »Dritten Reich« nicht mehr gespielt werden, und auch der Versuch, seinen ersten Roman 1935 in Deutschland zu veröffentlichen, scheiterte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich das Eintreten für diesen Autor für den S. Fischer Verlag bezahlt: Zuckmayer war einer der erfolgreichsten deutschen Gegenwartsdramatiker.
In der Korrespondenz zwischen Zuckmayer und Gottfried Bermann Fischer spiegelt sich die wechselvolle Geschichte dieser Verlagsbeziehung, in deren Verlauf Autor und Verleger ins Exil gezwungen wurden und den Weg nach Deutschland zurückfanden. Sie erörtern ausführlich literarische und politische, aber auch sehr persönliche Fragen. Die divergierenden Haltungen zu Gerhart Hauptmanns Rolle im »Dritten Reich« spielen ebenso eine Rolle wie die Differenzen zwischen Peter Suhrkamp und Gottfried Bermann Fischer, die 1950 zum Zerwürfnis und zur Gründung des Suhrkamp Verlags führten.

Wallstein Verlag Göttingen, 2004,
ISBN 3-89244-627-x

Anna Sebastian (Friedl Benedikt)

Das Monster

Edition Memoria, Hürth 2004.
ISBN: 3930353210

»The Monster« handelt vom Staubsaugervertreter Jonathan Crisp und seinen Allmachtsphantasien, mit denen es ihm gelingt, sich aus einer erbärmlichen Existenz zu befreien und seine Mitmenschen zu beherrschen.

Dieser bizarrgroteske Text mit z. T. kafkaesk-beckettschen Zügen gleitet aus realistischen Anfängen fast unmerklich ins Surreal-Phantastische. Er lässt sich als Allegorie von Totalitarismus und auch Nationalsozialismus lesen – die Mechanismen von Manipulation, blinder Gefolgschaft und Gruppendynamik, aber auch die Konditionierung des Menschen durch gesellschaftliche Normen und Floskeln etwa werden auf eindringliche Weise entlarvt. »The Monster« erschien auch in französischer und schwedischer Übersetzung. Die nun vorliegende erste deutsche Ausgabe wird ergänzt durch ein persönlich gehaltenes Nachwort von Susanne Ovadia mit Erinnerungen an ihre so charmante, extravagante und 1953 viel zu früh im 37. Lebensjahr in Paris verstorbene Schwester Friedl Benedikt alias Anna Sebastian. »Das Monster« ist ein bedeutsamer literarischer Fund – eine wesentliche Stimme der Exilliteratur kann endlich in ihrem heimatlichen Sprachraum entdeckt werden!

„Being George – and liking it!“

Reflektionen über das Leben und das musikalische Werk von Georg Dreyfus zu seinem 70. Geburtstag

Das teils in englischer und teils in deutscher Sprache verfasste Buch informiert über das Leben und das Werk von George Dreyfus, dem heute wohl bekanntesten deutsch-jüdischen Komponisten in Australien: am 22.7.1928 in Wuppertal-Elberfeld geboren, floh George Dreyfus mit seinem Bruder Richard (in einem sogen. Kindertransport) und seinen Eltern Alfred und Hilde Dreyfus (geb. Ransenberg) 1939 aus Nazi-Deutschland ins Exil nach Melbourne.

Das Buch präsentiert – neben neun Beiträgen, die vom Komponisten selbst geschrieben wurden – eine fachliche Würdigung seines musikalischen Werkes durch den Musikhistoriker Andrew McCredie, einen Beitrag des Musikkritikers Joel Crotty, der sich mit dem multikulturellen `Sextet für Didjeridu und Wind Instruments’ von George Dreyfus’ beschäftigt, zwei Beiträge von Librettisten, mit denen George Dreyfus zusammenarbeitete: Lynne Strahan (über `The Gilt-Edged Kid’) und Volker Elis Pilgrim (über die beiden Opern `Rathenau’ und `Die Marx Sisters’, die in Kassel bzw. Bielefeld uraufgeführt wurden) und eine ausführliche, autobiographische Lebensgeschichte des Komponisten (Familie, persönl. Lebenslauf, Erinnerungen an Nazi-Deutschland und die nachfolgenden Jahrzehnte im Exilland Australien) verfasst von dem Soziologen Manfred Brusten.

Allans Publishing, Melbourne-Richmond, Australien, 1998,
ISBN: 1-86367-370-9

Hajo Jahn (Hg.)

Peter Hammer Verlag, Wupper-tal, 2004, ISBN: 3-7795-0016-7

„Zweiseelenstadt“
6. ELS-Almanach als Dokumentation des XI. Forums in Wroclaw, Polen mit dem Exklusivtext „Liebeserklärung an Else Lasker-Schüler“ der Literatur-Nobelpreisträgerin 2004 Elfriede Jelinek

Wroclaw/ Breslau. Die „Zweiseelenstadt“ der Polen von heute und der Deutschen von gestern war 70 Jahre nach den Bücherverbrennungen von 1933 Veranstaltungsort des XI. Else-Lasker-Schüler-Forums im Oktober 2003. Das Taschenbuch mit mehr als 200 Seiten ist in erster Linie eine Dokumentation der Vorträge und Lesungen bekannter Autoren und renommierter Wissenschaftler beider Nationen in Wroclaw– ein aktuelles Breslau-Buch, etwa wenn Jürgen Serke die Dichterin ELS und die Breslauerin Edith Stein als „Bräute des Herrn“ porträtiert.

