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Aigner, Korbinian

H.A.M. 0

Korbinian Aigner

Pfarrer und Pomologe

Geb. 11.05. 1885 in Hohenpolding

Gest. 05.10. 1966 in Freising

 

Den elterlichen Poldingerhof im oberbayerischen Landkreis Erding mag der älteste Sohn von zehn Geschwistern nicht übernehmen, entscheidet sich nach Abschluss des Münchner Luitpold-Gymnasiums für den Priesterberuf und besucht ab dem 2. November 1906 das Priesterseminar in Freising. Neben seinem Theologiestudium gilt Aigners Interesse seit langem schon dem Obstanbau, und am 15. August 1908 gründet er, gemeinsam mit dem Weber Franz Hausladen, in seinem Geburtsort den Hohenpoldinger Obstbauverein, dessen Vorsitz er bald darauf dann auch übernimmt. Ein finanzieller Zuschuss des Bayerischen Staates ermöglicht dem Verein schließlich dann auch die Einrichtung einer Kelterei.

 

Nach seiner Priesterweihe im Sommer 1911 wirkt er zunächst als Hilfsgeistlicher in Ilmmünster und unterrichtet am Knabenseminar im Kloster Scheyern, wo u.a. auch der spätere Mitbegründer der CSU, Alois Hundhammer, zu seinen Schülern zählt. Nach weiteren Stationen innerhalb Bayerns wird Korbinian Aigner im Juli 1931 Vikar in Sittenbach im Landkreis Dachau und wirkt dort ab August 1931  dann als Pfarrer. Auch in dieser Zeit ist der naturbegeisterte Theologe in jeder freien Minute unterwegs, um Vorträge über den Obstbau zu halten und Interessierte zu beraten. 1930 wählt man ihn zum Präsidenten des Obst- und Gartenbauvereins Oberbayern, von nun an beginnt Aigner auch mit diversen Veröffentlichungen zum Thema.

 

Neben seiner Profession als Pfarrer und seiner Leidenschaft für den Obstbau ist Korbinian Aigner aber stets auch ein aufmerksamer Beobachter der Tagespolitik und bereits seit 1916 Mitglied der bayerischen Zentrumspartei. 1923 besucht er interessehalber eine Veranstaltung der NSDAP, hörte dort auch eine Rede von Adolf Hitler und weiß von nun an, wo er politisch steht: auf der Seite der Nazi-Gegner. Auch und vor allem in seinen Predigten bezieht der Theologe eindeutig Stellung, nimmt gegen ihn verhängte Geldstrafen, sogar eine Zwangsversetzung im Januar 1937 in Kauf und hält mit seiner politischen Haltung auch weiterhin nicht hinterm Berg: Nach dem misslungenen Attentat auf Hitler durch Georg Elser am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller macht der streitbare Priester am darauffolgenden Tag im Religionsunterricht das Fünfte Gebot (“Du sollst nicht töten“) zum Thema und lässt dabei auch jenen Satz fallen, der ihm später zum Verhängnis werden soll: “Ich weiß nicht, ob das Sünde ist, was der Attentäter im Sinn hatte. Dann wäre halt vielleicht eine Million Menschen gerettet worden“. Aigner wird denunziert, am 22. November verhaftet und ins Gefängnis Freising gebracht. Am 7. Mai 1940 wird Korbinian Aigner, unter der Anklage des Verstoßes gegen § 2 des sogenannten “Heimtücke-Gesetzes“ vom 20. Dezember 1934 zu sieben Monaten Haft verurteilt, ins Gefängnis Stadelheim gebracht, unter Anrechnung seiner Untersuchungshaft, am 23. Juni 1941 entlassen und anschließend ins Konzentrationslager Dachau unweit von München deportiert.

 

Von dort kommt Aigner am 12. September als Häftling Nr. 32.779 ins KZ Sachsenhausen, wird aber, nach einer fast tödlich verlaufenen Lungenentzündung, wieder nach Dachau zurückverlegt, im dortigen Priesterblock untergebracht und zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft abkommandiert. Aber auch unter den obwaltenden Bedingungen in einem Konzentrationslager setzt  der Obstexperte seine Leidenschaft fort, pflanzt zwischen zwei Baracken Apfelbäume und kann sogar neue Sorten züchten, denen er die Bezeichnung KZ-1 bis 4 gibt.

