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Perzynski, Friedrich

H.A.M. 0

Friedrich Perzynski

Schriftsteller, Kunsthistoriker und Japanologe

 

Geb. am 20.8. 1877 in Berlin

Gest. am 11.8.1965 in Buenos Aires, Argentinien


Friedrich Perzynski gehört zu den vielen Exilanten, die vor ihrer Flucht wohl niemals daran gedacht haben, jemals in einem Land fernab ihres Interesses leben zu müssen, um der Naziherrschaft in Europa zu entfliehen. Aber von wem ist hier überhaupt die Rede? Friedrich Perzynski war offensichtlich schon früh an der Kunst Asiens interessiert. Er konnte sich aber dem entsprechenden Studium nicht gleich zuwenden, sondern musste wegen enger finanzieller Verhältnisse zunächst als Buchhändler arbeiten. Dennoch ließ ihn sein Ziel nicht los. Er hatte sich mit seiner Veröffentlichung zu japanischen Farbholzschnitten in Deutschland gerade bekannt gemacht, als der Direktor der Bremer Kunsthalle, Gustav Pauli, ihn 1905 beauftragte, solche Holzschnitte und Bücher in Japan für das Museum zu erwerben. Dieses tat er erfolgreich und das Ergebnis fand im umfangreichen Kupferstichkabinett der Bremer Kunsthalle einen wichtigen Platz.


Es gelang Friedrich Perzynski auch nach China zu reisen, wo er sich vermutlich als Kunst- und Antiquitätenhändler in Peking aufhielt. Wahrend dieser Reise entdeckte er in den Bergen von Ichou „Lohans“ (buddhistische Steinfiguren), die er Ende 1913 mit anderen chinesischen Skulpturen im Berliner Kunstgewerbe Museum Martin Gropius-Bau ausstellte. Englische und amerikanische Museen erwarben die „Lohans“. Durch seine Hände gingen zudem wertvolle asiatische Brokate und andere asiatische Antiquitäten, die auch beim berühmten Kunsthändler Paul Cassirer, Berlin, ausgestellt wurden.


Perzynski unternahm mehrere Anläufe zu promovieren, was ihm erst 1924 gelang. Dabei legte er als Dissertation sein zweibändiges Werk „Die Masken der japanischen Schaubühne – No und Kyogen“ (Berlin, de Gruyter, 1925) vor. Diese Arbeit hat inzwischen ihren Platz in der japanischen Theaterforschung. Einige weitere Bücher sind: „Von Chinas Göttern“ (München, Wolff 1920), „Hokusai“ (Velhagen & Klasing, Bielefeld 1908), „Der japanische Farbholzschnitt“ (Berlin, Bard 1903). 


Friedrich Perzynski reiste viel – nach Asien, in die USA, in Europa. Er hielt Vorträge und unterhielt eine umfangreiche Korrespondenz mit Museen, Musikern, Dichtern, Verlagen u.a. So finden sich Kontakte mit Rilke, Harry Graf Kessler oder dem englischen Musikforscher Edward Joseph Dent in seinen Unterlagen. Perzynski gehörte wahrend des 1. Weltkrieges der „Nachrichtenstelle für den Orient“ an, die dem Auswärtigen Amt zugeordnet war. 1918 fand man ihn unter den Gründern des „Arbeitsrats für Kunst“, dem u.a. auch Walter Gropius, Gerhard Marcks und Erich Heckel angehörten. Zwei Hauptprobleme verfolgten ihn sein ganzes Leben: er hatte eine angegriffene Gesundheit und stets finanzielle Sorgen. Letztere veranlassten ihn, einen wesentlichen Teil seiner privaten Japan-Sammlung 1907 an Kurt Heymel (Insel Verlag) zu verkaufen, welche daraufhin in das Bremer Überseemuseum gelangte. Perzynski zog sich in den 30er Jahren nach Südfrankreich und dann nach Mallorca zurück. Ob er da noch im Besitz seiner beachtlichen Privatbibliothek war, darunter wertvolle Papiersorten, edle Ausgaben der Doves Press, den vollständigen Voltaire usw., ist nicht klar.


1942 entschied er sich in Argentinien Exil zu nehmen. Dort hatte er offenbar einen begrenzten Kontakt zur Deutschen Kolonie in Buenos Aires, so zu Gräfin Seilern-Aspang und Balder Olden. Seine Finanzsituation sowie seine Gesundheit ermöglichten ihm wenig Spielraum, wie aus vielen überlieferten Briefen von ihm zu entnehmen ist. Krankheit und Einsamkeit ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Korrespondenz. Immer wieder das Ringen mit Verlegern um seine Bücher – er hatte umfassende Kenntnisse in der Buchgestaltung – und um die Bezahlung seiner Arbeiten.