Prof. Wolf Erlbruch hat wie bei den Almanachausgaben zuvor das Cover gestaltet.

Alex Kershaw

Robert Capa – Der Fotograf des Krieges

Ullstein Verlag, 2004, Berlin
ISBN: 3-550-07607-X

Robert Capa war ein obsessiver Pokerspieler, ein Abenteurer, ein notorischer Lügner und starker Trinker, ein Spaßvogel und ein Frauenheld – und er war einer der besten Fotografen der Welt. Er dokumentierte die Schrecken an der Front, und seine Fotos prägten das Bild des modernen Krieges.

Mit seinen Aufnahmen vom Spanischen Bürgerkrieg gelang dem ungarischen Juden 1936 der internationale Durchbruch, und die Fotos vom D-Day in Omaha Beach, wo er in vorderster Reihe mit den alliierten Truppen an Land ging, machten ihn zur Legende. Capa scheute kein Risiko, um das Grauen aus nächster Nähe zu dokumentieren, und liebte doch das Leben. In den schillernden Künstlerszenenvon Madrid, Paris und London traf er Ernest Hemingway, John Steinbeck, Martha Gellhorn und Pablo Picasso, gründete die Fotoagentur Magnum und hatte eine leidenschaftliche Liebesbeziehung zu Ingrid Bergmann.

Alex Kershaws fesselnde Biografie erzählt von einem ungewöhnlichen, gefährlichen und viel zu schnellen Leben. Robert Capa starb 1954, im Alter von 40 Jahren, als er in Vietnam auf eine Landmine trat.

Elfriede Brüning

Und außerdem war es mein Leben

»Ich will alles so aufschreiben, wie es in meiner Erinnerung lebt.«

Elfriede Brüning, Jahrgang 1910, berichtet von ihrer Kindheit im Kaiserreich, ihrem politischen und literarischen Werden in der Weimarer Republik und ihrem Widerstand und Überleben im Dritten Reich.

Nach Verfolgung, Unterdrückung und Krieg gibt es die große Hoffnung, die sie mit Millionen teilt: den Aufbau eines dauerhaften sozialistischen Staates. Eine Illusion, wie die geschiedene, alleinerziehende Frau mit dem Fall der Mauer erkennen muß.

dtv München, 2004
ISBN: 3-423-25218-9

Aldo Keel

Martin Andersen Nexö. Der trotzige Däne
Eine Biographie

Die Weltliteratur hat er mit zwei grandiosen Romanen bereichert, mit „Pelle der Eroberer“ und „Ditte Menschenkind“. Was seine Person und sein öffentliches Wirken betrifft, so gleicht die Einschätzung einem Pendelschlag.

Einst als Vorkämpfer der internationalen Arbeiterklasse, Kämpfer gegen Faschismus und Krieg, Mitstreiter in der Weltfriedensbewegung eine unanfechtbare Instanz, treten – auch vor dem Hintergrund der spezifisch dänischen Auseinandersetzungen – bisher unterbelichtete Züge seiner Persönlichkeit deutlicher hervor. Oft genug kollidierte in seinem Leben der unbedingte Wille zu handeln und für die Menschen der „Unterklasse“ einzutreten, mit Verpflichtungen, die er als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und später der KP eingegangen war. Er liebte das Bad in der Menge, konnte an öffentlichen Ehrungen nicht genug bekommen, ließ sich von seinem Elan zu pathetischem Prophetengestus verführen. Doch die Menschen strömten ihm zu, in Dänemark wie in Deutschland, weil sie sich von ihm vertreten fühlten. Aldo Keel erzählt all das in einer anschaulichen Sprache, mit Sinn auch für die komischen Pointen dieser Biographie.

Aufbau Verlag, Berlin, 2004
ISBN: 3-7466-2051-1

Inge Hansen-Schaberg, Christian Ritzi (Hrsg.)

Wege von Pädagoginnen vor und nach 1933

In den Beiträgen des Sammelbandes über Gertrud Feiertag, Recha Freier, Sophie Friedländer, Clara Grunwald, Toni Lessler, Tami Oelfken, Lydia Stöcker und Nelly Wolffheim werden ihre jeweiligen pädagogischen Ideen und innovativen Ansätze für die Erziehung und den Unterricht erneut der Rezeption zugänglich gemacht.

