Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Spiel, Hilde

H.A.M. 0

Hilde Spiel
Schriftstellerin und Journalistin


Geb. 19. 10. 1911 in Wien/ Österreich-Ungarn
Gest. 30.11. 1990 in Wien/ Österreich


„Auf dem Heimweg sich in Zürich ein paar Tage aufzuhalten, lindert den Fall aus dem schäumenden Paris in das dumpfe stagnierende Wien.“

(Hilde Spiel)


Die „empfindsame Europäerin“, wie Marcel Reich-Ranicki die Kollegin nannte, hat schon früh, nämlich Jahre vor dem Anschluss an das deutsche Reich“ (1938) über die Möglichkeit, ins Exil zu gehen, intensiv nachgedacht. Auslöser waren die Niederschlagung eines Arbeiteraufstands 1934 in der österreichischen Hauptstadt, politische Krawalle der Faschisten und vor allem die Ermordung des Philosophen Moritz Schlick am 22. Juni 1936, dem Hauptvertreter des sogenannten Wiener Kreises. Da war sie längst Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), nämlich seit 1933. In jenem Jahr war auch ihr erster Roman erschienen, das später preisgekrönte Buch Kati auf der Brücke.


Daß Hilde Spiel einmal zur Wiener Kaffeehausszene gehören würde, war kaum verwunderlich, hatte sie doch ihre Menschwerdung in der Reformschule der Eugenie Schwarzwald erfahren, wo Freigeister und Künstler wie Arnold Schönberg, Adolf Loos oder Oskar Kokoschka unterrichteten. Dort waren die kreativen Fähigkeiten der jungen Hilde Spiel gefördert worden. Als die in gutbürgerlichen Verhältnissen geborene junge Frau – ihr Vater war Ingenieur und technischer Wissenschaftler – bereits als 17jährige mit einer ersten Kurzgeschichte in der Jugendbeilage der Wiener Neuen Freien Presse debütierte, war sie ein aufgehender Stern im Szene-Café Herrenhof, wo Karl Kraus, der Zeichner Ernst Polak, aber auch Sportlergrößen wie Ernst Stern verkehrten.


Das Elternhaus dürfte geschuldet sein, etwas halbwegs Anständiges zu erlernen. Deshalb studierte sie ab an der Universität Wien 1930 das damals noch relativ junge Fach Psychologie bei Charlotte und Karl Bühler sowie Philosophie bei dem bereits erwähnten Moritz Schlick. Zugleich arbeitete Hilde Spiel an Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle (1931/34), die von Paul Felix Lazarsfeld gegründet worden war, einem der Wegbereiter der modernen Soziologie erst in Österreich und Europa, später in den USA, seinem Exilland, wo er 1976 in New York gestorben ist (der mit der Sozialforscherin Maria Jahoda Verheiratete gehört übrigens Anfang der dreissiger Jahre zu den Autoren jener berühmten Langzeit-Studie über Die Arbeitslosen von Marienthal).


Hilde Spiel ermigrierte kurz nach ihrer Promotion und der Heirat mit dem Schriftsteller Peter de Mendelssohn nach London. Das Ehepaar wurde dort die Repräsentanz der von Prinz Hubertus zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg gegründeten American Guild for German Freedom. Finanziell hielt man sich mehr schlecht als recht über Wasser etwa durch Veröffentlichungen vom Ehemann übersetzte Erzählungen von Hilde Spiel für den Daily Express.

Nachdem Österreich Teil des deutschen Reiches geworden war, konnte die Autorin ihre Eltern nach Großbritannien lotsen und sie vor dem Schicksal der Großmutter bewahren, die im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wurde. Ein Jahr später erschien ihr erster Roman Flute and Drums (mit Hilfe ihres Mannes in englischer Sprache; deutsch Flöte und Trommeln, 1947 verlegt).


