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Canetti, Veza

H.A.M. 0
Veza Canetti (Pseudonyme Veza Magd, Martha Murner, Veronika Knecht)
Schriftstellerin

Geb. 21.11.1897 in Wien/ Österreich-Ungarn
Gest. 1.5.1963 in London/ Großbritannien

Mütterlicherseits stammt Veza Canetti, geborene Venetiana Taubner-Calderon, aus einer Familie jüdischer Spaniolen Bosniens und väterlicherseits von ungarischen Juden ab. Sie verlebt ihre Kinder- und Jugendjahre in Wien, bildet sich nach dem Abitur im Selbststudium weiter und arbeitet für einige Zeit als Lehrerin an einem Gymnasium.


Für ihre Geschichte Ein Kind rollt Geld erhält sie 1932 den zweiten Preis für die beste Kurzgeschichte bei einem Preisausschreiben der Wiener Arbeiter-Zeitung, wo auch in den Folgejahren in loser Folge Geschichten von ihr erscheinen erscheinen , die später auch als Roman unter dem Titel Die Gelbe Straße veröffentlicht werden.


Aufgrund der sich verändernden politischen Situation in Österreich im Zuge der Februarunruhen 1934 gibt es für die überzeugte Sozialistin Canetti jedoch keine Publikationsmöglichkeiten mehr, darunter auch ihre Romane Kaspar Hauser und Die Genießer. Die 1934 in Wieland Herzfeldes Prager Exilzeitschrift Neue Deutsche Blätter veröffentlichte Erzählung Drei Helden und eine Frau ist ihre vermutlich letzte Veröffentlichung.


Im selben Jahr noch heiratet sie den acht Jahre jüngeren Dichter (und späteren Nobelpreisträger) Elias Canetti, mit dem sie bereits seit Jahren befreundet ist. 1938 emigrieren Veza und Elias Canetti zunächst nach Paris und leben ab Januar 1939 in London. Für ihren noch in diesem Jahr verfassten Roman Die Schildkröten findet sie zwar noch einen englischen Verleger, infolge des Kriegsausbruchs im September 1939 kann das Buch allerdings dann doch nicht erscheinen. Nach dem Krieg sucht Veza Canetti vergeblich nach weiteren Publikationsmöglichkeiten. Veza Canetti schlägt sich in diesen Jahren mit commercial correspondence, Sprachunterricht und anderen wenig einträglichen Arbeiten, die Flüchtlinge erlaubt ist, auszuüben, durch. Später arbeitete sie als Lektorin für den Hutchinson Verlag, übersetzte ins Deutsche und kümmerte sich um die Korrespondenz ihres Ehemannes Elias, der in London 20 Jahre lang an seinem großen Werk Masse und Macht arbeitete. Obgleich Veza Canetti mindestens bis 1952 weiterschreibt, sogar in englischer Sprache, sind von ihrem Wirken jener Jahre so gut wie keine Spuren zu finden.


Dass Veza Canetti mit zu den wichtigsten österreichischen AutorInnen gehört, ist, – nicht zuletzt auch durch die eingeschränkten Publikationsmöglichkeiten im Exil – für lange Zeit in Vergessenheit geraten. In Kreisen der Literaturkritik, die überwiegend positiv auf das Werk Veza Canettis reagiert, zeigt man gleichzeitig Unverständnis über Elias Canettis langes Schweigen, das die Vermutung nahelegt, der Nobelpreisträger habe, wenn nicht gar die literarische Arbeit, so zumindest das Bekanntwerden seiner schreibenden Partnerin unterdrückt.

Erst seit Anfang der 90er Jahre rückt die Schriftstellerin Veza Canetti wieder zunehmend in das Bewusstsein der literarischen Öffentlichkeit


„Lange Zeit war Veza Canetti eine Vergessene. Erst die späte Veröffentlichung ihres Romans Die Gelbe Straße (1989) weckt Erinnerungen an eine Schriftstellerin, deren Erzählungen in den dreissiger Jahren zum besten gehörten. Die Gelbe Straße, das ist die Ferdinandstraße in der Wiener Leopoldstadtt, in der Veza Canetti viele Jahre lebte. Es ist die Straße der Lederhändler, erfüllt vom Lärmen der Kaufleute und vom Gezänk der Nachbarn, vom Schimpfen und Klagen der Betrogenen und Schwachen. In einem knappen, ironisch-distanzierten Stil, ohne Sentimentalität, doch mit tiefer Anteilnahme macht Veza Canetti Heuchelei und Bosheit, List und Geldgier als Untergrund der zwischenmenschlichen Beziehungen sichtbar – eine groteske comédie humaine am Vorabend des Weltuntergangs und ein Werk von hohem literarischem Rang.“

aus: Renate Wall: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil, 1933-1945, Haland& Wirth/ Psychosozial-Verlag 2004, ISBN 3-89806-229-5, S. 68f.


Eine Sammlung mit Erzählungen von Veza Canetti erscheint 1991 unter dem Titel Geduld bringt Rosen. Ihr Schauspiel Der Oger erscheint 1990 als Buch und wird 1992 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt.


Quelle:

Renate Wall: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil. a.a.O., S.68/69


Literatur:

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