Außerdem und vor allem geht es aber darum, die einzelnen Berufsbiographien und Lebensgeschichten der acht Pädagoginnen zu rekonstruieren und in Erinnerung zu bringen, die durch die 1933 einsetzende Verdrängung weitgehend in Vergessenheit gerieten. Dadurch wird ein weiterer Ansatz geleistet, Lücken in der Professions- und Bildungsgeschichte zu schließen, die nach 1945 bis in die jüngste Vergangenheit überwiegend geisteswissenschaftlich orientiert und männlich dominiert gewesen sind.
Mit Beiträgen von Hildegard Feidel-Mertz, Helga Gläser, Regine Glasneck, Inge Hansen-Schaberg, Astrid Kerl-Wienecke, Sabine Krusen, Gudrun Maierhof, Christian Ritzi und Bruno Schonig und mit einer Biographie, bearbeitet von Christa Förster und Andrea Ribbschlaeger.

Schneider Verlag,
Baltmannsweiler, 2004,
ISBN: 3-89676-768-2

Sonia Korn-Grimani

Verlorene Kindheit

Hrsg. v. Manfred Brusten

Lit Verlag, Münster, Hamburg, Berlin, Wien, London, 2004, ISBN: 3-8258-7909-7

Verlorene Kindheit erzählt die Geschichte der Sonia Korn, die als kleines jüdisches Mädchen die Anfänge der Judenverfolgung in ihrer Heimatstadt Wuppertal erlebt und die sie – nach polizeilichem Aufenthaltsverbot – mit ihrem Bruder Heini und den Eltern Jakob und Eva Korn 1939 Deutschland für immer verlassen muss.

Mit Hilfe von Schmugglern fliehen sie getrennt nach Belgien, wo sie bis Kriegsende illegal und versteckt den Holocaust überleben: in der Flucht vor deutschen Invasoren und Bombenkrieg bis nach Frankreich, Sonia und Heini als Waisen in einem Kinderheim zum Katholizismus bekehrt, Sonjas Mutter mit gefälschtem Pass als Frau eines Belgiers, der sie alle rettet. 1950 schließlich Emigration nach Australien, wo Vater Jakob wenig später stirbt, die tapfere Mutter Eva jedoch, krank und traumatisiert durch den Holocaust, erst am 7. Oktober 1977. Sonia dagegen macht – trotz eigener Familie – Karriere: als Sängerin, Mitarbeiterin des französischen Fernsehens, Privat-Lehrerin der Königin von Malaysia, Dr. der Literatur, Sprachwissenschaft und Musik, als verantwortliche Leiterin eines multikulturellen Sprachenprogramms der UNESCO und ausgezeichnet für ihre Bemühungen um die französische Kultur, Bevölkerung und Sprache.

Aharon Appelfeld

Geschichte eines Lebens

„Manchmal genügt der Geruch von gammeligem Stroh oder ein Vogelschrei, um mich weit weg und tief in mich hinein zu schleudern.“ Der dies sagt – der Schriftsteller Aharon Appelfeld – war bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sieben Jahre alt, ein behütetes Kind assimilierter Juden in Czernowitz, ein kleiner Junge namens Erwin. Seine Kindheit endet über Nacht: Deutsche und Rumänen ermorden seine Mutter, er hört ihren Schrei. Als er nach Monaten im Ghetto und dem Todesmarsch durch die Steppen der Ukraine im Lager eintrifft, wird er von seinem Vater getrennt. Erwin gelingt die Flucht in die Wälder. Ein Baum mit roten Äpfeln prägt sich dem Hungernden unauslöschlich ein.

Rowohlt Verlag, Berlin 2004
ISBN 3871345083

Uwe Wiemann

Kurt Tucholsky und die Politisierung des Kabaretts

Paradigmenwechsel oder literarische Mimikry?

Studien zur Germanistik, Bd. 12

Der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890-1935) war in den so genannten ‚Goldenen Zwanzigern‘ Mitarbeiter verschiedener Kabarettbühnen und gilt heute als einer der bekanntesten gesellschaftskritischen Chansonautoren deutscher Sprache. In seinen zahlreichen Rezensionen und programmatischen Artikeln zeigte er das Spannungsfeld von „Ideal und Wirklichkeit“ auf, in dem sich die Politisierung des ursprünglich unpolitischen Kleinkunstgenres vollzog. Uwe Wiemann zeichnet die Stationen Tucholskys als Textlieferant für Kleinkunstbühnen nach und untersucht, welche Rolle der Autor hinsichtlich der Entstehung des politisch-satirischen Kabaretts heutiger Prägung spielte.

Verlag Dr. Kovac
Hamburg, 2004
ISBN 3-8300-1397-3

Die Dritte Front
Literatur in Brandenburg 1930-1950

Lukas Verlag, 2004, Berlin, ISBN 3-936872-25-2

Im »totalen Krieg« seien »die geistig-moralischen Kräfte des Volkes ebenso entscheidend wie die militärisch-politischen und ökonomischen«, schrieb der Schriftsteller Herbert Scurla, zu DDR-Zeiten als Biograph von Alexander und Wilhelm von Humboldt und Rahel Varnhagen bekannt, 1940 in seinem Buch »Die Dritte Front«.

