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Schoch, Maria Magdalene

H.A.M. 0

Maria Magdalene Schoch

Juristin

Geb. 15.02. 1897 in Würzburg

Gest. 06.11. 1987 in Falls Church, Fairfax/ USA


Der Vater führt seit 1905 eine eigene Tuchhandlung in Würzburg, die selbstbewusste und emanzipierte Mutter arbeitet bis zu ihrer Heirat als Erzieherin, gehört 1912 zu den Initiatorinnen eines Vereins für Frauenstimmrecht und tritt offen gegen Kriegstreiberei und Militarismus ein. Das zunächst durchaus großbürgerliche Familienleben wird im Jahr 1914 erheblich erschüttert: erst durch den Selbstmord des Vaters und später dann durch den Tod des einzigen Sohnes auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. Magdalene übernimmt nun als älteste der drei Töchter neben ihrer Mutter die Führung des Haushalts und die Verantwortung für die Familie, deren finanzielle Verhältnisse nach dem Tod des Vaters fortan sehr beengt sind.


Dennoch beginnt die älteste Tochter, das Externen-Abitur des Würzburger Realgymnasiums in der Tasche, noch während des Krieges mit dem Studium  der Rechtswissenschaften, nachdem sie ihren Traum, Medizin zu studieren, angesichts ihrer prekären finanziellen Situation, hat fallen lassen. Da erst seit weniger als zehn Jahren Frauen in Deutschland studieren dürfen, ist Maria Magdalene Schoch in den von ihr besuchten Seminaren meist die einzige Zuhörerin. Die begabte Stipendiatin, zu deren richtungweisenden Begegnungen die Bekanntschaft mit dem Völkerrechtler Albrecht Mendelssohn Bartholdy gehört, wird nach acht Semestern 1920 in Würzburg mit ihrer Arbeit über die englische Kriegsgesetzgebung promoviert und folgt noch im selben Jahr ihrem Doktorvater an die 1919 gegründete Universität Hamburg.


Hier leitet Mendelssohn Bartholdy, dieser liberale und universal gebildete Zeitgeist, dessen Publikationen von “grundlegenden fachwissenschaftlichen Werken etwa zum Zivilprozessrecht und zum internationalen Rechtsvergleich über eine Vielzahl juristisch-politischer Analysen zu aktuellen Themen bis hin zu Gedichtbänden, Literaturübersetzungen, Opernlibretti und Liedkompositionen“ (hier zitiert aus: http://hup.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2011/112/chapter/HamburgUP_Hauptgebaeude_Nicolaysen_Mendelssohn_Bartholdy.pdf)  reichen, das Seminar für Auslandsrecht und Internationales Privat- und Prozessrecht, an dessen Aufbau Magdalene Schoch von Beginn an beteiligt ist und seit 1923 darüber hinaus in Mendelssohn Bartholdys ‘Institut für Auswärtige Politik‘ mitarbeitet, einem der ersten seiner Art weltweit, das sich der Erforschung von Friedensbedingungen widmet. Mit einem Stipendium der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft kann die Nachwuchs-Juristin 1928 in Großbritannien sich eingehend mit der dortigen Gerichtsverfassung auseinandersetzen und lehrt nach ihrer Rückkehr in die Hansestadt ab dem Sommersemester 1929 in Fragen des englischen und amerikanischen Rechts sowie vergleichbaren Gebieten. In dieser Zeit begründet Mendelssohn Bartholdy das später vor allem für die Außenbeziehungen der Stadt Hamburg bedeutsame ‘Institut für Auswärtige Politik‘, wo auch Magdalene Schoch als seine Assistentin tätig ist.


1929 ist Schoch eine der Mitbegründerinnen der ‘Gesellschaft der Freunde der Vereinigten Staaten‘, gehört neben Mendelssohn Bartholdy, Kurt Sieveking, Erich M. Warburg und Otto Laeisz deren erstem geschäftsführenden Vorstand an und fungiert als Herausgeberin des Organs der Gesellschaft, der zweisprachigen Hamburg-Amerika-Post (ab 1931 Amerika-Post). Als am 27. Juni 1930 im Neuen Rechtshaus in Hamburg die Amerika-Bibliothek als Spezialbibliothek für Amerikanisches Recht und Politische Wissenschaft eröffnet wird, übernimmt die promovierte Juristin deren Leitung. 1932 folgt die Habilitation an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Hamburg, als damit erster Frau in Deutschland überhaupt. Fortan lehrt sie als Privatdozentin für Internationales Privat- und Prozessrecht, Rechtsvergleichung und Zivilprozessrecht.


Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933 emigriert Albrecht Mendelssohn Bartholdy nach Großbritannien, wo er drei Jahre später bereits stirbt. Seine engste Mitarbeiterin, deren Druckausgabe ihrer Habilitationsschrift 1934 noch eine ganzseitige Widmung zu Ehren von Mendelssohn Bartholdy aufweist, wird beruflich zunehmend isoliert. Ihre Tätigkeit im ‘Institut für Auswärtige Politik‘ hat die weitsichtige Juristin bereits Anfang 1933 in der Vorahnung aufgekündigt, dass die Nationalsozialisten es für ihre Propaganda missbrauchen könnten. Sie sollte recht behalten: 1937 wird es in Berlin dem Außenministerium unter Ribbentrop angegliedert. Die von  ihr betreute  Amerika Post wird eingestellt und die ‘Gesellschaft der Freunde der Vereinigten Staaten‘ aufgelöst. Den Zeitraum von Herbst 1934 bis Oktober 1935 verbringt die Juristin mit einem Stipendium der Rockefeller-Stiftung an verschiedenen Universitäten in den Vereinigten Staaten. Ihre ursprüngliche Überzeugung, dass sich das Regime im Dritten Reich unter dem Druck des Auslands und demokratischer Kreise im Innern nicht lange würde halten können, muss sie bei ihrer Rückkehr revidieren: Das politische Klima im NS-Deutschland hat sich radikal verändert. Für ihre Seminare und Vorlesungen wählt Schoch jetzt nur noch unpolitische Themen, verweigert den Hitler-Gruß ebenso wie den Parteieintritt und pflegt als Nicht-Jüdin weiter sehr bewusst den Kontakt zu jüdischen Freunden.


Schlussendlich ist es ihre Teilnahme an der Beisetzung Mendelssohn Bartholdys in Oxford im November 1936, die sogar ihre Anstellung gefährdet. Maria Magdalene Schoch, die erste habilitierte Juristin Deutschlands, unangepasst sich jeder Mitläuferschaft verweigernd  und von jeher eine überzeugte Gegnerin von Militarismus, Antisemitismus und Gewaltherrschaft, zieht es unter den obwaltenden politischen Umständen  schließlich vor, zu kündigen, die Dozentur aufzugeben und Hitler-Deutschland im Oktober 1937 zu verlassen.


Mittellos und ohne direkte berufliche Perspektive trifft sie in den USA ein und kann das erste Jahr nur mit Hilfe einer Freundin überbrücken. 1938 erhält die deutsche Professorin eine schlecht bezahlte Stelle als Forschungsassistentin an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Harvard University bei Erwin Griswold. Sie hält – als mithin auch in den USA erste Privatdozentin an einer Rechtsfakultät – Vorlesungen und Seminare im Konfliktrecht, betreut fortgeschrittene Studenten bei den anstehenden Abschlussarbeiten und nutzt die Zeit darüber hinaus für weitere Forschungen auf ihren Interessengebieten und für Publikationen.


1943 nimmt Magdalene Schoch, die seit ihrer Emigration ihre Muttersprache bewusst vermeidet, die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an, wechselt als  Juristin nach Washington und arbeitet, gemeinsam mit den Emigranten Ernst Fraenkel, Otto Kirchheimer, John Herz und Franz Neumann, in der ‘Foreign Economic Administration‘, einer Regierungsbehörde, an Rechtsfragen im Kontext einer zukünftigen Besatzung in Deutschland sowie an Studien über das Rechtssystem im NS-Staat.


