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Ludwig, Paula

H.A.M. 0

Paula Ludwig

Dichterin, Schriftstellerin und Malerin

Geb. 05.01. 1900 in Altenstadt b. Feldkirch (Vorarlberg)/

Österreich-Ungarn

Gest. 27.01. 1974 in Darmstadt

 

„Nie würde ich vergessen sein: denn: mein Leben war doch Teil des Lebens meiner Zeitgenossen, unentwirrbar verflochten die gemeinsamen Tage – jedoch meine Mitmenschen leiden an einem schwachen Gedächtnis – sie vergessen sich selbst.“ *)

 

Als Paula neun Jahre alt ist, zieht die Familie aus einem verfallenen Schlösschen nach Linz und im Kriegsjahr 1914 weiter nach Breslau. Der Vater, ein Orgelbauschreiner, trennt sich früh von seiner Familie, woraufhin die Mutter mit Näharbeiten den Unterhalt für sich und die drei Kinder Paula, Martha und Ludwig verdienen muss. Erst mit dem Tod der Mutter nimmt Paulas Vater seine Kinder zu sich. Ihre Erinnerungen an diese ersten vierzehn Jahre dokumentiert sie später im “Buch des Lebens“. Ihren Wunsch, Schauspielerin zu werden, kann Paula zunächst nicht realisieren, sondern muss ihren eigenen Lebensunterhalt als Zimmermädchen und Ateliergehilfin in einer Malerschule verdienen.

 

Sie schließt sich der Breslauer Dichterschule an und stellt dort auch ihre ersten Gedichte vor. 1917 kommt ihr Sohn Siegfried, genannt Friedel, zur Welt, seine unverheiratete Mutter lebt die ersten Jahre mit ihrem Kind in einem Rot-Kreuz-Heim für alleinstehende junge Mütter in München-Nymphenburg und arbeitet  weiter als Dienstmädchen, Aktmodell und Souffleuse bei den Münchner Kammerspielen. Zum Freundeskreis von Paula Ludwig gehören in diesen Jahren u.a. {ln:Mann, Klaus ‚Klaus} und vor allem {ln:Mann, Erika ‚Erika Mann}, und im Umfeld des Dichters Stefan George lernt sie auch die expressionistische Dichterin {ln:Lasker-Schüler, Else ‚Else Lasker-Schüler} kennen. Es entwickelt sich eine jahrelange Freundschaft zu Waldemar Bonsels, dessen Aufsehen erregendes Buch “Indienfahrt“ (1916) für die lyrische Bilderwelt der jungen Dichterin bedeutsam werden wird.

 

Bestärkt durch den Zuspruch ihrer Freunde entschließt sich Paula Ludwig zur Veröffentlichung ihrer Gedichte und Zeichnungen, und bereits 1921 erscheinen in der Münchner Kunstzeitschrift “Ararat“ Reproduktionen ihrer Aquarelle.  Vorübergehend ist es der Künstlerin jetzt sogar möglich, ihren Lebensunterhalt allein durch den Verkauf ihrer Bilder sowie mit kunstgewerblichen Arbeiten zu bestreiten.

 

Einer Bewegung von Künstlern und Literaten folgend, übersiedelt sie 1923 mit ihrem sechsjährigen Sohn nach Berlin. Hier lebt Paula Ludwig zunächst in einer kleinen Behausung am Halleschen Tor, später in einem Zimmer am Kurfürstendamm 177 neben Atelierräumen im 5. Stock. Mitte 1927 kann Ludwig ein geräumiges Atelier am Kurfürstendamm 112 beziehen. Diese Jahre sind eine Ära des intensiven Austausches mit Schriftsteller-Freunden wie {ln:Brecht, Bertolt ‚Bert Brecht}, {ln:Tucholsky, Kurt ‚Kurt Tucholsky}, den Brüdern Eduard und {ln:Zuckmayer, Carl ‚Carl Zuckmayer}, {ln:Ringelnatz, Joachim ‚Joachim Ringelnatz} und dem alten Freund Waldemar Bonsels, der zu dieser Zeit auch in Berlin lebt.