Der vorliegende Band zeichnet, bezogen auf Brandenburg, den Verlauf der »geistig-moralischen« Front auf literarischem Gebiet für die politisch wechselvollen Jahre von 1930 bis 1950 nach. Vorgestellt werden erstaunliche Doppelkarrieren von Schriftstellern und Wissenschaftlern im Dritten Reich und der DDR. Ins Blickfeld geraten außerdem Parallelen beim Versuch der jeweiligen politischen Systeme, die Autoren mit Mitteln der Restriktion oder Förderung für die »Dritte Front« gefügig zu machen.
Indem das Buch eine für die deutsche Literatur jener Zeit charakteristische Entwicklung skizziert, ist es mehr als eine Fallstudie zum literarischen Alltag in der Provinz.
Dieses Buch erscheint als Begleitband zur Ausstellung »Die Dritte Front. Literatur in Brandenburg 1930–1950«, die vom Brandenburgischen Literaturbüro in Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv, Standort Babelsberg, ausgerichtet wird.

Stefan Appelius

Der Teufel hole Hitler
Briefe der sozialdemokratischen Emigration

Klartext Verlagsges. Essen, 2004, ISBN 3-88474-824-6

Fritz Heine hat 1940/1941 in Südfrankreich mehreren hundert deutsch-jüdischen Flüchtlingen das Leben gerettet. In diesem Auswahlband wird der gesamte noch vorhandene Briefwechsel aus seiner Zeit als Flüchtlingsretter in Marseille und Lissabon (Juni 1940 – Juni 1941) veröffentlicht.

Dabei geht es nicht um politische Strategien und Grundsatzdebatten, sondern vor allem um Fragen des nackten Überlebens. Der umfangreiche Briefwechsel zwischen Fritz Heine und der German Labor Delegation in New York dokumentiert in eindrucksvoller Weise, unter welch schrecklichen Bedingungen die Menschen damals in den südfranzösischen Internierungslagern leben mussten.
Doch es sind nicht nur Briefe von Fritz Heine in dieser Edition enthalten: Hinzugefügt wurden auch ausgewählte Briefe seiner Weggefährten, in denen es vor allem um die Sorgen und die Probleme der deutschen Hitlerflüchtlinge geht.
Die Hoffnungen, Ängste und Sehnsüchte spiegeln sich auch in den hier erstmals veröffentlichten Briefen der damals prominenten SPD-Politiker Erich Ollenhauer, Hans Vogel und Curt Geyer wider.
Dieses Buch zeigt aber auch, dass die Beziehungen der Männer und Frauen in der sozialdemokratischen Emigration alles andere als konfliktfrei waren.
Mit dieser Briefedition legt Stefan Appelius nach seiner vielbeachteten Heine-Biografie eine weitere wichtige Studie zur Sozialdemokratie in der Exilzeit vor.

Stefan Appelius

Heine – Die SPD und der lange Weg zur Macht

Klartext Verlagsges. Essen, 2004, ISBN 3-88474-721-5

SPD-Geschichte im Spiegel der Lebensgeschichte eines bedeutenden Funktionärs

Die Biographie von Fritz Heine ist ein Spiegel der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie von ihren Anfängen im Kaiserreich bis zur modernen Staatspartei. Heine verkörpert die Hoffnungen und Vergeblichkeiten einer ganzen Epoche deutscher Geschichte: das Arbeiterkind aus der königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover; der junge Parteisekretär im Berliner „Vorwärtshaus“; der aus seiner Heimat verjagte Emigrant; der wagemutige Gegner des NS-Regimes; der Retter der Flüchtlinge von Marseille; der propagandistische Gegenspieler des CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauer und schließlich der Herr der sozialdemokratischen Zeitungen. Um den Untergang dieser Zeitungen ranken sich bis zum heutigen Tag Legenden. Häufig ist von einem „Imperium“ die Rede, das von „unfähigen Funktionären“ zugrunde gerichtet worden sei. Doch gab es dieses „Imperium“ überhaupt?

„Ich möchte wünschen, daß viele der heute noch jüngeren Sozialdemokraten dieses Buch lesen …“
– Helmut Schmidt, Alt-Bundeskanzler –

Renate Wall

Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933 – 1945

Mit 203 Kurzbiographien und Werksübersichten ist dieses Lexikon ein umfangreiches und unentbehrliches Nachschlagewerk für diejenigen, die sich mit der Geschichte zwischen 1933 und 1945 unter den Gesichtspunkten weiblichen Schreibens und der Emigration vertraut machen wollen.

Wall stellt neben berühmten Autorinnen wie Nelly Sachs und Anna Seghers auch unbekannte, unerforschte Schrift-stellerinnen vor und bewahrt sie so vor dem vergessen. Das Lexikon dient dabei dem wichtigen und richtigen Ziel, ein Stück verborgener (weiblicher) Geschichte zu erforschen.