Nach Kriegsende ist sie bis Mitte der 60er Jahre als Sachverständige für Internationales und Ausländisches Recht in leitenden Funktionen im US-Justizministerium tätig, zunächst als Abteilungs-, später als Divisionsleiterin. Die in den USA auch noch nach ihrer Pensionierung bis ins hohe Alter als Anwältin (seit 1949, zuletzt mit Zulassung zum Obersten Bundesgericht) und Gutachterin in Washington beruflich Aktive gerät in ihrer Geburtsheimat Deutschland  in Vergessenheit. Dabei haben es sehr viele Deutsche nicht zuletzt auch der einstmals verfemten Juristin zu verdanken, dass ein Care-Paket aus den USA in ihrer Familie geöffnet werden kann: Maria Magdalene Schoch gehört nämlich dem Zonta-Club an, einer bereits 1919 in den USA gegründeten Vereinigung von Frauen in leitenden Stellungen.  Anfang 1931 wird in Hamburg der erste Zonta-Club gegründet, dessen Vorsitz Magdalene Schoch übernimmt und bis zu ihrer Emigration auch beibehält. “Der von Beginn an im Vereinsregister eingetragene Club hätte nach der Machtübernahme durch die NSDAP und ihre Verbündeten die jüdischen Mitglieder ausschließen müssen. Um dies zu umgehen ließ man sich aus dem Vereinsregister streichen und traf sich fortan nur noch privat, geheim und im Verborgenen. Der Hamburger Zonta-Club ist der einzige europäische, der ohne Unterbrechung bestand. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen Mitglieder des Hamburger Zonta-Clubs die Verbindungen wieder auf. Magdalene Schoch, zu diesem Zeitpunkt Mitglied und später Präsidentin des Clubs in Arlington, organisierte am 9. November 1946 gemeinsam mit der damaligen Präsidentin des Clubs in Albany (New York) und späteren Internationalen Präsidentin, Louise Gerry, ein „International Relation Diner“, auf dem mehr als einhundert Zontians aus Vermont, New York und Kanada teilnahmen. Magdalene Schoch trug auf dieser Veranstaltung den Gästen die Situation in Deutschland und Österreich vor. Die Reaktion auf ihren Vortrag war überwältigend. Waren zuvor nur wenige Care-Pakete über diese Verbindung nach Hamburg gelangt, so nahm deren Zahl nun sprunghaft zu.“ (Hier zitiert aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Magdalene_Schoch).


Im Alter von 90 Jahren stirbt die an Alzheimer leidende “Pionierin der Rechtswissenschaft“ in einem Pflegeheim. Die Universität Hamburg, deren  Nachkriegs-Rückkehr-Angebot Maria Magdalene Schoch in der ihr eigenen Konsequenz abgelehnt hat, erinnert sich ihrer in einem Festakt am 15. Juni 2006 durch Benennung eines Hörsaales im Universitäts-Hauptgebäude. Im Mai 2011 wird ein weiterer Hörsaal nach Schochs akademischen Lehrer, Albrecht Mendelssohn Bartholdy, benannt.


Quellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Magdalene_Schoch

http://www.uni-hamburg.de/onTEAM/pressemitteilungen/pdf/PM_90_12.pdf

http://hup.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2011/112/chapter/HamburgUP_Hauptgebaeude_Nicolaysen_Mendelssohn_Bartholdy.pdf

http://www.exilforschung.de/_dateien/NNB-37_ULA_neukorr_KBZ_neu%20korr.pdf


Links (deutsch:

http://www.legal-gender-studies.de/wp-content/uploads/2013/01/magdalene-schoch.pdf

http://www.uni-hamburg.de/onTEAM/pressemitteilungen/pdf/PM_90_12.pdf

http://hup.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2008/68/chapter/HamburgUP_HUR16_Vita.pdf

http://www.initiative-literatur.de/de/schoch/magdalene-schoch.php

http://toepfer-stiftung.de/content/uploads/2014/03/Magdalene_Schoch_von_Rainer_Nicolaysen.pdf

http://www.richterverein.de/mhr/mhr042/m04206.htm


International:

http://books.google.fr/books?id=Z6TbHxdc7pMC&pg=PA293&lpg=PA293&dq=Magdalene+Schoch&source=bl&ots=ikMRlccJIa&sig=BZFPaLkTbTjXgD2mRS6OJ7UVrAo&hl=fr&sa=X&ei=SB_2U4jZBaSs0QWF6oFY&ved=0CD4Q6AEwBDgU#v=onepage&q=Magdalene%20Schoch&f=false

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