Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Brauer, Max Julius Friedrich

H.A.M. 0

Max Julius Friedrich Brauer
Politiker

Geboren am  3. September 1887 in Ottensen (Altona, heute Hamburg)
Gestorben am 2. Februar 1973 in Hamburg


„Da standen wir beide nach langen Jahren der Emigration vor unserer Vaterstadt und sahen das erschütternde Bild unüberschaubarer Ruinen.“
Er war noch Amerikaner, als Max Brauer diese Zeilen angesichts des zerbombten, weitgehend zerstörten Hamburg notierte. Als er dann im  Oktober 1946 in den Magistrat gewählt wurde, musste sein Vorgänger im Schnellverfahren eine Einbürgerungsurkunde ausstellen, damit Brauer Erster Bürgermeister werden konnte. Die US-Staatsangehörigkeit war nur eine auf Zeit gewesen, erst 1943 erworben. Da lebte er bereits sechs Jahre in den Vereinigten Staaten im Exil.


Sein Leben bietet Stoff gleich für mehrere Romane: Ein Tellerwäscher-Karrieretyp, von den Nazis mit Verleumdungen und Prozessen überzogen, die ihn in Frankreich sogar zeitweise ins Gefängnis führten. In China war der Exilant Brauer für den Völkerbund tätig, die Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen. Er sollte seine excellenten Erfahrungen für eine Verwaltungsreform einbringen, die er als Bürgermeister von Altona sozusagen im freien Feldversuch erworben hatte. Aber im bevölkerungsreichsten Land der Welt waren bereits die Auseinandersetzungen zwischen dem rechten General Tschiang Kai Tschek und dem Kommunisten Mao Tse Tung ausgebrochen. Brauer kam weder für den einen noch für den anderen zum Einsatz.           


Hatte Max Brauer noch die Straßenkämpfe zwischen Nazis, Kommunisten und Sozialdemokraten erlebt, so liebäugelte er später trotz allem kurze Zeit mit einem Volksfrontbündnis zwischen SPD und KPD. Beim rechtsreaktionären Kapp-Putsch zeigte er sich mutig gegen die Rechten in Altona, aber in Nachkriegsdeutschland tolerant gegen Mitläufer und Unterstützter des Hitler-Staats, die er für den Wiederaufbau für nötig hielt. Dann wiederum war dieser pragmatische Politiker engagiert gegen die atomare Aufrüstung der Bundeswehr im „Kampf dem Atomtod“.


Ein Autokrat und Demokrat zugleich, stur und sozial. Die erste freie Wahl in seiner Heimatstadt ein Jahr nach Ende der Nazi-Diktatur hatte für diesen widersprüchlichen, schillernden Politiker einen schalen Beigeschmack. Trotz eines großen Erfolgs für seine sozialdemokratische Partei war er unzufrieden mit dem schlechten Abschneiden der gegnerischen Parteien. Das Wahlverfahren hatte seine Partei, die SPD, überproportional bevorteilt. Aber „echte Demokratie braucht Opposition“ – so die Kritik dieses Mannes, der als einer der großen Bürgermeister Hamburgs gilt und der Sozialdemokratie, in einem Atemzug zu nennen mit seinen Parteifreunden Otto Reuter, Berlin, oder Wilhelm Kaisen, Bremen. Kaisen hatte die Nazizeit relativ unbehelligt im „inneren Exil“ auf seinem Bauernhof überstanden, Otto Reuter war Exilant in der Türkei.


Der Autor dieser Zeilen hat Max Brauer 1953 auf einer Versammlung zur Bundestagswahl vor DDR-Flüchtlingen in Hamburg-Wandsbeck erlebt. Es war die hohe Zeit Adenauers. Der erste deutsche Kanzler war bei den Menschen aus der „sowjetischen Zone“ überaus beliebt. Viele der Anwesenden waren Teilnehmer des Arbeiteraufstands am 17. Juni gewesen. Dass sie jetzt Unterstützung im „freien Westen“ bekamen, das schrieben sie alles dem Kanzler und seiner CDU zugute. Sie dürften mehrheitlich die Christdemokraten gewählt haben – ähnlich wie die meisten DDR-Bürger die Leistung von Helmut Kohl in der ersten Wahl nach der Vereinigung honorierten.


Max Brauer aber repräsentierte die Oppotision, die SPD. Dass dieses sozialdemokratische Urgestein Hamburg als Erster Bürgermeister aufgebaut und modernisiert hatte – er wurde im Herbst des selben Jahres abgewählt – interessierte die Flüchtlinge keinen Deut, wenn sie es überhaupt wußten. Aus ärmlichen Verhältnissen, achtes von 13 Kindern, hatte er sich nach seiner frühen Lehre als Glasbläser Bildung angeeignet, Bücher in sich regelrecht hineingefressen. War früh Gewerkschafter geworden, hatte in jungen Jahren, in denen heutige Jugendliche noch zur Schule gehen, zu Streiks aufgerufen und in Magdeburg, wohin seine Eltern gezogen waren, sogar einen SPD-Ortsverein gegründet.


„Ich bin in Altona geboren: Altona ist meine Vaterstadt. Als Arbeiterkind bin ich hier groß geworden; durch die Volksschule bin ich gegangen, um selbst Arbeiter zu werden. Die widrigen sozialen Verhältnisse der unteren Volksschichten habe ich am eigenen Leibe kennen gelernt. Arbeitslosigkeit, Wohnungselend, alles was die breiten Schichten unserer Bevölkerung bedrückt, ist mir bekannt. Ich habe wie viele junge Arbeiter gehungert und gedürstet nach Bildung und Wissen.“ Dieses Bekenntnis hatte Brauer bereits 1924 öffentlich abgegeben. Zur Politik, so bekannte er freimütig, hatte ihn nicht der Vater gebracht, der gleichmütig die offenbar von Gott gegebene Einteilung in reich und arm hingenommen hatte. Im Wortsinn mit der Muttermilch war ihm sozialdemokratisches Gedankengut beigebracht worden. Die Mutter machte ihm klar, dass der Mensch ein Recht darauf habe, acht Stunden zu arbeiten, acht Stunden zu ruhen und sich acht Stunden zu bilden. Brauers große Zeit war die als erster Bürgermeister von 1946 bis 1953. Die Aufbauzeit, die entschlossen handelnde Menschen brauchte, keine Weicheier. Doch wie so viele Politiker konnte er sich nur schwer von Macht und Ansehen seines Amtes trennen, das er noch einmal von 1957 bis 1960 innehatte. Er starb, nach Intermezzi im Bundestag und im Bundesvorstand der SPD, relativ verbittert, an den Rollstuhl gefesselt. Vielleicht wäre sein trauriger Niedergang anders verlaufen, als ihn ein anderer sozialdemokratischer Exilant in sein Wahlkampfteam rief: Für die Bundestagswahl 1961 war er Kandidat für den Außenministerposten im Schattenkabinett von Willy Brandt, der damals jedoch scheiterte. Heute heißen in Hamburg Schiffe, Straßen und Brücken nach Max Brauer.


Autor:

Hajo Jahn

Die Kommentare sind deaktiviert.