Haland & Wirth / Psychosozial- Verlag, Gießen 2004,
ISBN: 3-89806-229-5

Barbara Weidle und Ursula Seeber

Anna Mahler. Ich bin in mir selbst zu Hause

Weidle Verlag Bonn, 2004, ISBN 3-931135-79-9

Anna Mahler wurde 1904 in Wien geboren. Als Tochter von Gustav Mahler und Alma Mahler-Werfel hatte sie es nicht leicht, ihren Platz im Leben zu finden.

Trotz großer musikalischer Begabung entschied sie sich für eine Laufbahn als bildende Künstlerin. In Rom studierte sie Malerei bei de Chirico. Doch ihre Leidenschaft waren seit 1931 Steinbildhauerei und Porträt.

Anna Mahler war eine äußerst starke Persönlichkeit, sie faszinierte ihre Zeitgenossen durch ihre Schönheit und ihre Klugheit: Elias Canetti hat ihr im »Augenspiel« ein eindrucks-volles literarisches Denkmal gesetzt.

Das Buch, das anläßlich ihres 100. Geburtstags im Juni 2004 in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Wien erscheint, basiert auf internationalen Recherchen und stellt bisher unveröf-fentlichtes Bild- und Textmaterial vor. Es präsentiert die Grenzgängerin zwischen Kunst, Musik und Literatur in wichtigen Facetten. Als Kind erlebte sie das Entstehen von Kokoschkas »Windsbraut« mit, ihr Stief-Großvater, der Maler und Mitbegründer der Wiener Secession, Carl Moll, vermittelte wichtige künstlerische Eindrücke, ihre erste Schwiegermutter war die Malerin Broncia Koller. In zweiter Ehe war sie mit dem Komponisten Ernst Krenek verheiratet. Es folgte der Verleger Paul Zsolnay. In London heiratete sie den Dirigenten Anatole Fistoulari, und ihre späten Jahre verbrachte sie mit dem Regisseur, Autor und Filmcutter Albrecht Joseph.

edition diskord, Tübingen 2004
ISBN 389295741X

Sigmund Freud – Max Eitingon
Briefwechsel (1906-1939)

Herausgegeben von Michael Schröter

Der Briefwechsel zwischen Sigmund Freud und Max Eitingon ist die letzte große Schüler-Korrespondenz Freuds, die bisher unveröffentlicht war, und eine zentrale Quelle zur Geschichte der Psychoanalyse.

Max Eitingon, der in Rußland geborene, in Leipzig aufgewachsene, in Zürich ausgebildete Psychiater jüdischer Herkunft, der von 1910 bis 1933 in Berlin lebte und dann nach Palästina emigrierte, wird darin erstmals in seiner ganzen Bedeutung für die Geschichte der Psychoanalyse faßbar. Seine Leistung lag hauptsächlich in den Bereichen Ausbildung, Organisation, Publikationswesen. Hier erwies er sich als tatkräftiger, diplomatisch kluger und kaufmännisch versierter Helfer Freuds. Als Mitglied einer reichen Pelzhändlerdynastie konnte er die Psychoanalyse auch immer wieder durch mäzenatische Zuwendungen unterstützen.
Im Bereich der Ausbildung spielte Eitingon eine Schlüsselrolle, insofern er 1920 das Berliner Psychoanalytische Institut gründete, das weltweit zum Modell psychoanalytischer Lehrstätten wurde. In der Folgezeit übernahm er den Vorsitz der Internationalen Unterrichtskommission, die sich bemühte, international einheitliche Richtlinien der psychoanalytischen Ausbildung aufzustellen. Der anhaltende, am Ende erfolglose Kampf auf dieser Ebene, den Eitingon im Einvernehmen mit Freud gegen den Widerstand vor allem der Amerikaner führte, wird im Briefwechsel der beiden Männer reich dokumentiert. In der nuancierten Erschließung dieser Vorgänge, an denen die Internationale Psychoanalytische Vereinigung fast zerbrochen wäre, liegt ein besonderes Verdienst der hier vorgelegten Edition.

Irene Heidelberger-Leonard

Jean Améry
Revolte in der Resignation
Biographie

Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2004, ISBN:
3-608-93539-8, 24 €

Camus, Sartre, Adorno – in diesen Jahren werden die Biografien der einflußreichen Schriftsteller und Denker des 20. Jahrhunderts geschrieben. Hier nun liegt auch die erste Biografie über Jean Amery vor, dessen Aufsätze und Romanessays über den Holocaust und das Gewalttätigste aller Jahrhunderte noch heute Geltung haben.

„Dorfidylle (1912 -1924)“ und „Zirkusgasse 48 (1924 -1935)“, so beginnt dieser biografische Bericht, der sich dann dem früh berufenen Schriftsteller und später dem eminent produktiven Journalisten Amery zuwendet. Das Leben und die Schrift, erlebte und beschriebene Realität lagen bei Amery dichter zusammen als sonst. Und so werden die Stationen dieses Lebens auch in subtilem, unauflöslichem Ineinander von Fakten und Werkzitaten vorgestellt: Der Auschwitz-Häftling, der die Folter überlebt hatte. Die frühesten Bewältigungsversuche und die Herausbildung des glänzenden Stilisten. Und, 1966, der Durchbruch mit der Veröffentlichung der Essaysammlung „Jenseits von Schuld und Sühne“, die sich später mit „Über das Altern“ und den „Unmeisterlichen Wanderjahren“ zu einer autobiografischen Trilogie erweiterte. In ihr verschmolzen diskursive Strenge, Eleganz des Stils und das Insistieren auf persönlicher Erfahrung zu einer faszinierenden Form, die Amery zu einem der führenden Intellektuellen werden ließ.