 

In der Nacht vom 26. auf den 27. April 1945 muss Korbinian Aigner zusammen mit ungefähr zehntausend anderen Häftlingen einen Marsch nach Südtirol antreten. Am 28. April gelingt ihm in Aufkirchen am Starnberger See die Flucht,  er überlebt, versteckt im dortigen Kloster, das Kriegsende und kehrt so bald wie möglich als Pfarrer in seine Gemeinde Hohenbercha zurück. Hier widmet sich der Theologe (der im Oktober 1945 zum Landesvorsitzenden des Bayerischen Landesverbandes für Obst- und Gartenbau gewählt wird und dieses Amt fünf Jahre lang bekleidet) bald auch wieder mit seiner großen Leidenschaft, beschafft sich Äpfel aller ihm zugänglichen Sorten und malt jeweils zwei Äpfel von jeder Sorte in Postkartengröße nebeneinander. So entsteht mit der Zeit eine umfangreiche Bilddokumentation, die Jahrzehnte später im Rahmen der dOCUMENTA (13)  einer der weltweit bedeutendsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst, vom 9. Bis 16. Juni 2012 in Kassel ausgestellt wird und heute zum Bestand des Archivs der Technischen Universität München gehören. “Egal, ob deutschlandweit oder nur lokal bekannt, ob schmackhafte Lagerfrucht oder saure Kelterware – der Mann aus Hohenbercha hat sie alle gemalt. Oft sind die Früchte – einzeln oder paarweise, seltener im Trio – vor dunklen Hintergründen arrangiert. Da kann es passieren, dass ein Exemplar der Sorte „Gloria Mundi“, im November gepflückt und mit der Nummer 282 versehen, wie ein Raumschiff durch die Sphären gleitet. Und um den „Winterrambur“ wird es tatsächlich ganz winterlich, bevor sich seitenweise die ganze fröhliche Rambur-Sippschaft ein Stelldichein gibt. Während das „Hausmütterchen“ Format sprengende Dimensionen annimmt, ruht der „Stiefelwirt“ auf grünem Feld.“ (Hier zitiert aus: Olaf Velte: “Von Äpfeln und Menschen“, Buchbesprechung v. 26.07. 2013: {ln:nw:http://www.fr-online.de/kultur/buchbesprechung-von-aepfeln-und-menschen,1472786,23837840.html})

 

Im September 1966 erkrankt der mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus bekannte, renommierte und mit diversen Ehrungen ausgezeichnete “Apfelpfarrer“ Krobinian Aigner  an einer schweren Lungenentzündung und verstirbt im Alter von 81 Jahren im Freisinger Krankenhaus. Seine letzte Ruhestätte findet der widerständige Seelsorger und “Konzeptkünstler“  auf dem Friedhof in Hohenbercha. Die bis heute gezüchtete Sorte KZ-3 wird im Jahr 1985 zum 100. Geburtstag Aigners offiziell “Korbiniansapfel“ getauft.

 

Buchtipp:

 Korbinian Aigner: “Äpfel und Birnen“. Das Gesamtwerk. Hrsgg. von Judith Schalansky. Mit einem Vorwort von Julia Voss. 512 Seiten. 910 Abb.

 

Quellen:

{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Korbinian_Aigner }

{ln:nw:http://www.deutschlandfunk.de/vor-50-jahren-gestorben-pfarrer-und-apfelkundler-korbinian.871.de.html?dram:article_id=367630 }

{ln:nw:http://www.fr-online.de/kultur/buchbesprechung-von-aepfeln-und-menschen,1472786,23837840.html }

{ln:nw:https://documentiert.wordpress.com/2012/07/19/kunst-als-widerstand-gegen-den-nationalsozialismus-und-uberlebensstrategie-korbinian-aigner/ }

{ln:nw:http://www.fr-online.de/kultur/buchbesprechung-von-aepfeln-und-menschen,1472786,23837840.html})

 

Links (deutsch):

{ln:nw:https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=119118394 }

{ln:nw:http://www.vg-steinkirchen.de/index.php/downloads/func-startdown/83/ }

{ln:nw:http://d13.documenta.de/de/#/no_cache/participants/participants/korbinian-aigner/?sword_list%5B%5D=aigner?m=n&L=1 }

{ln:nw:http://www.archiv.tum.de/bestaende/ }

{ln:nw:http://www.korbiniansaepfel-minden.de/korbinian-aigner/ }

{ln:nw:http://www.berliner-zeitung.de/kultur/korbinian-aigner-von-aepfeln–birnen-und-menschen-3286824 }

{ln:nw:http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Der-Apfel-der-aus-Dachau-kommt;art675,317853 }

volume_up{ln:nw:http://www.srf.ch/play/radio/buch-tipps/audio/korbinian-aigner-aepfel-und-birnen?id=71c6bd00-0dec-43f3-bc0e-46eee3c07711}

film{ln:nw:https://vimeo.com/52488103 }

 

International:

{ln:nw:http://www.fruitforum.net/the-apple-priest-korbinian-aigner-(1885-1966).htm }

{ln:nw:http://premierartscene.com/magazine/documenta-13/best-of-documenta13/korbinian-aigner/ }

{ln:nw:https://en.wikipedia.org/wiki/Korbinian_Aigner }

{ln:nw:http://www.largeglass.co.uk/With-An-Apple-I-will-Astonish }

{ln:nw:http://zoltanjokay.de/zoltanblog/korbian-aigner-cultivating-apples/ }

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