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Friedrich, Ernst

H.A.M. 0

Ernst Friedrich
Schriftsteller und Museumsgründer


Geb. 25.2. 1894 in Breslau
Gest. 2.5. 1967 Le Perreux sur Marne (b. Paris) Frankreich


Während alle anderen um ihn herum Hurra schrieen, weigerte sich Ernst Friedrich, die Uniform anzuziehen. Kein Wunder, dass man ihn für verrückt hielt, glaubten doch selbst Sozialdemokraten an die Überlegenheit Deutschlands/ Österreichs und an einen schnellen Sieg für Kaiser und Vaterland. So einer wie Ernst Friedrich konnte nicht ganz richtig sein im Kopf und mußte zur Beobachtung in eine Anstalt für Geisteskranke, damals Irrenanstalt genannt. Heilung für Träumer und Optimisten vom Schlage eines Ernst Friedrich sucht man dort vergeblich. Mit den Entschädigungszahlungen der Bundesrepublik Deutschland kaufte er nach dem Zweiten Weltkrieg eine Insel in der Seine. Dieses Eiland baute er zu einer Internationalen Begegnungsstätte für die arbeitenden Jugend aus. Ihre Spuren sind verweht. Friedrichs Friedensinsel wurde nach seinem Tod verkauft, um Erbschaftsansprüche zu befriedigen.


Ernst Friedrich war das 13. Kind einer Wäscherin und eines Sattlers. Mit 14 Jahren begann er eine Buchdruckerlehre, die er schnell hinschmiss, um in einer Fabrik als Arbeiter mehr zu verdienen. Weil das den aufgeweckten jungen Mann nicht befriedigte, versuchte er Schauspieler zu werden. Als Kunde – was immer damit gemeint ist, die Archive geben da keine Auskunft – durchwanderte er Skandinavien und die Schweiz. 1911 war Friedrich der Sozialdemokratie beigetreten, drei Jahre später wurde er Mitglied des Königlichen Hoftheater-Ensembles in Potsdam. Doch die große Bühnenkarriere blieb ihm versagt.


Statt 1917 der Einberufung Folge zu leisten, unternimmt Ernst Friedrich, der mit einer illegalen Anarchistengruppe in seiner Geburtsstadt Breslau verbunden ist, einen Sabotageakt in einem patriotischen Musterbetrieb. Die erste Gefängnisstrafe war die Quittung. Und dennoch: Aufgegeben hat er nie, auch wenn die Schicksalsschläge noch so dicht einschlugen.

Nach dem Krieg ging er nach Berlin, denn dort ging die Post ab. In der brodelnden Hauptstadt schloss er sich zunächst der Freien Sozialistischen Jugend an, gründete aber bereits ein Jahr später, 1919, einen Verein im Verein, die antiautoritäre Freie Jugend. So hieß auch der Titel der von ihm herausgegebenen Jugendschrift für herrschaftslosen Sozialismus, die ihn ein wirtschaftlich halbwegs gesichertes Einkommen mit einer Auflage von bis zu 40.000 Exemplaren einbrachte. 1921 initiierte Ernst Friedrich eine ständige Arbeiter-Kunst-Ausstellung mit Werken von Käthe Kollwitz, Heinrich Zille Otto Nagel und anderen damals populären Künstlern. Das war die Basis für das erste deutsche Anti-Kriegsmuseum, das Friedrich 1925 in Berlin eröffnete. Hervorgegangen war dieses Museum aus einer der vielleicht ersten deutschen Wohnkommunen, wie sie Ende der 60er Jahre in der Bundesrepublik populär waren.


Sein Bildungshunger hatte er längst gestillt, hielt jetzt selbst Vorträge etwa über Sexualwissenschaft oder Individualpsychologie. Die Besucher kamen scharenweise, denn mit seinem Krieg dem Kriege hatte Friedrich einen Bestseller geschrieben. Von 1926 bis 1930 erreichte das Buch zehn Auflagen mit 50.000 Exemplaren. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurde er wegen seiner Mitarbeit an der KPD-Zeitschrift Die Rote Fahne im April 1930 verhaftet und im November des gleichen Jahres zu einem Jahr Festungshaft verurteilt.