Heinz Berggruen

Kleine Abschiede

1935-1937:
Berlin – Kopenhagen – Kalifornien

Mit einem Vorwort von Klaus Harpprecht

Transit Verlag 2004, 12,50 €
ISBN 3-88747-191-1

Heinz Berggruen, Volontär einer jüdischen Wochenzeitung in Berlin, wartet 1935/36 auf die Ausreisegenehmigung in die USA, um in Kalifornien zu studieren.

In dieser Zeit schreibt er neben den journalistischen Routinearbeiten kurze Skizzen und längere Feuilletons, in denen er das, was ihm besonders nahe ist, festhält: Beobachtungen über Orte in seiner Stadt, über die Gewohnheiten und Besonderheiten ihrer Menschen, über Bücher und Bibliotheken, über Erwartungen an ein neues Land. Gleichzeitig stellt er die Frage, wie er sich als Jude in einer zunehmend aggressiven Umgebung verhalten soll, und nähert sich behutsam einer ihm bis dahin unbekannten Religiosität. Ende 1936 verläßt er Berlin, noch ohne amerikanisches Visum, bleibt einige Monate in Kopenhagen, bis er dann endlich Anfang 1937 über Le Havre, New York und dann über den Panama-Kanal nach Kalifornien reisen kann. Auch in dieser Zeit entstehen spannende Texte, die er nach Berlin schickt: über dänische Toleranz, über seine Ankunft in Amerika, über amerikanische und deutsche Mentalität und die Neugier auf ein anderes Leben.
Die hier versammelten Texte werden von Gylfe Schollak herausgegeben.

Der berühmte Kunstsammler und Mäzen Heinz Berggruen wurde 1914 in Berlin geboren; zunächst Journalist, beschäftigt er sich nach der Emigration mit Kunstausstellungen, wird 1942 ame-rikanischer Soldat und kommt so Anfang 1945 nach Europa. Nach Kriegsende gehört er in München zu den Herausgebern der Zeitschrift »Heute«, geht aber schon 1947 nach Paris, wo er einer der wichtigsten Sammler und Händler moderner Kunst wird. Seit 1996 lebt er auch wieder in Berlin; bedeutende Teile seiner Sammlung (»Picasso und seine Zeit«) ist inzwischen im westlichen Stülerbau in Berlin zu sehen. Anfang 2004 feierte er seinen 90. Geburtstag.

(Verlagsinformation)

Michael Omasta, Brigitte Mayr, Elisabeth Streit

Peter Lorre
Ein Fremder im Paradies

Zsolnay-Verlag Wien, 2004,
ISBN: 3-552-05291-7

Mit seiner Rolle in Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) wurde der am 26. Juni 1904 geborene Altösterreicher Peter Lorre zum Inbegriff des Bösewichts im internationalen Kino.

Seine zahlreichen Auftritte in Hollywood, wohin er 1934 emigrierte, steigerten seinen Ruhm. Der neue Band der Buchreihe Zsolnay/Kino, einer Kooperation des Österreichischen Filmmuseums und des Zsolnay Verlages, präsentiert neben zum Großteil unpublizierten Photos und Illustrationen, nicht nur vielfältige Perspektiven auf Lorres Leben und sein Werk, sondern wirft auch literarische und analytische Zooms auf seine wichtigsten Filme.

Pressestimmen:
„das Buch (mit Beiträgen von Ilse Aichinger, Elfriede Jelinek oder Georg Seeßler sowie historischen Texten unter anderem von Bertolt Brecht und Lorre selbst) […] vermittelt ein lebendiges Bild über eine Zeit der radikalen Umschwünge – die multikulturellen Stegreif- und Kabarettbühnen Wiens nach 1918, die Theaterrevolution Brechts in Berlin der Zwanziger- und Dreißigerjahre, die wirkmächtige Allianz aus rechts-totalitären Fantasien und modernistischem Naturalismus, die das Paar Thea von Harbou (Buch) und Fritz Lang (Regie) mit „M“ einen zwiespältigen, großen Film über die moderne Stadt und die Organistationskraft der Medien und des Mob schaffen ließ.“
Michael Loebenstein, Falter, 28.05.2004

Urs Bitterli

Golo Mann

Instanz und Ausserseiter

728 Seiten,
29,90 €,
NZZ Buchverlag 2004, ISBN 3-03823-086-3

Dieses Buch stellt zum ersten Mal umfassend die Biographie des Historikers und politischen Publizisten Golo Mann dar.