Als britische Staatsbürgerin wurde Hilde Spiel ab 1946 Kriegsberichterstatterin des New Statesman zunächst in Wien, danach bis 1948 im viergeteilten und zerstörten Berlin1948 arbeitete sie in Berlin. 1947 wurde sie Theaterkritikerin für Die Welt, wo auch ihr Mann tätig war. Außerdem schrieb sie für englische, französische und weitere deutsche Zeitungen. Sie war in Deutschland gewissermaßen etabliert. Dennoch ging sie zurück in ihre zweite Heimat in dem Gefühl, „in der britischen Gesellschaft als Britin akzeptiert zu werden. Diese Hoffnung sollte sich aber als trügerisch erweisen: Sie lebte zwischen den beiden Ländern und zwischen den beiden Kulturen“, so ihr Biograph Wilhelm Kuehs, Klagenfurt: Während ihrer Arbeit als Kulturkorrespondentin in London, die wirtschaftliche Sicherheit gab, entstanden viele Essays und, 1961, der Roman The Darkened Room (dt. 1965 Lisas Zimmer), „der sich mit dem Exil in den USA auseinandersetzt und exemplarisch die Entwurzelung der Flüchtlinge zeigt. Als eines ihrer wichtigsten Werke gilt die Biographie Fanny Arnstein oder Die Emanzipation (1962). Diese Biographie ist zugleich eine genaue Schilderung der Zeitumstände Wiens um 1800. An der Person der Jüdin Fanny Arnstein, die einen literarischen Salon gründet, wird die beginnende Emanzipation der Frauen dargestellt.“


1970, nach ihrer Scheidung, kehrte Hilde Spiel aus London zurück nach Wien, wo sie ihren langjährigen Freund, den Exilschriftsteller Hans Flesch-Brunningen, heiratete. Sie arbeitete jetzt für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Zürcher Weltwoche und englische Zeitungen. Dabei verstand sie, die längst selbst englische Autoren übersetzte und 1966 zur Generalsekretärin des österreichischen PEN-Clubs berufen worden war, sich als Mittlerin zwischen der englischen und der österreichischen Literatur. Für Aufsehen sorgte sie, die inzwischen Generalsekretärin und Vizepräsidentin des PEN geworden war, 1988 in Kollegenkreisen mit ihrem Austritt aus der österreichischen Schriftstellervereinigung.

Ihr literarisches Vermächtnis sind die kurz vor ihrem Tod veröffentlichten Erinnerungsbände Die hellen und die finsteren Zeiten (1989) und Welche Welt ist meine Welt? (1990).


Autor:

Hajo Jahn


Literatur:

Hans A. Neunzig/ Ingrid Schramm (Hrsg):
Hilde Spiel. Weltbürgerin der Literatur.
Zsolnay-Verlag, Wien, 1999.
(Profile. Magazin des Österreichischen Literaturarchivs.
Bd. 3). ISBN 3-552-04895-2

Hilde Spiel:
Welche Welt ist meine Welt?
Erinnerungen 1946-1989
List Verlag, München 1990
ISBN 3471786333

dies.:
Die hellen und die finsteren Zeiten:
Erinnerungen 1911 – 1946
List-Verlag, München 1989
ISBN 3471786325


Links (deutsch):

http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestand/sg/nl/spiel.htm

http://www.onb.ac.at/sichtungen/beitraege/schramm-i-1a.html

http://www.literaturepochen.at/exil/a5075.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Hilde_Spiel

volume_up.gifhttp://www.mediathek.ac.at/mediathek_v4/htdocs/5737ef8007535929a787b834808e9717/index.php?document_id=1000104&catID=4&galeryID=175

http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/494/14480

http://www.welt.de/daten/1999/07/10/0710lw120878.htx

http://www.literaturhaus.at/buch/fachbuch/rez/hspiel

http://iasl.uni-muenchen.de

http://igrs.sas.ac.uk/publications/publications.php?pub=534

Die Kommentare sind deaktiviert.