Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Nossack, Hans Erich

H.A.M. 0

Hans Erich Nossack
Schriftsteller


Geb. 30.1.1901 in Hamburg
Gest. 2.11.1977 in Hamburg


„Wie erschreckend langsam das geht. Da hat man drei oder vier Stunden intensiv geschrieben, man glaubt eine Welt von Gefühlen und Gedanken durchmessen zu haben und fühlt sich sogar einen Augenblick glücklich – und wenn man den Schaden besieht, sind es kaum drei Buchseiten.“

(Hans Erich Nossack)


Dieser Prosaist und Lyriker ist einer jener deutschen Intellektuellen, für die mit Fug und Recht gesagt werden kann, sie befanden sich während der Nazidiktatur in der „inneren Emigration“. Was allzu vielen Mitläufern Schutzbehauptung war, kann Nossak für sich in Anspruch nehmen. Die „Arbeitsstelle Hans Erich Nossak an der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz, unterhält eine umfangreiche Homepage über diesen Schriftsteller, der wir die folgenden Texte entnommen haben:


„Autobiographie? Welche Biographie bitte? Denn es gibt bekanntlich zwei, die nichts miteinander zu tun haben.
Über die eine, ganz gleich, ob man sie die bürgerliche, gesell-schaftliche, geographische, geschichtliche oder statistische Biographie nennt, können Standes-, Wohnungs-, Finanzämter und andere Behörden weit besser Auskunft geben als ich. Die Register sind absolut zuverlässig, da sie phantasielos sind. Danach bin ich z. B. wahlberechtigt, aber nicht pensions-berechtigt, wie die, die ich wähle. (…)
Und die andere Biographie? Aber mit der mühe ich mich doch sozusagen Tag und Nacht ab, und zwar so ‚auto‘ wie möglich. Wozu also noch theoretisch darüber reden? Das hieße ihre Selbstverständlichkeit anzweifeln.“

(Quelle: Autobiographie. In: Über Hans Erich Nossack. Hg. v. Christof Schmid. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1970 (edition suhrkamp 406), S. 159-162, hier S. 159)


Hans Erich Nossack betrachtete sein Leben als gespalten, geteilt zwischen dem langweiligen und konventionellen äußerlichen Dasein des bürgerlich verheirateten Hamburger Kaffeekaufmanns und späteren hauptberuflichen Schriftstellers und dem sich hinter dieser Fassade abspielenden „eigentlichen“ geistigen Leben, das der Autor vorwiegend nachts führte, wenn alle anderen schliefen.
Mit den Fakten seiner äußeren Biographie nahm Nossack es dementsprechend auch nicht sehr genau. Allzuoft opferte er in seinen diesbezüglichen Äußerungen und Texten (deshalb von ihm auch „pseudoautobiographische Glossen“ genannt) die historische Wahrheit“ einem stilisierten Selbstbild, das seiner inneren Wirklichkeit eher entsprach. Ihm daraus einen Vorwurf zu konstruieren, ist zwar verfehlt, für uns Heutige besteht aber dennoch ein Interesse an den genauen biographischen Fakten, allein schon, um die Selbststilisierung des Autors und ihre Gründe nachvollziehen und verstehen zu können.
Die Sekundärliteratur, besonders ältere Werke, griff Nossacks Stilisierungen bereitwillig auf und wandelte sie in immer wieder weiter übernommene Legenden um – das Publikationsverbot, die verbrannten Manuskripte, der Außenseiter Nossack usw. -, denen der Autor selbst aber auch nie widersprach.