Es stützt sich nicht nur auf das wissenschaftliche und jour-nalistische Hauptwerk, sondern auch auf den Nachlass Golo Manns, der sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern befindet. Alle Lebensabschnitte dieser vielseitigen Persönlichkeit werden eingehend dargestellt: Kindheit und Jugend im Haus des berühmten Schriftstellers Thomas Mann, das Exil in den USA und die Rückkehr als amerikanischer Soldat nach Deutschland, die Niederlassung in Kilchberg bei Zürich, wo Golo Mann bis kurz vor seinem Tod vor zehn Jahren wohnhaft blieb. Neben diese bewegte Lebensgeschichte tritt eine verständlich verfasste Interpretation des historischen Werks, insbesondere der «Deutschen Geschichte» und des «Wallenstein». Auch das politische Engagement Golo Manns, das den parteipolitisch unabhängigen Publizisten sowohl für Willy Brandts Ostpolitik, als auch für Franz Josef Strauss eintreten liess, erfährt eine sachkundige Würdigung.

In tiefer Seele traurig
Urs Bitterlis Lebensbild des großen Historikers, Zeitzeugen und Zeitkritikers Golo Mann

Klicken Sier hier, um eine Buchbesprechung von Klaus Harpprecht zu lesen (Webseite von „DIE ZEIT“)

Arno Münster

Ernst Bloch. Eine politische Biographie

Philo Verlag, Berlin, 2004,
ISBN 3-8257-0357-6

In seiner Biographie beschreibt Arno Münster, wie der deutsch-jüdische Philosoph Ernst Bloch die Früchte seines philosophischen Schaffens seinem Leben geradezu abgetrotzt hat.

Der Sohn aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, der schon als Gymnasiast mit den großen Philosophen seiner Zeit korrespondierte, schuf in vielen Stationen des Exils (Schweiz, Frankreich, Tschechoslowakei, USA) auf Tausenden von Seiten ein Werk, dessen größter Teil erst ab den 60er Jahren veröffentlicht wurde. Darin ging es dem marxistischen Philosophen der Hoffnung um die konkrete Utopie einer besseren Welt, und damit, wie Bloch meinte, um „etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“ Nicht zuletzt seine auch unter den Emigranten umstrittenen politischen Positionierungen hatten zur Folge, daß er in zehn Jahren USA keine bezahlte Stellung fand. Seine erste Professur erhielt er mit 63 Jahren 1949 in Leipzig, wo er bald danach geächtet werden sollte. Auch in Tübingen, und weit jenseits der 70, blieb der inzwischen hochverehrte „zornige Prophet“ der Hoffnung unbequem und wurde zu einer Art Schirmherr der Achtundsechziger-Bewegung.

Ilana Schmueli Thomas Sparr

Paul Celan
Ilana Shmueli. Briefwechsel

Suhrkamp Verlag,
Frankfurt am Main, 2004,
ISBN : 3-518-41596-4

Die Briefe und Gedichte sind in der sorgfältig edierten und kommentierten Ausgabe trotz manchmal verwirrender zeitlicher Überschneidungen nicht nach Schreibern getrennt abgedruckt worden, sondern in chronologischer Folge nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung zu lesen.

Das erfordert zunächst eine gewisse Eingewöhnung, da die große Distanz zwischen Israel und Frankreich häufig für sich kreuzende Briefe und Verzögerungen bei der Postzustellung sorgte, so dass selten eine direkte Antwort auf den vorausgegangenen Brief nachfolgt. Doch hält diese Sortierung den Leser immer auf dem quasi authentischen Stand des Informationsflusses. Die Dringlichkeit der Nähe, die diese Briefe heraufbeschwören, ist durch die zeitlich versetzte Reaktion in den Antwortschreiben ebenso erschütternd nachvollziehbar, wie auch ihre Realisierung immer gefährdet, ja nahezu unmöglich scheint, allein schon, wenn die Concierge in Celans Wohnhaus immer wieder Briefe unter der falschen Tür durchschiebt.
Die Korrespondenz wird neben einem kleinen Bericht, den Shmueli seinerzeit über die zusammen mit Celan in Jerusalem besuchten Orte verfasste, ergänzt durch eine dem Band beigegebene kurze Zusammenfassung eines journalistischen Gesprächs zwischen Jehoshua Tira und Celan, in dem dieser sich zur Lage der deutschen Nachkriegslyrik äußert, sowie eine Erinnerung Israel Chalfens an Paul Celans Lesung in Jerusalem. Shmueli, die bereits in dem Buch Sag, dass Jerusalem ist über ihre Begegnungen mit Celan Auskunft gegeben hat, trägt in ihrem Nachwort noch einmal die wichtigsten Hintergründe zusammen, so dass mit dem Band insgesamt ein umfassender Eindruck von Celans Israelreise entsteht.

