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Zech, Paul Robert

H.A.M. 0
Paul Robert Zech (Timm Borah [Pseud.] Paul Robert [Pseud.] und weitere Pseudonyme)
Schriftsteller, Redakteur, Dramaturg, Bibliothekar und Übersetzer

Geb. 19.2.1881 in Briesen/ Westpr., heute: Polen
Gest. 7.9.1946 in Buenos Aires/ Argentinien

„Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas
zieht die Straße den gescheckten Gurt
der Fassaden. Keine Bahnspur surrt.
Immer glänzt das Pflaster wassernass.

Streift ein Mensch dich, trifft sein Blick dich kalt
bis ins Mark; die harten Schritte haun
Feuer aus dem turmhoch steilen Zaun,
noch sein kurzer Atem wolkt geballt.

Keine Zuchthauszelle klemmt
so in Eis das Denken wie dies Gehn
zwischen Mauern, die nur sich besehn.

Trägst Du Purpur oder Büßerhemd -:
immer drückt mit riesigem Gewicht
Gottes Bannfluch: uhrenlose Schicht.“

(Paul Zech: Fabrikstraße Tags, 1911)


Der Dichter Paul Zech rebellierte aus „sozialem Idealismus“ gegen kaiserliche Politik und die Macht des Geldes. Ob er unter Tage gearbeitet hat, wie er selbst behauptet, ist umstritten. Das Einwohnerregister Wuppertals weist ihn als Bäckerlehrling aus. Auch die Biografie seines Vaters hat Zech nach Belieben ausgemalt. Er bietet ihn wechselweise als Pfarrer, Lehrer oder Bergmann an. Den Bergleuten jedenfalls widmet er seinen ersten wichtigen Lyrikband „Das schwarze Revier“. Kohle war für ihn“ der schwarze Baal“, bei dem die Arbeiter ausbeuterisch „auf das alltägliche Kreuz“ genagelt wurden. Zech war zugleich fasziniert von den Arbeitsbedingungen in 1000 Metern Teufe unter der Erde, von den geologischen Schichten und „der Schwärze dort unten“. In seiner Lyrik beklagt Zech die Verdinglichung der Menschen durch den Arbeitsprozess, durch die Anpassung der Menschen an die Maschine und die Folge daraus, dass die Arbeiter sich dem eigentlichen, nämlich instinktiv-schöpferischen Leben entfremden. Dagegen revolutionieren? Das ist die Sache des oft als „Arbeiterdichter“ bezeichneten, mit der Sozialdemokratie sympathisierenden Zech nicht. Seine Freundin aus Elberfelder Tagen, Else Lasker-Schüler, holt ihn 1912 nach Berlin.


Wupperstadt – Else Lasker-Schüler zum Geschenk 1913

Schwarze Stadt an schwarzem Gewässer steilaufgebaut — Grünbeliderte Fenster funkeln; aus dem gespenstischen Schieferdachdunkeln schnelln Schornsteine von Dampf und Dunst umbraut.
Hellwild rattert und knattert die Pendelbahn
über Brücken und hagre Alleen.
Fabrik dort unten, wo Spindeln sich kreischend drehen,
ist grau wie ein müder vermorschter Kahn.
Schweiß kittet die Fugen fest, Schweiß aus vielerlei Blutsaft gegoren Frommsein enteitert dem greisen Gebrest.
Mancher hat hier sein Herz verludert, verloren;
Kinder gezeugt mit schwachen Fraun…
Doch die Kirchen und Krämer stehn hart, wie aus Erz gehaun.

Paul Zech, 1913


Kennen gelernt haben dürfte er die Dichterin „in einer Runde Elberfelder LiteraturjüngerInnen, die sich im Literatencafé der Stadt für die Verse Stefan Georges und Reiner Maria Rilkes begeistern“, so der ebenfalls aus Elberfeld stammende Berliner Autor Jörg Aufenanger. Und weiter: George und Rilke „hinterlassen dann auch deutliche Spuren in den ersten Gedichten Zechs. Aber die Luft für Literatur in dieser Stadt ist zu dünn. ‚Hier wird für alles Mögliche Geld ausgegeben, nur nicht für Gedichte‘, schreibt Zech an Georg Heym und fügt später hinzu: ‚Nur den Kaufmann läßt die graue Luft hoch‘. Else Lasker-Schüler widmete ihm ein Gedicht, in dem es heißt, dass Paul Zech seine Verse wie mit der Axt schreibe. Und, an anderer Stelle: „Er ist der einzige Heimatdichter im großen Stil“.


Zech war Expressionist, der in pathetischen Appellen die geschundene Kreatur feierte. Darin lag seine belletristische Stärke: Sehet, was Menschen Menschen antun! Eine seiner schönsten und zugleich bösesten Geschichten ist „Das Pferdejuppchen“ von 1917: Ein 14jähriger, der Grubenpferde betreut, wird von dem durch ein Unglück abgetrennten Schädel seines Lieblingsgauls erschlagen. Ähnlich wie die Lasker-Schüler hat auch Zech seine biografischen Daten nach eigenem Gutdünken gedeutet und das Wupper-Tal nie ganz verlassen. Immer wieder taucht es auch in seinem Werk auf. Im Schauspiel „Der Turm“ und in der Novelle „Das Ereignis“ schildert Zech den religiösen Fanatismus der Sekten, in seinem wichtigsten Roman der zwanziger Jahre, „Peregrins Heimkehr“, beschreibt er die sozialen Gegensätze der Stadt. In vielen seiner Gedichte („Gardinenweberstadt“, „Aus den Fenstern eines Kesselhauses“) drücken sich seine hier gemachten sozialen Erfahrungen aus; u.a. hat er an der Wupper als Packer und als Heizer in einer Kesselfabrik gearbeitet.