Der weitere Abstieg war rasant: Nach der Haftentlassung schlugen ihn SA-Rabauken 1932 vor seinem Museum zusammen. Die SA auch war es, die 1933 das Anti-Kriegsmuseum zerstörte und die Wohnkommune Internationales Haus zu ihrem Sturmlokal machte. Friedrich kam in Schutzhaft, aus der nach einem halben Jahr krank entlassen wurde, übrigens auf Druck amerikanischer Quäker. Weil ein neuer Prozess drohte, floh Ernst Friedrich mit seiner Frau Charlotte, die er 1915 geheiratet hatte, und den beiden Kindern über Prag in die Schweiz. Sein Versuch, dort sein Anti-Kriegsmuseum in Aargau scheiterte.


Mehr Erfolg hatte er damit in Brüssel, denn inzwischen war die Familie über Holland nach Belgien geflohen. Die Schweiz hatte den deutschen Anarchisten und Pazifisten ausgewiesen. Im Oktober 1936 konnte in der belgischen Hauptstadt das Musée Mondial contre la Guerre eröffnet werden. Doch auch dieses Museum wurde wieder von Deutschen zerstört, als Hitlers Wehrmacht 1940 Belgien besetzte.
Es folgte die Evakuierung nach Frankreich und dort im Sommer 1940 die Internierung, bis er nach eineinhalb Jahren in die unbesetzte Zone bei Barre-des-Cévennes fliehen konnte. Beim Bewirtschaften eines Bauernhofes kamen ihm seine praktischen Fähigkeiten aus der Fabrikzeit zugute; hier lernte er auch seine zweite Frau Marthe Saint-Pierre kennen (die er nach der Scheidung von der deutschen Ehefrau später heiratete).


Die ländliche Idylle konnte nicht lange andauern und wurde im Februar 1943 jäh gestört: Die deutsche Wehrmacht hatte im November 1942 Rest-Frankreich besetzt. Die Gestapo machte den in Deutschland zum Tode verurteilten Ernst Friedrich schnell ausfindig. Nach der Verhaftung konnte er fliehen – sein Sohn kam in Geiselhaft – und sich der Résistance anschließen! Welch ein Schritt für einen überzeugten Pazifisten, als er in der Widerstandsarmee aufgenommen wurde. Zwischen 1943 und 1944 kämpfte er gegen die deutschen Besatzer. So war er bei der Befeiung französischer Städte dabei und soll rund 70 Mädchen und Jungen eines jüdischen Kinderheimes vor der Deportation bewahrt haben


Sein Anti-Kriegsmuseum hat Friedrich kein drittes Mal aufbauen können, so sehr er sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich auch darum bemühte. Doch Romantiker, der er wahr, kaufte er sich einen Schleppkahn, seine Friedens-Arche. Die Pazifistenzeitschrift Bordbrief erreichte nur drei Ausgaben. Die Welt außerhalb seiner Friedensinsel hatte für den selbsternannten Welt-Friedensminister meist nur Spott übrig: Ernst Friedrich starb mit schweren Depressionen. Sein Nachlass gilt als verschollen. Vermutlich wurde er vernichtet, weil niemand Interesse an den Ideen dieses Träumers hatte.


Autor:

Hajo Jahn


Links (deutsch):

http://www.berlin.spd.de/servlet/PB/menu/1533276

http://www.anti-kriegs-museum.de/deutsch/geschichte.html

http://www.anarchismus.at/txt4/friedrich.htm

http://www.dradio.de/dlr/sendungen/wk1/287466

http://www.perlentaucher.de/buch/18302.html

http://recollectionbooks.com/bleed/Encyclopedia/FriedrichErnst/krieg.htm

http://projekte.free.de/dada/dada-l/L0001263.HTM

 

 

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