 

Eine leidenschaftliche Liebes- und Arbeitsbeziehung verbindet Paula Ludwig  mit dem Schriftsteller {ln:Goll, Yvan ‚Yvan Goll} (der Briefwechsel der beiden Liebenden wird später von {ln:Goll, Claire ‚Claire Goll} weitgehend vernichtet), der durch diese Liaison zum Schreiben seiner “Malaiischen Liebeslieder“ inspiriert wird. 1925 lernt die Dichterin den Juristen und Schriftsteller Friedrich Koffka kennen, mit dem sie eine bis 1930 andauernde Beziehung eingeht und dem sie ihren 1927 veröffentlichten Lyrikband „Himmlische Spiegel“ widmet. Zwischen 1927 und 1935 erscheinen außerdem “Dem dunklen Gott. Ein Jahresgedicht der Liebe“, das “Buch des Lebens“ und die “Traumlandschaft“. 1927 schult sie ihren Sohn auf dem reformpädagogischen Landerziehungsheim, Gymnasium und Internat Schule am Meer von Martin Luserke ein, wo u.a. auch Carl Zuckmayers Bruder Eduard seit 1925 als Musikpädagoge tätig ist.

 

Im seit Beginn des Jahres 1933 nationalsozialistischen Deutschland fühlt sich die Dichterin und Malerin nicht mehr wohl. Obgleich die gebürtige Katholikin weder rassisch noch politisch verfolgt wird, fühlt sie sich in diesem Land zunehmend fremd. Und spätestens, als sich Ludwig in ihrem Engagement für deutsche Juden auch Bedrohungen ausgesetzt sieht, beschließt sie, Nazi-Deutschland zu verlassen und übersiedelt nach Ehrwald in Tirol. Im März 1938 und mit dem sogenannten “Anschluß“ Österreichs ans Deutsche Reich, flieht auch Paula Ludwig – wie mit ihr zahlreiche österreichische Intellektuelle, Kulturschaffenden und Wissenschaftler – aus dem Einflussbereich der Nazis ins benachbarte Ausland. Erst lebt sie in Paris, geht im Mai (oder Juni) 1940 nach Bordeaux, wird bis zum 21. Juni 1940 im Pyrenäen-Lager Gurs interniert (wie mit ihr auch andere namhafte Persönlichkeiten, darunter {ln:Arendt, Hannah ‚Hannah Arendt}, {ln:Busch, Ernst ‚Ernst Busch},  {ln:Bing, Ilse ‚Ilse Bing}, {ln:Isolani, Gertrud ‚Gertud Isolani}, {ln:Maillet, Léo Léo ‚Maillet}, {ln:Salomon, Charlotte ‚Charlotte Salomon}, {ln:Herz, Alice ‚Alice Herz} und {ln:Fittko, Lisa ‚Lisa Fittko}), wieder auf freien Fuß gesetzt und gelangt über Marseille, Spanien und Portugal im September 1940 nach Brasilien. Hier arbeitet sie zunächst als Dekorateurin und lebt ab 1943 in Sao Paulo bei ihrer Schwester Martha. 1952 erhält sie die brasilianische Staatsbürgschaft.