Selbst im fernen Exil in Argentinien beschäftigte den Kleist-Preis- Träger von 1918 (zugesprochen für seinen Gedichtband „Das schwarze Revier“ und überreicht von Heinrich Mann, Anm.d. Red.) die Schwebebahnstadt im Bergischen weiter. In dem Nachlass-Roman „Deutschland – Dein Tänzer ist der Tod“ spielt ein zentrales Kapitel in Elberfeld, in dem Zech den Terror der SA, aber auch den Widerstand gegen die Nazis beschreibt. In Berlin hat er sich als Dramaturg, Übersetzer (u.a. von Rimbaud, Balzac und Villon), Lektor, Redakteur und PR-Texter durchgeschlagen. Daneben gab er von 1913 bis 1920 mit Gleichgesinnten die expressionistische Zeitschrift „Das neue Pathos“ heraus.


Auf der Flucht vor den Nazis gelangte er über Prag und Paris nach Argentinien, wo er in Buenos Aires Fuß zu fassen versuchte. Das gelang ihm nicht. Er musste sich in armseligen Verhältnissen abquälen, hungerte, hoffte auf einen literarischen Durchbruch, versank in einen Dämmerzustand des Außenseiters und Verzweifelten. Paul Zech starb er vereinsamt in Argentinien, nachdem er eine Villon-Biographie gerade noch abgeschlossen hatte.


Wie der französische Vagabund fühlte sich Zech als Außen-seiter, „der schrieb, um zu überleben – mit äußerster Mühe und wenig Gewinn. Ein Autorenschicksal, wie es viele gab und noch gibt“ (Hans-Jörg Loskill). Doch in seinen weit verstreuten, in verschiedenen Verlagen erschienenen acht Gedichtbänden, acht Romanen, 28 dramatische Stücken, Essays und Novellensammlungen lebt er weiter. Der Aachener Shaker Verlag hat sich um Paul Zech verdient gemacht, indem er 1998/99 fünf Bände „Auserwählte Werke“ herausgab, verantwortet von Bert Kasties und Dieter Beuer, zusammen-gestellt am Germanistischen Institut der TH Aachen.


Die Agentur „Interpress“ hat 1956 über den Dichter aus Elberfeld (dessen Ehrengrab auf dem Städtischen Friedhof in Berlin-Schöneberg III – ehemals Friedenauer Friedhof – zu finden ist, Anm.d.Red.) geschrieben: „Viele kehrten nach 1945 zurück, Prominente und Namenlose. Andere starben und verdarben in der Fremde: unter ihnen Paul Zech, der sich so sehr danach gesehnt hatte, mit einem Volk das reiche, erworbene Gut seiner südamerikanischen Jahre zu teilen. Breitschultrig, gedrungen, mit massvem, kantigen Schädel meisterte er sein Los. Er war Hausierer zwischen den Lagerschuppen und Gefrierballen am Hafen der argentinischen Hauptstadt, umschritt tausendmal den Bahnhof namens ‚Verfassung‘. Er war nicht daheim am Märchenstrand von Copacabana, auf der Sonnenseite der Reichen und Übersatten. Paul Zech schrieb Briefe an die Lieben in der Heimat und schickte die Grusszeilen niemals ab, wohl um die Macht der Zensur wissend.“


In der Wuppertaler Stadtbibliothek, in der sich auch das Else-Lasker-Schüler-Archiv und das Armin T. Wegener-Zimmer befinden, schlummert eine nahezu einzigartige Sammlung von Zech-Büchern, Briefen und Handschriften. In einem Lebenslauf für eine 1919 erschienene Anthologie über den Expressionismus fordert Zech den Leser auf: „Bestrafe mich nicht, in Museen zu verstauben.“


Autor:

Hajo Jahn, in: ELSG-Brief, Ausgabe 41, 3. Quartal 2000


Links:

http://members.aol.com/paulrobertzech

http://www.litlinks.it/z/zech_paul.htm

http://www.artechock.de/arte/text/filminfo/z/ze/zeauei.htm

http://www.shaker.de/katalog/katr_142.htm

http://www.dla-marbach.de/kallias/hyperkuss/z-3.html

http://www.wuppertal.de/index1.cfm?http%3A//www.wuppertal.de/kultur_bildung/autoren_zech.cfm

http://morgenpost.berlin1.de/archiv2003/030419/feuilleton/story598521.html

http://www.geocities.com/Paris/Jardin/7206/villon/texte/texte.html

http://berlin.spd.de/servlet/PB/menu/1020772

http://www.katz-heidelberg.de/Links_zu_literarischen_Themen/Links_zu_Expressionismus/body_links_zu_expressionismus.html

http://www.uni-protokolle.de/buecher/kat/1075898

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