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Arendt, Hannah

H.A.M. 0

Hannah Arendt
Soziologin und Politologin


Geb. 14.10.1906 in Linden b. Hannover
Gest. 4.12.1975 in New York/ USA


Hannah Arendt„Auf die Frage nach dem Sinn von Politik gibt es eine so einfache und in sich so schlüssige Antwort, dass man meinen möchte, weitere Antworten erübrigten sich ganz und gar. Die Antwort lautet: Der Sinn von Politik ist Freiheit.“

(Hannah Arendt: „Was ist Politik“?)

 

 

 

 


Ein Gymnasium in Barsinghausen hat sich die berühmte Soziologin und Politologin zum Vorbild genommen und sich nach Hannah Arendt benannt. Auch deshalb, weil sich diese ebenso umstrittene wie mutige Autorin „Denken ohne Geländer“ erlaubte (so Sabine Steinhoff in einem Artikel in der 4. Ausgabe der Zeitung Hawel Hawalim, der Fachschaft Judaistik an der Uni Köln). Die internationalen Kontroversen hatte Hannah Arendt ausgelöst durch ihren Bericht über den am 11. April 1961 in Jerusalem begonnenen Eichmann-Prozess, den sie 1963 zunächst in einem englischsprachigen „Skandal“-Buch (Eichmann in Jerusalem. A Report on the Banality of Evil (New York) publizierte und der ein Jahr später als Ein Bericht von der Banalität des Bösen in München auf Deutsch erschien.


Hannah Arendt war Schülerin der prominenten Philosophen Martin Heidegger, Edmund Husserl und Karl Jaspers. Aber nicht nur weil sie Jüdin war, musste sie 1933 aus Deutschland fliehen; die im besten Sinne des Wortes streitbare junge Frau wurde von den Nationalsozialisten als politische Gegnerin ernst genommen und verfolgt. Zunächst emigrierte sie nach Frankreich, 1940 in die USA. Die deutsche Exilantin wurde die erste Frau, die einen Lehrstuhl an der renommierten Princeton University innehatte, die bis dahin von Männern dominiert wurde. Unter anderem befasste sich die Wissenschaftlerin mit den soziologisch-anthropologischen Kategorien von Arbeit, Produzieren und Handeln. Der menschlichen Grundsituation von Sein und Tun verschaffte sie neue Perspektiven, schrieb Essays über Walter Benjamin, Bertolt Brecht und Rahel Varnhagen, vor allem aber beschäftigte sie sich mit der Erforschung des Totalitarismus, der Judenverfolgung und politisch-philosophischen Grundsatzfragen.


Lange vor vielen anderen erkannte sie jedoch, dass der Schlüssel zum Verständnis der 12jährigen Nazidiktatur nicht bei Schurkenfiguren wie Hitler, Goebbels und Co. Liegt, sondern bei jener Masse freundlicher, gebildeter und liebesfähiger Menschen, die in den ersten Jahren mitgemacht haben wie der spätere Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg oder Wilm Hosenfeld, der in dem Polanski-Film Der Pianist als Retter von Wladislaw Szpilman bekannt wurde.


Selbst(-bewusst) schlug sich Hannah Arendt dem amerikanischen Wochenmagazin The New Yorker als Berichterstatterin für den Eichmann-Prozess vor. Die Wissenschaftlerin als Journalistin? Natürlich musste sie sich denn auch viele Anfeindungen gefallen lassen – und die Kontroversen um ihre Sichtwiese dauern noch heute an. Sie aber erhoffte sich von der Teilnahme an dem Verfahren – dem meistbeachteten Nazi-Prozess nach dem Kriegsverbrecher-tribunal von Nürnberg – den Beginn einer „heilenden Klärung“ ihrer eigenen Vergangenheit. Denn schon in Deutschland, also sehr früh, hatte sie das wahre Gesicht der NS-Diktatur erkannt, mit dem sie sich später in Publikationen, Vorträgen und Interviews ebenso auseinander setzte wie mit den unverständlichen Gräueln der Konzentrationslager, denen sie durch ihre Flucht rechtzeitig entkommen konnte.


Kritisch verfolgte sie vor allem die Begleitumstände des Eichmann-Prozesses. Adolf Eichmann hatte zunächst die bürokratische Abwicklung der „forcierten Auswanderung“ der deutschen Juden als Abteilungsleiter im Reichssicherheits-hauptamt Berlin zu verantworten. Später ordnete er die „Endlösung der Judenfrage“ in der berüchtigten „Wannsee-Konferenz“ an, also die Deportation in Gaskammern der Konzentrationslager. Er galt nach herrschender Meinung als der schlimmste Schreibtischtäter des „Dritten Reichs“, die israelische Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen den „Zerstörer eines Volkes“. Für Hannah Arendt aber war dieser ehemalige SS-Obersturmbannführer nichts anderes als ein banaler Beamter. Eichmann hatte sich 15 Jahre lang als staatenloser Vorarbeiter in Buenos Aires verstecken, sich also jeder Verantwortung für seine Verbrechen entziehen können – wie so viele andere Nazis, die nach Argentinien geflohen waren. Zufällig war er entdeckt und in einer spektakulären Aktion von israelischen Sicherheitskräften am 22.Mai 1960 nach Haifa „entführt“ worden. Im Namen der 6 Millionen Opfer beanspruchte der Staat Israel die juristische Kompetenz. Die Regierung Adenauer in der Bundesrepublik Deutschland verzichtete kommentarlos auf eine Auslieferung, die rechtsstaatlich geboten war. Sie protestierte auch nicht gegen die in Deutschland längst abgeschaffte Todesstrafe, die gegen Eichmann verhängt und vollstreckt wurde.