Seine „eigentliche“ innere Biographie, die, auf welche es ihm ankam und in deren Bereich er auf höchster Genauigkeit bestand, findet sich in erster Linie natürlich in Nossacks Werkgeschichte mit ihren anfänglichen Irrwegen und Brüchen, dem erzwungenen Schweigen in der NS-Zeit und dem künstlerischen Auf- und Durchbruch nach dem „Untergang“ Hamburgs 1943. Daneben verlief sein geistiges Dasein immer zwischen Anziehungen und Ablehnungen anderer Autoren der Weltliteratur. Die seinem Ideal von Künstlertum entsprechenden Schriftsteller bezeichnete er mehrfach als seine „wirkliche Familie“, ein Ausdruck, der nicht nur metaphorisch gemeint war. Andere Autoren mußte Nossack als „Feinde“ ansehen, und die Auseinandersetzung mit ihnen verlief nicht weniger scharf als die mit seinen stärksten Widersachern auf der Ebene der äußeren Biographie: seiner leiblichen Familie, besonders seiner Mutter. Das Verhältnis bzw. Mißverhältnis zu ihr, das „Unglück meines Lebens“ (Tagebucheintragung vom 30. 10. 1947), kann mit Fug und Recht als Dreh- und Angelpunkt von Nossacks Lebensgeschichte, als Schnittstelle zwischen innerer und äußerer Biographie angesehen werden.


Seine Lebensdaten in Kürze:

1910 – 1919 Humanistisches Gymnasium „Gelehrtenschule des Johanneums“
1919 Studium an der Universität Hamburg
1920 – 1922 Studium an der Universität Jena (Jura und Philosophie)
1923 – 1933 Abbruch des Studiums, Tätigkeit als Bankangestellter der Privatbank L. Behrens Söhne und als Kaufmann bei Rudolf Meyerkorf & Söhne in Hamburg
1925 Heirat mit Gabriele Knierer
1925 – 1936 entstehen die Dramen „Ilnin“, „Die Rotte Kain“, „Die Hauptprobe“, Über die Freiheit“, „Der Hessische Landbote“
1933 – 1956 Tätigkeit als Kaufmann in der Importfirma des Vaters.
1943 Verlust der Wohnung und seines Besitzes einschließlich vieler unveröffentlichter Manuskripte bei der Bombardierung Hamburgs im Juli 1943
1947 Gedichte, Nekyia (erste Bucherveröffentlichungen im Hamburger Wolfgang Krüger-Verlag)
1948 „Interview mit dem Tode“
1948 Tod des Vaters Eugen Nossack
1949 Mitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz „Die Rotte Kain“
1950 Gründungsmitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg
1953 Tod der Mutter Ella Marie Nossack Uraufführung der „Hauptprobe“
1955 Wechsel zum Suhrkamp Verlag „Spätestens im November“, „Der Neugierige“
1956 „Spirale“, „Die Hauptprobe“ Aufgabe der Hamburger Firma und Übersiedlung nach Aystetten bei Augsburg
1957 Ehrengabe des Kulturkreises im Deutschen Industrie
1958 „Begegnung im Vorraum“, „Der jüngere Bruder“
1961 „Nach dem letzten Aufstand“ Georg-Büchner-Preis
1962 Übersiedlung nach Darmstadt
1963 Lesereisen nach Italien, Spanien und Portugal und Holland Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig
1964 „Vier Etüden“, „Das kennt man“ Lesereise nach Skandinavien
1965 Übersiedlung nach Frankfurt/M. „Das Testament des Lucius Eurinus“
1966 „Die schwache Position der Literatur“ Lesereise nach Großbritannien
1968 Lesereise in die USA Poetik-Dozentur an der J. W. Goethe-Universität Frankfurt/M. „Der Fall d’Arthez“
1969 „Dem unbekannten Sieger“ Übersiedlung nach Hamburg
1971 Pseudoautobiographische Glossen
1972 „Die gestohlene Melodie“
1973 „Bereitschaftsdienst“
1974 Aufnahme in den Orden „Pour le mérite“
1975 „Ein glücklicher Mensch“, „Um es kurz zu machen“
1976 „Dieser Andere“

Hans Erich Nossack wird auf dem Ohlsdorfer Friedhof in seiner Heimatstadt Hamburg beigesetzt.


Autor:

Hajo Jahn


Links (deutsch):

http://www.adwmainz.de/nossack/Nossack.htm

http://www.suhrkamp.de/autoren/nossack/neu/nossack_bio.htm

http://www.dla-marbach.de/kallias/hyperkuss/n-23.html

 

Die Kommentare sind deaktiviert.