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Die vom Bildhauer Walther Schmarje gestaltete Plakette ist Friedrich Perzynski gewidmet
Entnommen (S.250): Perzyński, Friedrich: Walther Schmarje / Friedrich PerzynskiIn: Deutsche Kunst und Dekoration (1904). 15(1904/05), S. 245-251


Umfassend sind die hier skizzierten Lebensdaten in dem Buch „Friedrich Perzynski (1877-1962?) Kunsthistoriker, Ostasienreisender, Schriftsteller. Leben – Werk – Briefe“, hrsg. von Hartmut Walravens, Wagner Edition Melle 2005, erfasst und beschrieben, wobei bereits der Untertitel andeutet, dass sein Schicksal in dem Buch nicht zu Ende erzählt wird. Die Kenntnis der beiden in Bremen vorhandenen Sammlungen und des vorstehend genannten Buches veranlassten mich, Recherchen um das Lebensende von Friedrich Perzynski aufzunehmen. Dabei sind mir bislang unbekannte Daten in die Hände gelangt, die ich der Exilforschung zur Verfugung stellen mochte: Friedrich Perzynski reiste gemäß Einwanderungsurkunde am 27. Marz 1942 an Bord der ‚Cabo de Buena Esperanza‘ (Reederei Ybarra, Spanien) in Buenos Aires ein. Ob er wirklich in Lissabon, wie in der Urkunde vermerkt, an Bord ging, kann bezweifelt werden; denn das Schiff bediente aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Mittelmeerhäfen Spaniens und so wäre es eher verwunderlich, wenn sich Perzynski in Anbetracht seiner persönlichen Lage quer durch die iberische Halbinsel nach Lissabon auf den Weg gemacht hatte. Das Schiff war ein damals modernes Passagierschiff, wie vorliegende Außen- u. Innenaufnahmen zeigen.


Die uns von Hartmut Walravens in seinem Buch vorgelegte Korrespondenz von Friedrich Perzynski zeigt, dass er ein empfindsamer und streitbarer Geist war. Dieses blieb offenbar weiterhin so. Das zeigt jetzt ein Brief vom 30.10.1944 an P. Walter Jacob – dem Leiter des deutschen Theaters in Buenos Aires –, in dem er sich bitter über die Nazi-Verquickung von Richard Strauss und von Wilhelm Furtwängler ausließ. Der Briefeingang wurde vom Adressaten bestätigt. 


Die Korrespondenz Perzynskis endete nicht 1962. Es fand sich noch ein am 02.12.1964 an die Redaktion des „Merkur“ gerichtetes kurzes Schreiben, in dem er um die Veröffentlichung eines beigefugten „Poems“ bat. Hierin blickt ein alter Mann milde auf sein Leben zurück. Ganz anders, als er aus seinen früheren Schriften her bekannt war. Er musste sein baldiges Lebensende geahnt haben. Dieses Gedicht hatte er wahrscheinlich schon früher Grafin Seilern-Aspang zur Kenntnis gegeben. 


Friedrich Perzynski starb laut Sterbeurkunde am 11. August 1965 in Buenos Aires an Bauchspeicheldrüsenkrebs und wurde am 13. August 1965 auf dem Friedhof Chacarita eingeäschert und in einem Massengrab beigesetzt, da niemand da war, der die Urne entgegennehmen und die Kosten bezahlen konnte. So endete das Leben (das hier nur sehr verkürzt wiedergegeben werden konnte) eines faszinierenden Mannes, der die Enge der Nazi-Herrschaft nicht ertragen und sich nur in ein für ihn – und seine Passion – völlig fremdes Land retten konnte. Er blieb einsam und sein Lebensschluss war sicherlich in jeder Weise schmerzlich.


Danksagung:

Zu meinen Recherchen trugen vornehmlich bei: Dieter Heymann, Stuttgart/Buenos Aires, Robert Kelz, Nashville, Feodor Pellmann, Buenos Aires, P. Walter Jacob Archiv, Hamburg, Literaturarchiv, Marbach, Ibero-Amerikanisches Institut, Berlin. – Ich bin allen zu großem Dank verpflichtet.


 

Autor:

 Ralf Hartel

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