 

Ihre schriftstellerischen Aktivitäten in den 13 Jahren des Exils liegen weitestgehend brach. Paula Ludwig ist wiederum gezwungen, sich anderweitig über Wasser zu halten und verdient mit Blütenpressen und daraus hergestellten Bildern ihren kargen Lebensunterhalt. Ihre wenigen poetischen Niederschriften   wie “Die Hungerblume blüht an fahler Mauer“ und “Schlafbäume winken über Modersteinen“ widerspiegeln die Kargheit jener Jahre. 1953 kehrt die Lyrikerin,   gesundheitlich angeschlagen und alkoholabhängig, nach Europa zurück und lebt unter sehr einfachen Lebensumständen (zeitweise obdachlos), abwechselnd im Vorarlbergischen Götzis und in Düsseldorf, finanziell unterstützt vom Unternehmer Günther Leitz, der  die Dichterin seit den 1920er/ 30er Jahren kennt, als sie in der  “Schule am Meer“ auf der Nordseeinsel Juist ihren Sohn besucht, damals ein Schulkamerad von Leitz. 1956 übersiedelt Paula Ludwig zu ihrem Sohn Friedel, der in Wetzlar als Fotograf tätig ist und lebt dort zurückgezogen bis 1970. Im Alter von 74 Jahren verstirbt die mit dem Trakl- und dem Preis des Österreichischen Schriftstellerverbandes ausgezeichnete Dichterin in den Städtischen Kliniken Darmstadt und wird auf dem örtlichen Waldfriedhof zur letzten Ruhe gebettet.

 

Am Westhang der Darmstädter Mathildenhöhe wird anlässlich ihres 100. Geburtstages ein Platz nach der Lyrikerin Paula Ludwig benannt. Ebenfalls posthum erscheint 1986 eine Gesamtausgabe ihrer Gedichte sowie 1990 eine Neuausgabe vom “Buch des Lebens“. Der umfangreiche Nachlass der Künstlerin wird im Franz-Michael-Felder-Archiv der Vorarlberger Landesbibliothek aufbewahrt und ist im Jahre 2004 Grundlage einer Ausstellung, in deren Mittelpunkt auch und vor allem das malerische und zeichnerische Werk der Künstlerin steht, das anlässlich ihres 30. Todestages erstmals in diesem Umfang einer größeren Öffentlichkeit präsentiert wird.

 

Quellen:

*) Das Eingangszitat wurde der folgenden Quelle entnommen: “Paula Ludwig 1900-1974, in: Vorarlberg Chronik/

{ln:nw:http://apps.vol.at/tools/chronik/viewpage.aspx?viewtype=artikel&id=111&left=suche&top=personenlink&themen=&von=&bis=&link=&gemeinden=&personen=Ludwig,Paula&special= }

{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Paula_Ludwig }

{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnther_Leitz }

{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Paula-Ludwig-Platz}

{ln:nw:http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bio/id/1606 }

{ln:nw:https://www.darmstadt.de/leben-in-darmstadt/soziales-und-gesellschaft/kirchen/friedhoefe/ehrengraeber/paula-ludwig/ }

{ln:nw:http://www.literaturepochen.at/exil/a5380.html }

 

Links (deutsch):

{ln:nw:https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=118959948 }

{ln:nw:https://www.deutsche-biographie.de/sfz54847.html }

{ln:nw:http://www.vorarlbergmuseum.at/index.php/paula-ludwig/ }

{ln:nw:http://vlb.vorarlberg.at/was-haben-wir/felder-archiv/bestaende/ludwig-paula.html }

{ln:nw:http://sophie.byu.edu/node/3259 }

{ln:nw:http://www.deutsche-liebeslyrik.de/verzeichnis_ludwig_paula.htm }

{ln:nw:http://wwwalt.phil-fak.uni-duesseldorf.de/frauenarchiv/fka_neu/gedichte/articles/ludwig/ }

{ln:nw:https://www.perlentaucher.de/buch/yvan-goll-claire-goll-paula-ludwig/nur-einmal-noch-werd-ich-dir-untreu-sein.html }

{ln:nw:http://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=18983 }

{ln:nw:http://www.revistas.usp.br/pg/article/view/119170/116543 }

 

International:

{ln:nw:http://www.mptmagazine.com/review/panther-and-gazelle-83/ }

{ln:nw:http://www.jstor.org/stable/pdf/20688931.pdf?seq=1#page_scan_tab_contents }

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