Für Hannah Arendt, die kein Hebräisch sprach und die den Prozess mit Hilfe einer Simultanübersetzung verfolgte, war das nur einer von mehreren Kritikpunkten. Sie empörte sich über die politischen Motive „jenseits der Person des Angeklagten“, unterstellte dem Leitenden Staatsanwalt, dass es ihm vor allem um die Anklage der „Tragödie des Judentums in allen seinen Teilen“ gehe und nur zweirangig um die Taten Eichmanns. Und während die Verteidigung Eichmann zum kleinen Rädchen bagatellisierte, versuchte die Anklage nach Meinung von Hannah Arendt „aus ihm das größte Rad aller Zeiten zu machen“. Für ihre Kritiker war es empörend, für ihre Sympathisanten jedoch mutig, wie Hannah Arendt sich auch zur Rolle der „Judenräte“ bei der „Endlösung“ äußerte – eine Querdenkerin, die als herausragende Leistung der drei Richter lobte, „dass diese sich nicht auf extreme harakterisierungsversuche einließen, sondern das Rädchen und den Dämon in einen Menschen ‚zurückverwandelten’.“


Es gab öffentliche, ja sogar bösartige Kampagnen gegen Hannah Arendt. Selbst honorige Zeitgenossen wie Golo Mann oder Gershom Scholem kritisierten „unsere selbsternannte Juristin“. Ironisch antwortete die Autorin mit dem noch immer gültigen Satz: „Es gibt nichts Unterhaltsameres als die Auseinandersetzung über ein Buch, das niemand gelesen hat.“ Da war wohl auch Koketterie im Spiel. Doch noch heute scheiden sich die Geister an ihrem Werk. In Israel ist die Philosophin wegen ihrer damaligen massiven Kritik an der israelischen Regierungspolitik, wegen ihrer antizionistischen Haltung und dem angeblich fehlenden Mitleid gegenüber den Verbrechen am jüdischen Volk wenig geachtet. Doch der israelische Filmemacher Eyal Sivan, der mit dem Bild eines blutrünstigen Eichmanns, eines machiavellistischen Lügners und Serienmörders aufgewachsen ist, hat nach der Lektüre von Arendt-Veröffentlichungen und einem Treffen mit der Autorin 1986 in Paris einen Dokumentarfilm aus 350stündigen Aufzeichnungen des Prozesses zusammen geschnitten, die er zufällig entdeckt hatte. Gewidmet hat er diesen Film einer mutigen, klugen, unabhängigen Frau: Hannah Arendt.


Werke:

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1951)
Rahel Varnhagen (1959)
Vita activa oder Vom tätigen Leben (1960)
Eichmann in Jerusalem (1963)
Über die Revolution (1963).


Literatur:

Kurt Sontheimer: Hannah Arendt, Piper-Verlag,
München 2005, ISBN: 3492043828

Hannah Arendt – Uwe Johnson
Der Briefwechsel 1967 bis 1975
Herausgegeben von Eberhard
Fahlke und Thomas Wild
Suhrkamp-Verlag, Frankfurt/ M. 2004
ISBN 3-518-41595-6

Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann in Zusammen-
arbeit mit dem Hannah-Arendt-Institut Dresden (Hg.):
Hannah Arendt u.a.:
Denktagebuch (2 Bände)
1950-1973, Piper-Verlag München, 2002
ISBN-Nr. 3492044298

Ursula Ludz (Hg.): „Hannah Arendt: Was ist Politik?
Fragmente aus dem Nachlass“, München/Zürich 1993

Wolfgang Heuer: „Hannah Arendt in Selbstzeugnissen
und Bilddokumenten“ rororo monographie 379
Reinbek bei Hamburg (1987)

Carol Brightman (Hg.): „Im Vertrauen: Hannah Arendt –
Mary McCarthy: Briefwechsel 1949-1975″.
Aus d. am. Engl. von Ursula Ludz & Hans Moll.
Serie Piper 02475, München (1995)

Elisabeth Young-Brühl: „The Hannah Arendt Papers at
the Library of Congress“ (Website)

dies.: . Hannah Arendt: Leben, Werk und Zeit.
Fischer TB, Frankfurt/M. (1991) [1982]


Autor:

Hajo Jahn


Links: (deutsch)

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/ArendtHannah

http://www.tu-dresden.de/hait

http://www.uni-oldenburg.de/arendt-zentrum

http://www.berliner-lesezeichen.de/lesezei/Blz01_02/text07.htm

http://www.geocities.com/hoefig_de/Eichmann/Eichmann.html

http://www.information-philosophie.de/philosophie/heideggerarendt.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Hannah_Arendt

http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/hannah-arendt/

http://www.helmut-zenz.de/hzarendt.html

http://www.philo-forum.de/literatur/ksk_Arendt

http://www.degruyter.de/journals/znthg/pdf/9_131.pdf

http://www.onlinekunst.de/oktober/14_10_arendt.html

http://www.zvab.com/angebote/hannah-arendt.html

http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/40517

http://www.onb.ac.at/ariadne/02bier23.htm

http://www.freitag.de/2001/05/01051602.htm

http://www.lpb.bwue.de/publikat/helllichten/tag.htm


International:

http://memory.loc.gov/ammem/arendthtml/arendthome.html

http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/biography/arendt.html

http://www.iep.utm.edu/a/arendt.htm

http://www.theology.ie/thinkers/arendt.htm

http://agora.qc.ca/mot.nsf/Dossiers/Hannah_Arendt

http://users.skynet.be/pierre.bachy/Arendt.htm

http://learning.berkeley.edu/holub/articles/Hanagf.pdf

http://www.lcr-rouge.org/archives/111199/controv.html

http://www.filosofico.net/arendt.htm

http://utenti.lycos.it/arendt1976/temi.htm

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