Auszug aus:
„Du bist so nah – und wieder nicht“
Sie haben das Unmögliche gewollt: Der bewegende Briefwechsel zwischen Paul Celan und Ilana Schmueli, 1967 bis 1970, Autorin: Sabine Franke
Frankfurter Runschau, Mittwoch, 28. April 2004, Nr. 99

Anselm Ruest:

Zum wirklichen Individuum
Prolegomena zum Personal-ismus

Aus dem Nachlaß herausgegeben von Hartmut Geerken

Aisthesis Verlag, Bielefeld 2003,
ISBN 3-89528-374-6

Anselm Ruests Beitrag zur Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts gerät, bedingt durch die politischen Ereignisse, zur Spurensuche. Im letzten Moment und nur durch Zufall wurde das hier vorliegenden Werk in Frankreich vor der Müllabfuhr gerettet.

Ruests Haltung zu Politik und Gesellschaft ist extrem pazifistisch, extrem antiautoritär, extrem antimilitaristisch und extrem human. Dabei hält Ruest nicht viel von sozialen Verbänden und Gemeinwesen der Menschen, die er als ,Horden‘ charakterisiert.
Anselm Ruest (d.i. Ernst Samuel, 1878-1943) vertrat einen Individualanarchismus stirnerscher Prägung. 1911 gründete er zusammen mit Franz Pfemfert und Kurt Hiller die epochemachende Zeitschrift Die Aktion. 1912/13 mit Heinrich Lautensack und Alfred Richard Meyer Herausgeber der Bücherei Maiandros. 1919 gründete er die Dada nahestehende Zeitschrift Der Einzige, die er im ersten Jahr zusammen mit Salomo Friedlaender/Mynona herausgab. Als Philosoph und Literaturhistoriker Verfasser von Monographien von Shakespeare und Napoleon I. Herausgeber der Werke von Julius Bahnsen und anderen. 1933 Flucht nach Frankreich. 1934 rief er zusammen mit dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld die Notgemeinschafi der deutschen Wissenschaft, Kunst und Literatur im Ausland, Sitz Paris ins Leben und war deren Generalsekretär. 1939/40 Odyssee durch mehrere Internierungslager. Ruest starb nach langer schwerer Krankheit 1943 in Carpentras/Vaucluse.
Das vorliegende Buch ist ein unveröffentlichtes Werk. Es ist die erste Buchpublikation von Anselm Ruest seit 1935.

Salomo Friedlaender/ Mynona:

Ich (1871 – 1936
Autobio-graphische Skizze

Aus dem Nachlaß herausgegeben von Hartmut Geerken

Aisthesis Verlag, Bielefeld 2003,
ISBN 3-89528-394-0

1936, mitten im deutschen Schlamassel, zehn Jahre vor dem physischen Ende des Autors endet, hat einen besonderen Stellenwert in der Geschichte der Autobiografien. Sie beschreibt das Leben eines deutschen Intellektuellen in höchst widerwärtigen Zeiten, ein Leben, das sich in den goldenen Zwanzigern zu einem beachtlichen Höhepunkt aufzuschwingen vermag, um dann um so krasser in eine unvorstellbare Tiefe zu stürzen.

Der Philosoph Salomo Friedlaender, der unter dem Pseudonym Mynona zahlreiche Prosawerke veröffentlichte, die zu den aggressivsten des literarischen Expressionismus zählen, endete 1946 in Paris in unsäglicher Armut. In den letzten Jahren vor Kriegsende war er permanent von der Gefahr bedroht, nach Auschwitz deportiert zu werden. In dieser Zeit schrieb Friedlaender/Mynona die, wie er selbst feststellt, wichtigsten Werke seines auch sonst äußerst produktiven Lebens. Das magische Ich, Vernunftgewitter, Ich-Heliozentrum, Das Experiment Mensch, Kant und die sieben Narren, Ich. Autobiographische Skizze sind nur einige Titel aus der Zeit des Exils. Das magische Ich wurde 2001 bei Aisthesis erstveröffentlicht. Die Autobiografie liegt hier, erstmals vollständig ediert nach der von Friedlaender/Mynona hergestellten Endfassung vor. Die übrigen Typoskripte befinden sich unveröffentlicht im Nachlass.
In der Autobiografie sind innere Entwicklungen und äußere Begebenheiten ineinander verschlungen, verknotet, aufeinander bezogen oder hart gegeneinander geschnitten. Dieser Charme der harten Schnitte zwischen Innenwelt und Aussenwelt machen den Reiz dieser Autobiografie aus.
Immer wieder sind in die Autobiografie Anekdoten und Charakterisierungen von Zeitgenossen eingeflochten, wie z.B. von Paul Scheerbart, Georg Simmel, Else Lasker-Schüler, Ernst Barlach, Samuel Lublinski, Anselm Ruest, Alfred Kubin, Ernst Marcus, Carl Einstein, Herwarth Walden u.v.a.m.
Den Salomo Friedlaender/Mynona der Exilzeit gilt es zu entdecken. Man wird ihn mit seiner Theorie der transzendentalen Empfindung‘ und das ,magischen Ich-Heliozentrums‘ als Vordenker von Rupert Sheldrake, Jacques Derrida, Stephen Hawking oder Fritz Perls mit seiner Gestalttherapie nicht länger ignorieren können.

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